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Elementare Gegensatzkategorien in den Seinsschichten

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Die die Realwelt strukturierenden, alle Seinsschichten durchdringenden elementaren Gegensatzkategorien und ihre Abwandlung in den Seinsschichten werden nachfolgend der Hartmannschen Ontologie entsprechend erläutert.2

Die Tafel der elementaren Gegensatzkategorien orientiert sich an elementaren Seinsgegensätzen, die als komplementär, also als sich ergänzend, aufgefasst werden. Beide Glieder der Gegensatzpaare sind positiv, zwischen ihnen sind daher Abstufungen möglich. Zwei Gruppen von je sechs Gegensatzpaaren werden von Hartmann angegeben, die erste Gruppe angeführt vom Gegensatzpaar Prinzip–Concretum, die zweite Gruppe angeführt vom Gegensatzpaar Einheit–Mannigfaltigkeit. Die Termini sind dem geschichtlich entstandenen Sprachgebrauch der Philosophie entnommen, der die kategorialen Unterschiede, historisch bedingt, nur unzureichend ausdrückt. Das bestimmende Moment ist daher das jeweils komplementäre Gegenglied. Bemerkenswert ist, dass Raum und Zeit nicht als elementare Kategorien auftreten. Der Grund ist das Abbrechen der Raumkategorie am Beginn der seelischen Schicht.

Die Aufgabe der Kategorialanalyse besteht darin, die elementaren und besonderen Kategorien im zu untersuchenden ontologischen Fall zu bestimmen und das Hindurchgehen der jeweiligen elementaren Gegensatzkategorien durch die Seinsschichten sowie deren Abwandlung in den Schichten aufzuzeigen. Dabei ist der mögliche Unterschied zwischen Realsphäre und Erkenntnissphäre im Auge zu behalten. Vier naturwissenschaftlich relevante kategoriale Gegensatzpaare werden nachfolgend als Beispiele erläutert.

Das kategoriale Gegensatzpaar Prinzip–Concretum durchläuft unverändert die Seinsschichten mit Ausnahme der obersten Schicht. In den drei unteren Schichten determiniert das Prinzip das Concretum, in der Schicht des geistigen Seins tritt anstelle der Determination die (ethische) Anforderung, die auf den menschlichen Willen und damit auf das menschliche Handeln einwirkt. Das gewandelte Prinzip determiniert nicht, sondern lässt Entscheidungsfreiheit.

Das kategoriale Gegensatzpaar Form–Materie zeigt beim Durchgang durch die Schichten die Erscheinungen der Überformung und des Überbaus, deren begriffliche Erklärung im nächsten Absatz folgt. Als Wesen der Materie galt einst ihr formloser Substratcharakter. Inzwischen hat sich das Substrat der dinglichen Welt als sehr formenreich erwiesen: Elementarteilchen bilden Atome, Atome bilden Moleküle, Moleküle bilden Makromoleküle oder Kristalle, Molekülkonglomerate bilden das, was ehemals als »Stoff« bezeichnet wurde. In der vorstehenden Aufzählung ist die niedere Stufe stets Materie der höheren Stufe, die höhere Stufe wiederum stets Formung der niederen Stufe. In der modernen Physik sind die substantiellen Formen der Elementarteilchen durch Gesetzesformen der Elementarprozesse ersetzt.

Im Gesamtaspekt der Kategorialanalyse ergibt sich eine Staffelung, also eine in Stufen fortlaufende Überhöhung, die »Überformung« genannt wird. Diese durchdringt die Schichtenfolge nicht immer durchgehend, sondern zeigt Einschnitte, an denen sich die höhere Formung zwar auch über die niedere Formung erhebt, jedoch die niedere Formung nicht als Materie übernommen wird. Ein Beispiel dafür ist der Einschnitt zwischen organischem und seelischem Sein. Die Akte und Inhalte des Seelenlebens nehmen die räumlichen Formen und materiellen Prozesse des Organismus nicht in sich auf. Es setzt eine neue Reihe von seelischen Überformungen ein, unräumlich und immateriell geartet, ein »Überbau« der bisherigen Reihe. Ein weiteres Beispiel ist der Einschnitt zwischen seelischem und geistigem Sein. Die seelischen Akte gehen in den objektiven Gehalt von Sprache, Wissen und Kunst nicht ein.

Das kategoriale Gegensatzpaar Determination–Dependenz beschreibt die Relation von Bestimmendem zu Bestimmtem. In ihrer reinsten Form erzeugt das Bestimmende, in einer Reihe von Glied zu Glied fortschreitend, gleichlaufend das Bestimmte. Dependenz bezeichnet dieselbe Reihe, jedoch aus Sicht der abhängigen Glieder. Determination setzt in der Regel mehrere Faktoren als bestimmend voraus. Ohne diese »Bedingung« kommt die Sache nicht zustande. Als »Grund« gilt die Vollzähligkeit der Bedingungen.

Die einfachste Form der Determination ist der Kausalnexus, die Abhängigkeit des Späteren vom Früheren mit Antinomie des ersten Gliedes. Als weitere Determinationsform kann die Wechselwirkung des Gleichzeitigen hinzutreten. Auf der Stufe des Organischen scheint es ein darüber hinausgehendes ursächliches Zusammenspiel zu geben, das vom Ganzen her bestimmt ist. Auf der Stufe des personalen Geistes herrscht der Finalnexus in dreiläufiger Form: vor-läufige Zwecksetzung im Bewusstsein, rück-läufige Auswahl der Mittel, erneut vor-läufige Verwirklichung. Die Zwecksetzungen im Bereich des Geistigen sind durch Werte final determiniert. Weitere komplexe Determinationsformen spielen im Gemeinschaftsleben und im Geschichtsprozess eine Rolle.

Das kategoriale Gegensatzpaar Element–Gefüge (im Sinn von Glied – Gefüge) hebt sich vom Verhältnis Teil–Ganzes dadurch ab, dass die Elemente im Gefüge eine Funktion haben, ohne die sie nicht Element wären, während das Gefüge gegenüber den Elementen Eigenständigkeit besitzt.

Die Welten des Mikro- und Makrokosmos erscheinen als gestaffelte Gefüge von hoher dynamischer Stabilität mit dem Merkmal der Überformung von Stufe zu Stufe. Auffällig ist die große Lücke in der Größenordnung der Abmessung zwischen den Molekülen und der Erdkugel, die man sich als von organischen Gefügen besetzt vorstellen kann. Auch die organischen Gefüge treten gestaffelt auf, von der Einzelzelle zum Zellverbund, vom Zellverbund zum Organ, vom Organ zum Organismus, vom Organismus zur biologischen Art.

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