Читать книгу Geocaching - Tödliche Weihnacht in Oberstdorf (NEUFASSUNG) - Dieter Krampe - Страница 19
Kapitel 14 - Fischen 21.12., abends
ОглавлениеUlrich Winterscheid sieht sehr mitgenommen aus. Seinen Turban vom Morgen in der Klinik hat er jetzt gegen ein Piratentuch getauscht. Das rechte Auge ist von einer Augenklappe bedeckt.
Er sitzt im Kaminzimmer in der Fiskina in Fischen. Mit ihm warten Nico, sein Sohn, und Dr. Werner Brandenburg, der Justiziar seines EUROMIX-TECHNOLOGY-Konzerns. Schweigend nippen sie an den Rotweingläsern. Der Bürgermeister von Oberstdorf, Korbinian Einödhofer, Freie Wähler, und die Vertreter des Gemeinderats Claudia Zorn-Teuffel, Grüne, Wilhelm Hintertupfer, CSU, und die Kämmerin Agnes Langhammer, FDP, hatten diesen Tagungsort vorgeschlagen, damit in Oberstdorf nicht wieder wilde Gerüchte und Spekulationen kursieren.
Dr. Brandenburg unterbricht die Stille: „Herr Winterscheid, was machen die Schmerzen? Wollen Sie unbedingt heute bei dem Gespräch dabei sein?“
Ulrich schaut auf und nickt: „Ja, aber natürlich, lieber Dr. Brandenburg. Ist ja wichtig heute. Wir müssen das Projekt endlich in trockene Tücher bekommen.“
„Paps, wir müssen auf jeden Fall Druck auf die Politikerbande machen. Sie lassen uns sowieso schon viel zu lange zappeln“, wirft Nico ein, nimmt sein halbvolles Glas und gießt sich den Rest die Kehle hinunter. Das Feuer im Kamin prasselt.
Herbert Vasiljevs, der 60-jährige Wirt der Fiskina, führt die Delegation des Oberstdorfer Gemeinderats ins Kaminzimmer. „Ich wünsche den Herrschaften erfolgreiche Gespräche. Ich werde dafür sorgen, dass Sie nicht gestört werden.“
Vasiljevs verlässt eilig den Raum, bevor sich die Oberstdorfer noch hingesetzt haben, und betritt den benachbarten Gastraum, in dem Dr. Bettina Ziebach, die Notärztin aus der Oberstdorfer Klinik, schon auf ihn wartet. Die 38-Jährige hat den gut aussehenden gebürtigen Letten während einer gemeinsamen Kreuzfahrt in die Karibik im letzten Oktober kennengelernt. Als väterlicher Freund hat der Neubürger des Oberstdorfer Nachbarortes ihre rein platonische Beziehung durch mehrere Einladungen zum Essen und anderen Unternehmungen in die nähere Umgebung aufrecht erhalten.
Bettina, die gebürtige Hamburgerin, hatte nach einer gescheiterten Ehe die Stelle hier im Allgäu angenommen. In letzter Zeit macht sich aber bei ihr immer stärker Heimweh breit, daher freut sich die Medizinerin über diese unverfängliche Abwechslung in ihrem Berufsstress.
Herbert hat von dem Deal der Oberstdorfer mit dem EUROMIX Konzern Wind bekommen. Natürlich verspricht er sich viel davon, wenn er das Interesse des Internetanbieters von Oberstdorf weg zu seinem Ort lenken könnte. Da winken auch seinem Betrieb Chancen.
Als er heute Mittag die Reservierung der EUROMIX-Leute entgegen nahm, dachte er sofort an seine Freundin. So ist es jetzt auch kein Zufall, dass die Klappe der Durchreiche zum Kaminzimmer heute leicht geöffnet ist. Die gefüllte Entenbrust, für die der Küchenchef im ganzen Allgäu bekannt ist, hat den beiden hervorragend gemundet. Kurz vor dem Servieren des Desserts steigt der Lärmpegel aus dem Nachbarraum. Herbert steht plötzlich vom Tisch auf.
„Entschuldige, Bettina, mir fällt gerade ein, dass ich einem Kunden versprochen habe, mich wegen einer Hochzeitsfeier in der nächsten Woche noch einmal telefonisch zu melden. Ich bin sofort wieder da. Du bist mir hoffentlich nicht böse. Aber du weißt ja, Geschäft geht vor Vergnügen.“
„Natürlich, aber lass mir bitte noch ein Glas Rotwein vorbei bringen!“
„Das ist doch selbstverständlich“, und schon ist Herbert um die Ecke verschwunden.
Wohl oder übel ist Bettina gezwungen, den Disput aus dem Kaminzimmer mitzuhören.
„Das darf doch wohl nicht wahr sein, Bürgermeister, für mich kommt nur das Gelände an den Sprungschanzen in Frage. Was soll ich denn mit den Wiesen im Norden des Ortes?“
„Aber ich habe Ihnen doch gesagt, dass die Wiesen vor dem Oytal dem Verein der RECHTLER gehören. Und die haben in ihren Satzungen, dass kein Gelände an Auswärtige verkauft werden darf, egal wie viel dafür geboten wird“, fleht Einödhofer die Geschäftsleute praktisch an.
„Wir haben dem Verein und eurem Gemeinderat doch schon Millionen angeboten. Ihr könnt doch nicht unendlich mehr verlangen“, brüllt jemand jetzt in die Runde.
„Ich glaube auch nicht, dass mehr Geld die RECHTLER überreden kann“, wendet die Gemeindekämmerin dazu ein.
„Ihr habt auch gesagt, wenn wir denen sagen, dass wir dort ein Museumsdorf bauen, werden sie zustimmen.“
„Das werden sie auch, denn es ist ja ihr Ziel, die Verhältnisse des 19. Jahrhunderts zeigen zu können. Aber sie werden den Schwindel bald merken.“
„Bürgermeister, das überlassen Sie mal uns. Wir werden schon früh genug vollendete Tatsachen schaffen. Wir haben schon einiges in den geplanten Erlebnispark investiert. Da gibt es kein Zurück, verdammt noch mal.“
„Notfalls müssen wir den Hinterwäldlern mal zeigen, dass wir am längeren Hebel sitzen“, ergänzt eine andere Stimme nun wieder unaufgeregter.
Bettina hat genug gehört. Das Gehörte schockiert sie. Aber was soll sie jetzt machen? Kann sie überhaupt etwas tun?