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Erkenntnis des realen und idealen Seins

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Aus den vorangehenden Ausführungen kann geschlossen werden, dass sich Sein und Werden gegenseitig bedingen. Das Werden setzt ein Sein voraus, um als solches erkannt zu werden. Das Sein wiederum manifestiert sich im Werden. Eine Seinslehre (Ontologie) ist daher Voraussetzung für das Erfassen der Werdeprozesse. Eine moderne Ontologie hat Nicolai Hartmann (1882–1959) vorgelegt.2 Sie unterscheidet das reale vom idealen Sein und beschreibt die zugehörigen Erkenntnismöglichkeiten.

Reales Sein bedeutet Dasein, Gegebensein, Existenz der Einzeldinge, Auftreten der Einzelereignisse. Die reale Welt ist als Raum-Zeit-Kontinuum verfasst, beinhaltet das Werden, die Unbeständigkeit. Das ideale Sein umfasst die Ideen, die geometrischen Gebilde und logischen Aussagen, die Werte. Es ist streng beharrend, immer seiend, wesenhaft seiend, hat nie den Charakter des Einzelfalls, beinhaltet kein Werden.

Die Erkenntnis des realen Seins beruht auf der Wahrnehmung mit den Sinnen und dem Begreifen der Sinnesdaten mit dem Verstand. Ersteres setzt nach Kant die Anschauungsformen des Raumes und der Zeit voraus, die der Wahrnehmung vorausgehen.8 Letzteres bedarf der reinen Verstandesbegriffe, insbesondere der Kategorien. Das erklärt die Abweichungen zwischen den nur empirisch erschließbaren Realkategorien und den von Kant als »transzendental« bezeichneten Erkenntniskategorien. Nach neuerer, evolutionstheoretisch begründeter Auffassung, haben sich die Anschauungsformen und Erkenntniskategorien im Verlauf der Stammesentwicklung den Realkategorien angepasst, sodass erkannte und reale Welt hinreichend übereinstimmen.9

Gemäß der Hartmannschen Ontologie vermittelt die Idealsphäre zwischen der Realsphäre und der Erkenntnissphäre.2 Es ist daher von einer kategorialen Parallelität der drei Sphären auszugehen. Die Erkenntnis des idealen Seins, also der Ideen und der Werte, erfolgt intuitiv.

Im Akt des Erkennens stehen sich erkennendes Bewusstsein (das Subjekt) und zu erkennender Gegenstand (das Objekt) gegenüber. Das Objekt erzeugt im Subjekt ein Abbild, eine Anschauung, eine Vorstellung, einen Begriff. Objekt und Subjekt bleiben aber über die gemeinsame Seinsbasis gegenseitig gebunden. Das Objekt kann nicht ohne erkennendes Subjekt gedacht werden, das Subjekt wiederum ist nicht ohne Objekt vorstellbar.

Die erkenntnistheoretische Basis der Hartmannschen Ontologie ist ein kritischer Realismus.10 Die Welt existiert real, ist jedoch rational und begrifflich nur unvollkommen erfassbar. Grundlage des Erfassens sind die Phänomene im weitesten Sinn, also unter Einschluss des erfassenden Bewusstseins. Jenseits der Erkenntnisgrenzen liegt das Irrationale.

Aus den vorangehenden Ausführungen ist ersichtlich, dass die Wechselbeziehung von Sein und Werden sich in der Wechselbeziehung von idealem und realem Sein fortsetzt. Das ideale, wesenhafte Sein ist beständig, ist eigentliches Sein. Das reale, innerweltliche Sein ist dagegen unbeständig, dem Werden zugeordnet. Ideales Sein erschließt sich überwiegend durch Intuition. Reales Sein wird durch die Abfolge von sinnlicher Wahrnehmung und verstandesmäßiger Einsicht erkannt.

Philosophische Grundbegriffe der Naturwissenschaften

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