Читать книгу Hygienearzt in zwei Gesellschaften - Dietrich Loeff - Страница 32
Die Famuli sind da
ОглавлениеMedizinstudenten mussten in den Studienferien innerhalb der drei klinischen Studienjahre insgesamt sechs Monate Studienpraktika – sogenannte Famulaturen – in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen durchführen, um ihr Wissen durch Praxis zu vertiefen. Sie wurden dabei unter Aufsicht der Stations- und Oberärzte an Patienten herangeführt, lernten Blutentnahmen und die Verabfolgung von Spritzen, Sie erfragten die Krankenvorgeschichte (Anamnese), deren Wichtigkeit leider oft unterschätzt wird. Die Famuli wurden daher auch gelegentlich als Anamnesenknechte verulkt. Der Patient berichtet sehr oft über seine eigenen Deutungen und die Meinungen der vorher behandelnden Ärzte, soll aber dazu angehalten werden, den Hergang und die Beschwerden zunächst ganz ohne Bewertungen zu schildern. Das erfordert eine gute Mischung von freier Rede des Patienten, die sein Wesen spiegelt und gezielten, aber nicht suggestiven Fragen. Das will gelernt sein, erfordert Übung und oft auch weitere Nachfragen, wenn neue Befunde neue ärztliche Deutungen nahe legen.
Neuerdings trainieren Medizinstudenten das richtige Fragen sogar vereinzelt an eingewiesenen Schauspielern. Trotz aller Apparatemedizin ergeben sich auch heute noch ungefähr 50 Prozent aller Diagnosen aus der sehr gut erfragten Anamnese, also einem diagnostischen Verfahren, das billig und überall anwendbar ist sowie keine Nebenwirkungen hat.