Читать книгу Du wartest jede Stunde mit mir - Dietrich Bonhoeffer - Страница 24
14. An Maria von Wedemeyer
Оглавление12. August 1943
Meine liebste Maria!
Als ich den letzten Brief an Dich abgeschickt hatte, bekam ich plötzlich einen Schrecken, Dir könnte vielleicht meine Tegeler Adresse auf dem Umschlag im Dorf Unannehmlichkeiten machen. Und wenn ich auch förmlich zu hören glaube, wie Du darüber laut lachst – ich freue mich über dieses Lachen –, so meine ich, man soll solche Dinge doch nicht leichtfertig behandeln; es ist wirklich nicht nötig, dass Du einen Dorfklatsch über Deinen Bräutigam über Dich ergehen lassen musst. Um auch jede Möglichkeit in dieser Hinsicht auszuschließen, habe ich Dir also nicht wieder geschrieben, sondern zu Haus angefragt, wie Du darüber denkst. Nun kam aber heute Dein lieber Brief; daraufhin kann ich nun einfach nicht stumm bleiben. Aber bitte schreibe mir das nächste Mal, wie ich künftig an Dich schreiben soll; vorher schreibe ich jetzt nicht wieder. –
Und nun also zu Deinem Brief. Du kannst es gar nicht ermessen, was es für mich in meiner jetzigen Lage bedeutet, Dich zu haben. Es ist mir gewiss, dass hier eine besondere Führung Gottes über mir waltet. Die Art, wie wir uns gefunden haben, und der Zeitpunkt so kurz vor meiner Verhaftung sind mir zu deutliche Zeichen dafür; es ging wieder einmal „hominum confusione et dei providentia“ [nach des Menschen Verwirrung und Gottes Vorsehung]. Täglich überwältigt es mich aufs Neue, wie unverdient ich solches Glück erfuhr, und täglich bewegt es mich tief, in eine wie harte Schule Gott Dich im letzten Jahr genommen hat, und wie es offenbar sein Wille ist, dass ich Dir, kaum dass wir uns kennen, Leid und Kummer zufügen muss, damit unsere Liebe zueinander den rechten Grund und die rechte Tragkraft bekommt. Wenn ich dazu die Lage der Welt, die völlige Dunkelheit über unserem persönlichen Schicksal und meine gegenwärtige Gefangenschaft bedenke, dann kann unser Bund – wenn er nicht Leichtsinn war und das war er bestimmt nicht –, nur ein Zeichen der Gnade und Güte Gottes sein, die uns zum Glauben ruft. Wir müssten blind sein, wenn wir das nicht sähen. Bei Jeremia heißt es in der größten Not seines Volkes, noch soll man Häuser und Äcker kaufen in diesem Lande, als Zeichen des Vertrauens auf die Zukunft. Dazu gehört Glaube; Gott schenke ihn uns täglich; ich meine nicht den Glauben, der aus der Welt flieht, sondern der in der Welt aushält und die Erde trotz aller Not, die sie uns bringt, liebt und ihr treu bleibt. Unsere Ehe soll ein Ja zu Gottes Erde sein, sie soll uns den Mut, auf der Erde etwas zu schaffen und zu wirken, stärken. Ich fürchte, dass die Christen, die nur mit einem Bein auf der Erde zu stehen wagen, auch nur mit einem Bein im Himmel stehen. –
Übrigens bin ich durchaus der Meinung, dass Euer Pastor uns trauen soll. Ich finde, man soll in solchen Dingen immer das Nächstliegende tun; das ist wichtiger als irgendein persönlicher Wunsch. – Und nun habt Ihr also das Haus voller Leute. Wie gern würde ich Dich in diesen Tagen das Hausregiment führen gesehen haben! Die Mutter hat mir wieder so einen sehr schönen Brief geschrieben und mir darin mancherlei erzählt; sag ihr doch bitte vielen Dank dafür; ich weiß, wie sehr sie sich die Zeit absparen muss, um mir zu schreiben. Aber es gibt hier auch keine größere Freude, als Briefe zu bekommen. Man liest sie ungezählte Male, um mitleben zu können. –
Draußen ist ein trüber Regentag, der so recht zu dem vergeblichen Warten auf Klärung und Aufhellung passt. Aber wir wollen keinen Augenblick vergessen, für wie vieles wir dankbar sein müssen und wie viel Gutes wir immer noch erfahren; ich brauche dabei nur an Dich zu denken und jede kleine Trübung der Seele wird wieder hell. Und nun wollen wir für den Rest der Zeit, der uns noch auferlegt ist, wirklich geduldig bleiben, keine Stunde mit Murren und Hadern vergeuden: Diese Wartezeit ist – von Gott her gesehen – eine ungeheuer kostbare Zeit; es liegt viel daran, wie wir sie bestehen und dass wir uns später nicht schämen müssen, dass wir das Geschenk, das Gott uns mit diesen Monaten der Bewährung gegeben hat, nicht erkannt haben. Ich bin gewiss, aus dieser Prüfungszeit wird unsere Liebe und unsere Ehe für immer Kraft ziehen. So lass uns miteinander und aufeinander warten bis zu unserem Freudentag. Es wird nicht mehr lange dauern, liebe, liebe Maria! –
Grüße bitte die Mutter und die Geschwister. Ist es Lütgert, der gefallen ist? Das wird Euch alle sehr betrüben. Bitte grüße seine Frau! – Leb wohl, liebste Maria, Gott behüte uns und die Unseren.
Dich umarmt Dein Dietrich, der sich von einem Brief auf den anderen freut!