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25. An Maria von Wedemeyer

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30. September 1943

Liebste Maria!

Gestern bekam ich nach schon etwas ungeduldigem Warten Deinen lieben Brief vom 13. 9., den Du auf der Fahrt nach Klein-Reetz geschrieben hast. Ich bin sehr froh, dass die Familie Dich dorthin kommandiert hatte; denn ich weiß, Du bist gern dort und wärest nur um der Hoffnung auf meine Entlassung willen nicht gefahren. Ich kann Dir gar nicht beschreiben, wie es mich in Gedanken an Dich bekümmert, dass wir noch immer im Ungewissen sind. Für mich ist dieser Zustand ja gewissermaßen die Hauptaufgabe, mit der ich fertigzuwerden habe, Dich aber hemmt und unterbricht der Gedanke der Ungewissheit immer wieder in Deiner Arbeit und Deinen Plänen. Ja, wenn ich Dir selbst irgendeinen Rat geben könnte für das, was Du tun sollst. Ist denn die Arbeit bei Euch zu Hause wirklich für Dich so wenig ausfüllend? Ganz kann ich es eigentlich nicht verstehen. Es ist eben doch so, dass wir erst einen gemeinsamen Plan machen können, wenn die Dinge hier klar sind. Endlos kann es ja nicht mehr dauern. Andrerseits will ich natürlich nicht, dass Du Dich um meinetwillen noch länger mit einer unbefriedigenden Tätigkeit herumquälst. Im Grunde hängt eben alles davon ab, wann wir heiraten können, und gerade das lässt sich einfach heute noch nicht sagen. Wenn Dir die weitere Wartezeit jetzt wirklich als verlorene Zeit erscheint, dann musst Du natürlich irgendetwas anderes ergreifen. Aber wirst Du nicht doch später einmal jeden Tag bereuen, den Du nicht noch zu Hause gewesen bist, und an Aufgaben kann es doch bei Eurem Betrieb gar nicht fehlen? Du musst mir Deine Überlegungen und Gründe möglichst doch noch genauer schreiben. Weißt Du, es ist wirklich grässlich, dass man nicht einfach zusammensein und alles beraten kann. Bei so einer Sprecherlaubnis kommt ja doch auch nicht alles heraus. Und das letzte Mal hat Dich die Umgebung noch so gestört! Ich spüre das schon gar nicht mehr, so abgestumpft ist man dagegen. Du musst das verzeihen! –

Hast Du eigentlich alle meine Briefe gekriegt? Bis auf einmal jeden achten Tag! – Die kleine Ina hat mir so einen reizenden Brief geschrieben. Sag ihr doch bitte, wie sehr ich mich darüber gefreut habe. Übrigens, vor Deiner großen Familie brauchst Du Dich für mich, glaube ich, nicht zu fürchten. Die mütterliche Seite kenne ich ja gut genug; außerdem, weißt Du, habe ich ja schon eine ganze Menge sehr verschiedenartiger Menschen – auch „schrecklich festgelegte“, wie Du Dich ausdrückst – kennengelernt, und gegebenenfalls kann ich – was Du wohl noch nicht erlebt hast – auch „schrecklich festgelegt“ sein! Im Übrigen ist die Zeit, in der wir leben, eigentlich für „Festgelegtheiten“ nicht sehr geeignet, sondern jeder muss versuchen, den anderen Menschen zu nehmen und zu verbrauchen, wie er ist; dabei kommt immer am meisten für alle Teile heraus. –

Nun leb wohl, meine liebste Maria, am besten wäre es doch, Du hättest noch etwas Geduld, finde ich! Es kann ja auch alles ganz schnell gehen, dass wir uns wiedersehen!! Das sage ich nicht nur so hin, sondern weil ich es im Grunde glaube und erwarte. – Gott behüte Dich und uns alle, bis wir uns wiedersehen.

Immer Dein Dietrich

Liebste Maria, wir wollen doch bei allem täglichen Hoffen und Bitten um ein baldiges Wiedersehen und Zusammensein keinen Tag vergessen, Gott für das unendlich Viele zu danken, das er gegeben hat und noch täglich gibt. Dann werden alle unsere Gedanken und Pläne klarer und ruhiger werden und wir werden unser persönliches Schicksal leicht und willig auf uns nehmen. Das Evangelium dieser Woche – von der Dankbarkeit – ist mir eines der allerliebsten und wichtigsten.

Du wartest jede Stunde mit mir

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