Читать книгу Neuer - Dietrich Schulze-Marmeling - Страница 30

„Wenn der Torwart den Ball hat, fängt das Spiel erst an“

Оглавление

Ein Grundsatz der technischen Ausbildung ist aber sicherlich: Der Torwart ist Teil des Spiels. Die Schalker Torhüter müssen fußballerisch versiert sein – mit beiden Füßen. Und handlungsschnell. Manuel Neuer wird hier zum Musterschüler.

Der Torwart ist der erste Aufbauspieler und hat in dieser Funktion handlungsschnell zu sein. Matuschak: „Wenn der Torwart den Ball hat, fängt das Spiel erst an.“ Eine seiner Übungen sieht so aus: An der Mittellinie werden drei kleine Tore aufgebaut. Wenn der Keeper den Ball gefangen hat, muss er ihn möglichst schnell in eines der Tore schießen oder werfen. Geübt wird das blitzschnelle Einleiten eines Angriffs. Gegen einen Gegner, der gedanklich noch im eigenen Angriff steckt. Matuschak: „Wenn der Torwart den Ball hat, muss er ein Ziel haben. Ich habe den Jungs immer gesagt: Der Ball muss genau kommen. Der Torwart muss ein Auge dafür haben, wo jemand anspielbar ist. Das Auge kommt zuerst. Ich habe ihnen gesagt: Alles, was ihr macht, muss mit Sinn und Verstand erfolgen.“ Die Übung mit den drei kleinen Toren ist keine Sensation. Heute ist sie sogar in den Nachwuchsabteilungen vieler Amateurvereine eine Selbstverständlichkeit. Aber Matuschak fing früher als andere damit an, diesen Aspekt des Torwartspiels zu trainieren.

Ginge es nach Christof Osigus, so würde es bis zum zwölften Lebensjahr keine torwartspezifische Ausbildung geben. Zumindest würde man keinen Spieler so früh auf diese Position festnageln. „Es ist leichter, aus einem Feldspieler einen guten Torwart zu machen, als umgekehrt.“ Seine Torhüter nehmen dienstags ganz normal am Mannschaftstraining teil, absolvieren hier kein anderes Programm als die Feldspieler.

Und sonstige Trainingsinhalte? „Du musst einfach alles trainieren, was im Spiel vorkommt.“ Beispielsweise lange Abwürfe in den Lauf. Wie nahe der Torwart an den Rest der Mannschaft rückt, dokumentiert folgende Aussage Matuschaks: „Nur für sich ein gutes Spiel zu machen, das reicht nicht. Du musst auch für die Mannschaft ein gutes Spiel machen, dir einen Status in ihr erarbeiten.“ Der Torwart soll kein Sonderling sein, der seinen Job nur für sich verrichtet. Der Torwart muss im Spiel eine Bindung an den Rest der Mannschaft herstellen. Er kann auch ein gutes Spiel machen, ohne bei drei „Unhaltbaren“ zu glänzen: dadurch, dass die Mannschaft seine Präsenz spürt, dass er dirigiert, gut antizipiert, für einen bedrängten Spieler anspielbar ist, den Feldspielern also hilft, das Spiel aufbaut und verlagert. „Viele träumen davon, Bälle aus dem Winkel zu holen und durch den Torraum zu fliegen. Aber es kommt auch darauf an, unangenehme Bälle zu halten.“

Als Gegenmodell zur Schalker Ausbildung wird häufig die Lauterer Torwartschule von Gerry Ehrmann aufgeführt. Der Bundesligatorwart Ehrmann maß nur 1,84 Meter, war aber extrem muskulös, weshalb man ihn auch „Tarzan“ nannte. Er war mit guten Reflexen ausgestattet und stark in Eins-gegen-eins-Situationen. Bei Flanken hingegen zeigte er Schwächen. Es heißt, die Lauterer Schule würde Muskelpakete und Reaktionstorhüter hervorbringen – mit Defiziten beim Mitspielen. Als typische Produkte dieser Ausbildung gelten Roman Weidenfeller und Tim Wiese. Sicher wird in Kaiserslautern ein starker Akzent auf Kraft gelegt. Aber auch die Ehrmann-Schule kann auf eine Reihe von späteren Profis verweisen – neben den bereits genannten Weidenfeller und Wiese u. a. noch Florian Fromlowitz, Thomas Sippel und Kevin Trapp.

War es die Schalker Fußballschule, die Manuel Neuer zum Welttorhüter formte? Zu ihrem eigenen Beitrag geben sich Matuschak und Osigus äußerst bescheiden: Es sei nicht nur die gute Torwartschule, die Manuel zu dem gemacht habe, was er heute ist. In der Art, wie er spiele, liege auch eine große Portion persönlicher Entscheidung. Christof Osigus: „Das Größte, was er selber mitgebracht hat, ist sein Talent.“ Weshalb man den Beitrag seiner Torwarttrainer und Trainer nicht überbewerten solle. „Jeder hat sein Mosaiksteinchen dazu beigetragen. Aber es ist vor allem sein Talent.“ Und Lothar Matuschak: „Wenn du nicht die Mentalität für diese Art von Spiel hast, dann geht das nicht. Du musst schon den Fußballer in dir haben, um so zu spielen wie Manuel.“

Neuer

Подняться наверх