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Den Arbeitsort wählen
ОглавлениеIn der DDR galt die Maxime: der Staat bezahlt das Studium, verlangt aber dafür, dass der Absolvent in den ersten drei Berufsjahren dorthin geht, wo ihn der Staat am dringendsten benötigt. Das löste zwar bei manchen Studenten wenig Freude aus, wurde aber durchgesetzt. Nur liefen die Lenkungsmechanismen dafür bei den Medizinern und bei den Lehrern unterschiedlich ab.
Bei den angehenden Ärzten hingen mehrere Monate vor dem Staatsexamen Listen mit den Ortsnamen aus, die dringend Ärzte brauchten. Und die wurden fast überall gebraucht. In der Praxis war daher die Pflicht, an den staatlich vorgegebenen Arbeitsort zu gehen, mit einer breiten Wahlmöglichkeit verbunden. Nur Berlin bildete eine Ausnahme. Weil es relativ gut ärztlich besetzt war, hatten nur wenige Absolventen die Chance, in Berlin zu bleiben. Allerdings nahm man auf jene Rücksicht, die in Berlin ehelich gebunden waren. Bei den Romanisten war das ähnlich, sodass dort gewitzelt wurde: „Berlin ist eine Ehe wert.“ Sonst aber gab es für die angehenden Lehrer nur die allgemeinen Vorgaben, dass sie sich im Oderbruch oder im Bezirk Neubrandenburg (heute Mecklenburg-Vorpommern) bewerben sollten.
Meine Freundin und ich kannten uns indessen zwar gut und wollten uns nicht durch das System der Arbeitsplatzlenkung trennen lassen, eine Ehe zu schließen aber erschien uns doch noch verfrüht. So entschlossen wir uns, beide nach Mecklenburg zu gehen, denn dort wurden Ärzte ebenso wie Lehrer gebraucht. Das erhöhte die Möglichkeit, in den gleichen Ort zu gelangen. Mit dem gemeinsamen Arbeitsort wollten wir aber keine gegenseitige Verpflichtung eingehen. Schließlich konnten wir ihn ja auch nach drei Jahren gemeinsam oder auf getrennten Wegen wieder verlassen oder dort bleiben und andere Partner wählen. So entschieden wir uns für Demmin, das ich später noch genau beschreiben werde.