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Prokop
ОглавлениеProfessor Otto Prokop, war aus Österreich gekommen, und las Gerichtsmedizin, die man heute meist Rechtsmedizin nennt. Er war ein bedeutender Fachmann, besonders auf dem damals neuen Gebiet der Haptoglobine. Das sind Blutbestandteile, deren Struktur präzise vererbt wird. Ihre Analyse diente daher wesentlich zur Vaterschaftsbestimmung, die vorher nur ungenauer möglich war. Mit diesem schmalen Merkmalspektrum ließen sich bei sexuell sehr wechselbereiten Kindsmüttern nicht alle als Kindesvater vermuteten Männer ausschließen. Hier konnten die von Prokop in unterschiedliche Gruppen differenzierbaren Blutbestandteile wesentlich weiter helfen, wenn auch diese Untersuchung nicht die absolute Sicherheit bot, die heute mit der Erbgutanalyse der DNS erreicht wird.
Prokop war ein ausgezeichneter Vortragender, der uns durch ungewöhnliche Fragestellungen immer wieder überraschte. Er setzte zur Veranschaulichung sehr viel Bild- und Filmmaterial ein, das in seinem Institut angefertigt wurde. So sahen wir Tatortfotos von Verbrechen und Zeitlupendarstellungen, wie ein Pistolengeschoss den menschlichen Körper zerfetzt. Diese Versuche wurden an Leichen gemacht. Die Ergebnisse sind für die Kriminalpolizei unentbehrlich. Eines Tages brachte Prokop, der stets im schwarzen Anzug, weißem Hemd und mit Fliege angetan seine Vorlesung hielt, eine Pistole zu Demonstrationszwecken mit – eine echte Parabellum 08. Es war ein faszinierender Anblick, wie der hochelegante Herr schnell, souverän und geschickt mit diesem Mordinstrument umging, um uns mit Übungspatronen zu zeigen, wie die leeren Hülsen bei den einzelnen Waffenmodellen seitlich oder nach oben ausgeworfen und nach ihrem Fundort der Platz des Schützen am Tatort bestimmt werden kann. Auch die Entfernung des Schützen zum Beschossenen lässt sich am letzteren feststellen.
Prokop demonstrierte uns auch Schädel-Röntgenbilder mit Resten eines Geschossprojektils im Gehirn. Sie stammten von einem Offizier der Naziwehrmacht, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg als Antifaschist ausgab. Der Kopfschuss war ihm angeblich von einem anderen Offizier aus einer Entfernung von mehreren Metern bei einer politischen Auseinandersetzung beigebracht worden. Prokop wies nach, dass die Geschossbruchstücke eindeutig aus einem aufgesetzten Nahschuss in die rechte Schläfe stammten. In Wahrheit handelte sich also um die Überreste eines Selbstmordversuches. So lernten wir bei aller Sympathie für eine Sache eindeutig bei der Wahrheit zu bleiben!