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21. An Maria von Wedemeyer
Оглавление9. September 1943
Meine liebste Maria!
Also seit einem Monat wartest Du auf einen Brief von mir? Das ist allerdings schauderhaft und mir ganz unverständlich. Pünktlich alle 4 Tage ist ein Brief abwechselnd an Dich und die Eltern abgegangen. Mit Ausnahme vom 5.9., als ich nach dem Alarm an die Eltern schrieb! Aber auch mir ist es ähnlich gegangen. Der von Dir neulich bei der Sprecherlaubnis angekündigte Brief ist bis heute nicht gekommen, stattdessen kam gestern der vom 27. 8. Von den Eltern und Geschwistern fehlt alle Post zwischen dem 11. und 30. 8.! Ich nehme an, dass in dem Umzugstrubel des RKG einiges vorübergehend untergetaucht ist. Hier kam auch plötzlich ein nicht ganz verständlicher Anruf des RKG, ich möchte künftig meine Briefe an Dich doch über die Eltern schicken. Kurz, ein kleines Durcheinander, das uns beide vermutlich etwas in Unruhe gebracht hat. Es ist wunderlich, einerseits lernt man ja in der Zelle das Rechnen mit langen Zeiträumen; aber wenn etwas, worauf man bestimmt gerechnet hat, also ein Brief oder das Paket, auch nur um wenige Zeit später kommt, wird man kribblig und macht sich dumme Gedanken und sagt sich dabei doch immerfort, dass es nur dumme Gedanken sind; so ist man eben, wenn man kein Stoiker ist; und das bin ich nicht und will es auch gar nicht sein. –
Und nun muss ich Dich zunächst mal ausschimpfen, dass Du Dir immer noch über meine Gesundheit Gedanken machst! Wenn ich nach 3 Tagen Fasten und Fieber mal etwas mäßig aussehe, so ist das doch kein Wunder. Inzwischen geht es mir wieder so gut wie vorher. Ich finde, wir müssen das so halten: Wenn wir krank sind, sagen wir das ruhig; aber wenn wir sagen, dass wir wieder gesund sind, müssen wir uns das auch glauben! Sonst sind wir nämlich später beide dauernd krank, jedenfalls jeder in den Augen des anderen, wie das in manchen Ehen ist; und dafür bin ich gar nicht! Also, ich bin gesund und habe das Fasten mithilfe Eures Pakets längst wieder aufgeholt! Alles übrigens ohne „Atemkünste“ – wie ich Dir (ich lache natürlich nicht! Du doch auch nicht!?) gestehen muss! –
Ich bin so froh, dass Du jetzt nicht in Berlin bist. Das macht mir die Alarmnächte leichter, und Euer 34-köpfiger Haushalt wird Dir reichlich zu tun geben. Außerdem ist es ein sehr beruhigender Gedanke, Dich mit der Aussteuer beschäftigt zu wissen. Ich male mir das in jeder Richtung und in allen Farben aus und freue mich daran; es ist so ein Bild der Ruhe, der Zuversicht und des Glücks. Wann werde ich all die Dinge sehen, bewundern und mich daran freuen können? Und wann werden wir sie gemeinsam im täglichen Leben gebrauchen und uns dabei an die seltsame Zeit ihrer Entstehung erinnern? Es kann nun nicht mehr sehr lange sein; aber wir wollen auch bis zum letzten Tag geduldig sein und auch diese schwere Wartezeit für Gottes Weg mit uns halten, bis wir vielleicht eines Tages besser verstehen, wozu er uns gut war. Meine liebste Maria, Du kannst es nicht ermessen, was es für mich bedeutet, darin mit Dir eins zu sein. Wie wunderlich muss Dir Dein Lebensweg jetzt oft vorkommen. Aber auf einen Berg steigt man ja auch im Zickzackweg, sonst käme man garnicht herauf und von oben sieht man oft ganz gut, warum man so gehen musste. Lies doch mal das Lied von Gottfr. Arnold, das die meisten Leute nicht kennen und das ich ganz besonders liebe; es ist schwer nach Inhalt und Melodie, fast zu schwer für ein Gemeindelied, aber man gewinnt es immer lieber; es beginnt „So führst Du doch …“ und steht im Gesangbuch. – Denke Dir, eben kommt Dein Brief vom 23. 8., dem Tage nach Vaters Todestag. Nicht wahr, Du erwartest nicht, dass ich Dir darauf antworte; das kann man nicht im Brief. Nur danken kann ich Dir, dass und wie Du mir schriebst. Ach, es wird wirklich Zeit, dass wir uns allein sehen und sprechen und miteinander in Pätzig durch den Wald gehen können! –
Grüße die Mutter sehr! Auch die Geschwister! Leb wohl, meine gute Maria. Du begleitest mich vom Morgen bis zum Abend durch den ganzen Tag. Gott behüte Dich und uns alle!
Von ganzem Herzen Dein Dietrich