Читать книгу Hygienearzt in zwei Gesellschaften - Dietrich Loeff - Страница 38

Eine ungewöhnliche Vorlesung

Оглавление

Vorlesungen sind zur Vermittlung des Lehrstoffes und Darstellung der wissenschaftlichen Überzeugung des Dozenten bestimmt. Eine bemerkenswerte Ausnahme machte einmal der Lehrstuhlinhaber für Chirurgie, Professor Felix.(7) Er hatte sich einige Tage von einem Assistenten vertreten lassen und „entschuldigte“ sich für seine Abwesenheit mit den Worten: „Ich war in Mexiko-City zu einem internationalen Fachkongress. Thema: Das Carcinom!“ Dann erläuterte er uns kurz die aktuelle Tendenz, den Krebs nicht nur herauszuschneiden, sondern stärker auch Bestrahlung und Medikamente einzusetzen – ein Trend zur kombinierten Therapie, der bis in die Gegenwart anhält.

Und dann machte er uns eine große Freude: „Sie werden ja zum großen Teil nie nach Mexiko kommen. Ich habe Ihnen einige Dias mitgebracht“. So zeigte er uns die teils von altindianischer, vom spanischen Kolonialbaustil und vom modernen Mexiko geprägten Bauten, wie das Haus der drei Kulturen und die großartigen Bilder von Diego Rivera, David Alfaro Siqueiros und José Clemente Orozco. Mir fiel besonders ein Bild auf. Es verglich Kapitalismus und Kommunismus in allegorischer Darstellung. Beherrschend thronten Marx, Lenin und Trotzki, der in der DDR so sehr Verpönte. Auf der Seite des Kapitalismus erblickte man Armut und irrsinnigen Reichtum, Krieg und die Göttin der Vernunft von antiker Schönheit – und in Ketten. Der Kommunismus war positiv dargestellt: frohe Arbeiter, Harmonie und Freude. Mittendrin ein Wermutstropfen: die Göttin der Vernunft – frei, aber ohne Kopf! Ich kann nicht mehr feststellen, welcher der großen mexikanischen Monumentalmaler dieses Werk geschaffen hat. Im Internet ist das Kunstwerk für mich nicht auffindbar. Aber seit dem Lichtbildvortrag von Felix finde ich die mexikanischen Monumentalmaler noch eindrucksvoller, als vorher schon.

Hygienearzt in zwei Gesellschaften

Подняться наверх