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18. An Maria von Wedemeyer

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27. August 1943

Meine liebste Maria!

Wie soll ich Dir beschreiben, was Deine Besuche für mich bedeuten? Sie vertreiben jeden Schatten und jeden Kummer und sind tagelang eine Quelle großen und ruhigen Glücks – wenn Du wüsstest, was das für einen Gefangenen heißt, dann wüsstest Du auch, dass es Größeres nicht gibt. Dass ich mich in Gedanken an Dich nicht quälen muss, dass die Sehnsucht, bei Dir zu sein, nichts Aufreibendes zu haben braucht, sondern dass ich in ruhiger Zuversicht und Freude an Dich denken und mich nach Dir sehnen darf – das habe ich Dir und Deinem tapferen guten Herzen und Deiner Liebe zu danken. Dass Du Dir die Sprecherlaubnis zu so ungewöhnlicher Stunde um meinetwillen erbeten hast und erbitten durftest, dafür bin ich sehr, sehr dankbar. Wenn ich nach unserem Zusammensein in meine Zelle komme, dann überwiegt nicht etwa, wie Du vielleicht denken könntest, das Gefühl der Verzweiflung über die Unfreiheit, sondern es überwältigt mich der Gedanke, dass Du mich genommen hast. Es hätte ja so viel so begreifliche Gründe gegeben, aus denen Du hättest Nein sagen können. Und gegen alle diese Gründe hast Du Ja gesagt, und ich darf spüren, dass Du es immer freier und gewisser sagst. Vor dieser Wirklichkeit versinken alle Fenstergitter. Dann bist Du bei mir; was geht mich die verschlossene Tür an? Als ich neulich in einer Lebensbeschreibung von L. Pasteur dessen Verlobungsgeschichte las, musste ich lächeln und etwas an mich denken. Er schrieb an seine künftige Braut: „Es gibt nichts an mir, was die Fantasie eines jungen Mädchens bezaubern könnte. Aber ich weiß, dass alle, die mich gut kennengelernt haben, mich geliebt haben“. Darauf nahm sie ihn. Auch ich kann auf nichts verweisen als auf eine Anzahl guter, treuer Freunde, die mich kennen und mir trotzdem treu geblieben sind und bleiben werden, und dass sich ihr Kreis auch in Eure engste Familie hinein erstreckt, wird wohl für Dich auch nicht ganz gleichgültig gewesen sein. Wenn bisher in Stunden unfruchtbarer Selbstkritik der Gedanke an die Treue und Liebe so vieler Freunde mir wieder Mut gegeben hat, so spüre ich nun mehr und mehr, wie mir durch Dich – dadurch, dass Du meine Frau werden willst – ein ganz neues Vertrauen zum Leben gegeben wird, und wenn ich Dich wieder eine Stunde gesehen habe, dann denke ich, dass dieses Vertrauen gar nicht mehr verloren gehen kann, und wie wird das erst sein, wenn wir ganz zusammen sind! –

Dass Du mit Großmutter nicht ganz in der alten Harmonie lebst, tut mir eigentlich sehr leid. Das dürft Ihr mir beide nicht antun! Ich weiß, es handelt sich ja bei Euch immer nur um ganz kleine Schwingungsdifferenzen, aber ich möchte gern, dass Ihr ganz aufeinander eingestimmt seid, und eigentlich kann es zwischen Euch doch auch gar nicht anders sein. Die gute Großmutter tut mir mit ihrem – sicher viel zu großen – Kummer um meinen jetzigen Zustand so leid, und ich denke so oft und dankbar an sie. Was habe ich in Krössin für schöne Tage erlebt! Wir müssen unbedingt bald einmal zu ihr fahren. Ich freue mich immer wieder an dem Gedanken, dass sie uns ihre alten Trauringe schenken will. Weißt Du, die sind noch so hübsch altmodisch breit und dick und so ein schönes Gold. Ich habe ja noch auf einen besonderen Gegenstand ihres Hauses ein Auge geworfen. Den verrate ich aber noch nicht, und einstweilen bemühe ich mich, das 9. Gebot nicht zu übertreten. –

Wie Du hoffentlich aus dem Brief ersiehst, bin ich wieder ganz gesund. Dein Besuch hat mir den entscheidenden Stoß gegeben. Heute wurde rührenderweise eine warme Griessuppe und ein Rotweinsago für meinen Magen von zu Hause gebracht und nun ist alles wieder gut. Übrigens bin ich hier seit ein paar Tagen entschieden aufgerückt: Ich kriege zu jeder Mahlzeit Messer und Gabel geliefert! Ich hatte es fast verlernt, damit zu essen. Es ist sehr komisch, wie gleichgültig man gegen derartige Dinge ist – d. h. vielleicht nicht jeder. – Ich versuche nun, mir das Gewusel in Eurem Hause vorzustellen; es ist doch vielleicht sehr nett und wenn man sich nach Belieben retirieren kann, dann habe ich auch gar keine Angst davor. Ob die Verpflanzungen vielleicht aufs Große gesehen den Sinn der Städter für das Land etwas öffnen und damit eine hoffentlich einmal eintretende Rückwärtsbewegung aufs Land vorbereiten helfen? Was meinst Du? Das wäre in der Tat ein sehr großer Gewinn.

Eigentlich sollte ich längst einmal der Mutter persönlich für ihre lieben Briefe gedankt haben, die mich immer so sehr erfreuen. Aber ich denke dann immer, dass die gute Mutter es versteht, wenn ich keine Gelegenheit vorbeigehen lassen möchte, Dir zu schreiben. So ist es doch, nicht wahr? Schreib es mir bitte mal! Grüße sie bitte herzlich und dankbar. – Die kleine Christine tut mir leid. Sie ist mir aus einigen Tagen bei der Großmutter in Stettin in eindrucksvoller Erinnerung. Grüße alle Geschwister.

Dich, liebste Maria, umarmt Dein Dietrich

Hab vielen Dank für alles Mitgebrachte und für den Kuchen, den Du der Mama gebacken hast.

Du wartest jede Stunde mit mir

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