Читать книгу Geocaching - Tödliche Weihnacht in Oberstdorf (NEUFASSUNG) - Dieter Krampe - Страница 20

Kapitel 15 - Pfarrhof (2) 22.12., morgens

Оглавление

Robert Schibulsky hat gut geschlafen. Gegen 9:40 Uhr tritt er aus dem MONTANA Haus. Der Himmel ist an diesem Sonntag erstmals seit seiner Ankunft stark bewölkt. Es sieht nach Regen aus. Robert geht zum Bahnhof. Hier gibt es auch sonntags frische Semmeln.

Um seine Laune noch eine Nuance zu steigern, nimmt er zusätzlich zu den zwei Semmeln heute trotz seines Diabetes noch ein großes Stück Bienenstich mit. Er verstaut das Gebäck in seiner Leinentasche. Umweltschutz muss sein. Je älter Robert wird, umso umweltbewusster wird er. „Wir müssen unseren Nachkommen schließlich eine lebenswürdige Erde hinterlassen!“

Robert möchte den katholischen Pfarrer noch einmal besuchen. Daher geht er über die Haupt- und die Weststraße zum Pfarrhof. Obwohl der allsonntägliche Pfarrgottesdienst, der um 9:30 Uhr beginnt, noch nicht beendet sein kann, schellt Robert an der Tür von Pfarrer Dr. Altmayer.

Nach wenigen Sekunden öffnet sich die Tür und die Haushälterin erscheint. Robert setzt sein breitestes Lächeln auf. „Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen guten Morgen, Frau …“

„Brutscher!“ setzt Eva-Maria Brutscher, die 71-jährige Haushälterin des Pfarrhofes fort.

„Ist der Herr Pfarrer schon vom Gottesdienst zurück?“

„Ach, waren Sie nicht in der Kirche?“, maßregelt die Alte.

„Entschuldigen Sie Frau ….“

„Brutscher.“

„Ja, natürlich, Brutscher. Leider habe ich heute Morgen verschlafen.“

„Sie haben sicherlich vergessen, Ihren Wecker zu stellen, nicht wahr.“

Robert hat hier und seit seiner Pensionierung auch zu Hause in Bielefeld keinen Wecker mehr. Dennoch antwortet er: „Tatsächlich, Frau ….“

Diesmal sagt die Alte nichts, und Schibulsky fährt fort: „..Brutscher. Ich habe gestern in der Tat den Wecker vergessen.“

„Sehen Sie, Herr Schibulsky, ich nehme täglich einen Esslöffel Salbeiöl, das hilft gegen Vergesslichkeit.“

Robert Schibulsky schaut die Alte erstaunt an. „Woher kennen Sie meinen Namen?“

Eva-Maria schüttelt den Kopf. „Ach, Herr Schibulsky, ich habe gestern nach Ihrem Besuch noch ein kurzes Gespräch mit unserem Herrn Pfarrer geführt. Daher weiß ich ihren Namen.“

„So, so, Salbeiöl also“, wiederholt Robert, der sich in letzter Zeit wirklich Sorgen wegen seiner Vergesslichkeit macht. Alzheimer lässt grüßen.

„Ich müsste noch einmal mit dem Pfarrer sprechen. Aber vielleicht können Sie mir auch helfen.“

Die Haushälterin bittet Schibulsky endlich herein und führt ihn ins Wohnzimmer. Er nimmt im braunen Ledersessel neben dem Schreibtisch Platz. Frau Brutscher setzt sich ihm gegenüber auf das dreisitzige Sofa.

„Frau Brutscher, was können Sie mir über Kaplan Teuffel sagen?“

Die Alte ziert sich: „Nur das Beste. Der Kaplan war stets freundlich und fleißig. Er war in der Gemeinde, besonders aber bei den Kindern und Jugendlichen sehr beliebt.“

„Was bedeutet fleißig?“

„Nun, er hat über seinen Dienstplan hinaus oft Termine unseres Pfarrers mit übernommen. Außerdem war er jede freie Minute entweder im Computerklub bei den Jugendlichen oder bei seiner kranken Mutter.“

„Was ist mit seiner Mutter?“

„Als der Kaplan an unsere Kirche beordert wurde, hat er seine Familie aus Westfalen mitgebracht. Seine Mutter leidet schon sehr lange an Rheuma. Sie kann ihre Wohnung in der Bienengasse kaum verlassen, da sie die Treppe kaum hinauf und herunter kommt.“

„Sie sprachen von Familie. Was ist mit seinem Vater, oder Geschwistern?“

„Vom Vater weiß ich nichts. Aber seine Schwester wohnte ebenfalls in der Wohnung mit der Mutter. Bis sie vor einem Jahr den Metzger Zorn geheiratet hat. Frau Zorn-Teuffel führt jetzt die Buchhaltung und ist 2. Bürgermeisterin im Ort. Wo sie jetzt wohnt, weiß ich nicht genau. Ich glaube im Neubaugebiet oben Am First.“

Ein Moment Stille tritt ein. Schibulsky überdenkt das zuletzt Gehörte. „Frau Brutscher, hat Kaplan Teuffel in letzter Zeit Ärger oder Streit mit jemandem? Oder gab es ein besonderes Ereignis?“

„Wie gesagt, er war bei jedem beliebt.“

„Und sein Verhältnis zum Pfarrer, war das auch so gut?“, bohrt Robert nach. Die alte Haushälterin zögert, ihre Augenlider schließen sich für einen kurzen Augenblick.

„Kaplan Teuffel hatte wohl zuletzt etwas viel Stress, vor allem wegen der Jubiläumsfeier unseres Computerklubs. Als Pfarrer Dr. Altmayer ihm die Hochzeit und das vorangehende Brautgespräch von diesem ungewöhnlichen Paar übertragen wollte, sagte ihm der Kaplan, dass er das unmöglich zeitlich schaffen kann. Da das Paar aber nur vom jungen Kaplan getraut werden wollte, hat der Kaplan letztendlich doch eingewilligt.“

„Wann hatten denn diese Brautleute diesen besonderen Wunsch?“

„Ich denke, das muss fast sechs Wochen her sein.“

„Kennen Sie das Brautpaar?“

„Nein, die jungen Leute haben sich meines Wissens hier beim Skifahren kennengelernt. Aber mir kamen die beiden irgendwie komisch vor. Kaplan Teuffel war nach dem Brautgespräch auch ganz verstört. Er sagte mir einmal, dass er sich gar nicht mehr an das Gespräch mit den beiden erinnern konnte.“

Unvermittelt tritt Pfarrer Dr. Altmayer in den Wohnraum. Trotz ihres betagten Alters versucht die Haushälterin von ihrem Sessel aufzuspringen. Sie entschuldigt sich rasch, dass sie sich mit dem westfälischen Ex-Kommissar ohne das Einverständnis der Kirchenleitung befragen lassen hat.

„Es ist Besuch für sie da, Herr Pfarrer. Der Kommissar hatte noch ein paar Fragen zum Tode unseres Kaplans. Ich habe ihm allerdings nichts Neues erzählen können.“

Ohne eine Erwiderung abzuwarten schlurft Frau Brutscher aus dem Wohnzimmer. Dr. Altmayer hat seine Überraschung ob der erneuten Anwesenheit Schibulskys schnell überwunden. „Ja, grüß Gott, Herr Kommissar, das ist ja eine echte Freude, Sie heute Morgen hier zu treffen. Wie kommen Sie denn voran mit der Sache Marc Teuffel?“

„Grüß Gott, Herr Altmayer“, erwidert Schibulsky für ihn ganz ungewöhnlich. „Ja, wie weit bin ich gekommen? Sie haben mir mit unserem gestrigen Gespräch und der telefonischen Auskunft so weit geholfen, dass ich zumindest sicher sagen kann, dass Ihr Kaplan keinen Suizid vollzogen hat. Alles spricht für einen kaltblütigen Mord.“

Die Gesichtszüge des Pfarrers entgleiten. Röte schießt in den eher blassen Teint des Kirchenmanns. Ein Filmstreifen läuft blitzschnell in seinem Kopf ab. „Oh Gott, Herr Kommissar, das ist ja unglaublich.“

„Ich weiß nicht, warum die Kriminalpolizei nicht in diese Richtung ermittelt hat. Aber ich werde morgen ein Gespräch in Kempten haben. Danach kann ich Ihnen sicherlich mehr sagen.“

Diese Aussicht bereitet Dr. Altmeyer sichtlich Unwohlsein. Er möchte am liebsten, dass möglichst rasch Gras über die Sache wächst. Lass Wahrheit Wahrheit sein. Ruhe ist die erste Christenpflicht.

„Herr Pfarrer, ich habe gehört, dass Kaplan Teuffel vor kurzem eine kirchliche Trauung vorbereitet hat“, kommt Schibulsky jetzt schnell zum Punkt.

Dr. Altmayer schreckt aus seinen Panikphantasien auf. Man sieht, dass er seine Gedanken jetzt auf Schibulskys Bemerkung richtet. Er fasst sich ans Kinn.

„Warten Sie, Herr Kommissar.“ Er schreitet zu seinem Schreibtisch. Er greift nach seinem Kalender und setzt sich auf den Platz, den zuvor seine Haushälterin eingenommen hatte. Er blättert andächtig in seinen Aufzeichnungen.

„Ja, hier steht es. Das war ein bisschen ungewöhnlich. 16. November 2013, 16:30 Uhr. Ein mir vollkommen unbekanntes Paar wollte sich unbedingt in unserer Kirche St. Johannes Baptist trauen lassen. Da der Mann bald eine Arbeitsstelle in Dubai antreten konnte, sollte die kirchliche Trauung möglich noch vor Silvester stattfinden. Sie wollten auch unbedingt durch Kaplan Teuffel getraut werden. Es bestand wohl eine Bekanntschaft aus der Seminarzeit in Münster.“

„Haben Sie eventuell die Namen der Brautleute?“ In weiser Voraussicht greift der Ex-Kommissar in seine Jackeninnentasche, um einen Kugelschreiber griffbereit zu haben.

„Natürlich. Jeder muss ja einen Personalbogen samt Foto einreichen. Das müsste ich allerdings im Computer aufrufen.“

„Das wäre für mich sehr interessant. Vielleicht bringt das mehr Klarheit in den Fall.“

Dr. Altmayer steht auf und geht erneut zum Schreibtisch. Hier startet er den PC. Während des Hochfahrens des Computers setzt er sich auf seinen Drehstuhl und setzt seine Erklärung fort. „Wenn ich es recht überlege, war diese Episode wirklich sehr mysteriös. Marc war strikt gegen den Wunsch des Brautpaares. Aber irgendwie haben sie ihn doch überredet. Es hat, glaube ich, kurz darauf noch ein sogenanntes Brautgespräch zur Vorbereitung stattgefunden. Aber danach haben wir nichts mehr von den beiden gehört.“

Schibulsky kann es kaum glauben. „Verstehe ich das richtig, Dr. Altmayer? Das Paar, das alles daran gesetzt hat, hier in Oberstdorf von Kaplan Teuffel getraut zu werden, ist ohne Angabe von Gründen auf einmal nicht mehr erschienen?“

„So ist es, Herr Kommissar,“ bestätigt der Pfarrer und muss selber den Kopf schütteln.

„Haben Sie selbst das Paar mal Auge in Auge gesehen?“

Altmayer überlegt kurz. „Eigentlich nur kurz bei ihrer Anmeldung.“

„Dann können Sie zum Beispiel sicherlich keinerlei sichere Angaben zum Aussehen der beiden machen, nicht wahr?“

„Ja, das stimmt.“ Der Pfarrer dreht sich zum Bildschirm. Mit einigen Klicks öffnet er in der Verwaltung die gesuchte Seite. Schibulsky kommt trotz seiner den neuen Techniken gegenüber eher kritischen Einstellung zu dem Schluss, dass der fast gleichaltrige Pfarrer sehr erfahren bei der Handhabung seines PCs ist. Er steht auf und stellt sich hinter Altmayer. Der liest vor:

„Michael Hickelsberger, geb. 17.08.1987 in Osnabrück. Stefanie Köhler, geb. 29. Februar 1988 in Füssen.“

Schibulsky notiert sich die Namen in sein kleines Notizbuch. Der Pfarrer scrollt den Text auf dem Bildschirm nach unten. Und tatsächlich, Marc hatte die Fotos der beiden mit eingescannt. Der Kommissar betrachtet eingehend das Foto der Braut. Das Gesicht kommt ihm irgendwie bekannt vor. Und wenn sein Namensgedächtnis wegen des Nichteinnehmens von Salbeiöl schon stark gelitten hat, auf seine eidetischen Fähigkeiten, nicht zuletzt durch ständige Memory-Partien gegen seine Frau, kann sich Robert immer verlassen. Er lässt sich den Personalbogen und die beiden Passbilder ausdrucken und verabschiedet sich dann rasch von Dr. Altmayer.

„Sie haben mir wie immer sehr geholfen, Dr. Altmeyer. Ich spüre, dass dieses Paar etwas mit dem Mord an Marc Teuffel zu tun haben muss. Aber nun will ich Sie nicht länger stören. Schließlich bin ich ja zur Erholung hier und muss mich jetzt auch mal um meine Familie kümmern. Die ist nämlich mit Ausnahme meiner Frau gestern mit ihrem Auto hier eingetroffen.“

Dr. Altmayer geleitet Schibulsky zur Haustür. „Das ist ja schön für Sie. Weihnachten im Kreis seiner Familien zu feiern ist ein Geschenk Gottes.“

Schibulsky fällt spontan noch eine weitere Frage ein. „Dr. Altmayer, Ihr Kaplan hat meines Wissens so eine Art Computerklub mit Ihren Jugendgruppen eingerichtet. Können Sie mir sagen, wer sich jetzt nach dessen Tod darum kümmert?“

„Der Computerklub war meine Idee. Um wieder mehr Jugendliche für unsere KJG zu gewinnen, dachte ich mir, dass das durch den Kauf von ein paar PCs sehr gut gelingen könnte. Als Marc dann zu uns kam, hat er gleich mehrere Angebotsgruppen eingerichtet. Er hat auch die neuen Räume in Selbstregie gestaltet. Die größte Gruppe, die sogenannten „ALLGÄU-Piraten“, hat ja schon seit Mitte November einen neuen Leiter. Nico Winterscheid organisiert da jetzt alles; die machen in der nächsten Woche ein Riesenevent. Soweit ich weiß, gibt es da keine Probleme. Anders sieht es noch beim Internet-Café und den Qualifizierungskursen aus.“

Geocaching - Tödliche Weihnacht in Oberstdorf (NEUFASSUNG)

Подняться наверх