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Arbeitseinsätze

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Arbeitskräftemangel war in der DDR ein Dauerzustand. So wurden bei besonderen Arbeitsbelastungen in der Industrie und der Landwirtschaft Studenten jährlich ein Mal zu Arbeitseinsätzen herangezogen, die meist knappe zwei Wochen dauerten. Natürlich kamen nur Hilfsarbeiten in Frage, meist Kartoffeln vom Acker sammeln. Das geschah damals noch mit Hand, Vollerntemaschinen gab es erst später. Im Winter gab es in den riesigen Tagebauen des Lausitzer Braunkohlenreviers immer wieder die gleichen Schwierigkeiten: Die beweglichen Gleise, auf denen die Kohle aus dem Tagebau gefahren wurde, versackten in Matsch und Schlamm oder froren am Erdreich fest. Die vereiste Rohbraunkohle, die von der Reibungswärme beim Baggern aufgetaut war, fror beim Transport in den stählernen Transportwagen wieder fest und musste zum Entladen losgeschlagen werden.

Ungläubig staunend sahen wir am Bahnhof Senftenberg frisch gefallenen Schnee, der schon nach zehn Minuten eine Rußschicht trug. Luftreinhaltung war in dieser Gegend damals abgeschrieben, die elektrischen Rauchgasfilter der Kraftwerke waren außer Betrieb, da sie ungefähr sechs bis sieben Prozent der erzeugten Energie fraßen. Bewundernd standen wir vor der gewaltigen Tagebautechnik: Bagger, deren Schaufeln anderthalb Kubikmeter Erdreich fassten, Schaufelradbagger, die Rohbraunkohle aus dem Flöz abschabten, als sei sie lose. Nie hatten wir lose auf die Erde gelegte, bewegliche Bahngleise gesehen. Ein Braunkohlentagebau ist ein riesiger Graben, der nach der Abbauseite wandert, das Erdreich über der Braunkohle (Abraum) abträgt, die Braunkohle darunter entnimmt und das Erdreich auf der ausgekohlten Seite mit einem riesigen Transportband, Förderbrücke genannt, abkippt.


Schema eines Braunkohlentagebaues – eigene Zeichnung


Wirkprinzip einer Abraumförderbrücke - wikipedia, modifiziert nach Loeff

Dazu muss alles auf der Tagebausohle in Abbaurichtung wandern: Tagebaugeräte, Bahngleise samt zugehörigen Stromleitungsmasten und sogar die Aufenthaltsbuden sind über einen Stahlträger mit dem Gleis verbunden. Die Gleise werden mit einer Gleisrückmaschine bewegt. Es beeindruckte uns fürs Leben, als wir in der Frühstückspause Kaffee eingossen und das Geräusch des Gleisrückers noch nicht kannten. Plötzlich ruckte unser Aufenthaltsraum 30 Zentimeter weiter und der heiße Kaffee war auf der Hose. So lernten wir, vorher zum Fenster hinaus zu sehen und erst danach mit Kanne oder Besteck zu hantieren.

Tagebaugeräte sind Wunder der Großtechnik. Die Förderbrücke in Lichterfeld bei Finsterwalde dient heute nach ihrer Stilllegung als viel bestaunte touristische Attraktion. Eine französische Delegation, für die meine Frau dolmetschte, beeindruckte es besonders, dass sie mit 502 Metern Länge wesentlich größer ist, als der Eiffelturm, der 320 Meter in der Höhe misst. Und außerdem war sie, als sie im Dienst stand, auch noch beweglich!

Hygienearzt in zwei Gesellschaften

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