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Zwölfstunden-Tag

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Für den Schüler Manuel Neuer sieht der Alltag in den nächsten Jahren so aus: Früh um sieben Uhr nimmt er den Bus zur Gesamtschule. In der ersten und zweiten Unterrichtsstunde hat er normalen Schulunterricht. Die Stunden drei und vier steht Fußballtraining auf dem Plan. Dann wieder Unterricht – bis zur Mittagspause. Essen in der Mensa, anschließend bis zur neunten Stunde wieder Unterricht. Um 15:40 Uhr ist die letzte Schulstunde beendet, danach gibt es Hausaufgabenbetreuung bis 16:30 Uhr. Wenn andere dann endlich Freizeit haben, geht es für ihn zum Torwarttraining, danach folgt von 17:30 bis 19:15 Uhr das Mannschaftstraining der B-Jugend. Duschen, dann ab in die Straßenbahn und nach Hause. Viermal die Woche ein Zwölfstunden-Tag. Sein Tagesablauf ist anstrengender als später bei den Profis.

Dazu kommt noch das Spiel am Sonntag. „Ich musste damals ständig auf die Uhr schauen. Das hat sich richtig eingebrannt“, erzählt er Jahre später. „Mir hat schon ein Stück Kindheit und Jugend gefehlt – vor allem, um Freundschaften aufzubauen. Der Einzige, der wenig mit Fußball zu tun hat und zu dem ich trotzdem ein gutes Verhältnis habe, ist mein Bruder. Heute haben wir teilweise auch einen anstrengenden Job, wir haben aber auch unsere Entspannung und Freiheiten. Das hat mir damals viel stärker gefehlt, vier Jahre lang.“

Wenn dieser Stress in eine sportlich und finanziell erfolgreiche Profikarriere mündet, dann hat er sich gelohnt. Aber den meisten, die durch die Mühle der U17- und U19-Bundesligen gehen, bleibt eine Profikarriere verwehrt. Zumindest eine auf höherem Niveau. Manche von ihnen hören bald mit dem Kicken auf oder spielen nur noch in untersten Ligen – dort, wo sie mit ihren Fähigkeiten und ihrer Ausbildung den Fußball nicht als Stress empfinden müssen. Wo sie Fußball endlich als Freizeitspaß genießen können. Wo sich ihr Leben nicht nach dem Trainings- und Spielplan richten muss. Das Bedürfnis, Versäumtes nachzuholen, ist stark.

Manuel Neuer absolviert sein Schulpraktikum bei einem Physiotherapeuten: „Wenn es mit dem Fußball nichts geworden wäre, dann hätte ich mir auch so etwas beruflich vorstellen können.“ Sein ehemaliger Kunstlehrer Arthur Preuß, zugleich „Fußball-Koordinator“ der Schule, erinnert sich im Juni 2008 gegenüber dem lokalen Magazin „fluter“: „Das war ein kleiner Moppel.“ Neuer habe um seine Vier in Englisch und „gegen den Klassenerhalt“ kämpfen müssen. Neuer: „Ich habe in der Schule immer nur das Nötigste gemacht.“ Manchmal half auch der ältere Bruder Marcel, der später an der Ruhr-Uni Bochum Theologie und Geschichte auf Lehramt studiert. „Manuel ist nicht so der geborene Künstler. Da habe ich schon mal morgens noch schnell sein Kunstbild gemalt und ihm in die Klasse gebracht. Mensch Manuel, du hast wieder deine Kunstsachen zu Hause vergessen, habe ich dann gesagt.“ In der „Welt“ berichtet ein ehemaliger Lehrer, Neuer sei „ein völlig normaler Schüler“ gewesen. „Den hätten Sie im Klassenverband nicht als kommenden Profi erkannt.“ Er sei nie unangenehm aufgefallen. „Manuel hatte den Schelm im Nacken, er war ein kleines Schlitzohr, er wusste zu feiern.“ Es gibt auch eine Phase, in der Neuer die Schule zu sehr schleifen lässt. Und seine Trainer ihn in den Hintern treten müssen.

Die jungen Kicker bekommen nichts geschenkt. Der damalige Schulleiter Georg Altenkamp: „Wir können es uns nicht leisten, denen irgendwelchen Zucker in den Hintern zu blasen.“ Überhaupt sei es gut „für den Manuel, dass er ,Emilia Galotti‘ gelesen hat“. Denn dem Schulleiter liegt eine „ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung“ seiner kickenden Schüler am Herzen.

2015 verkündet die Homepage der Schule, dass 153 Nachwuchsfußballer das Projekt durchlaufen hätten. 41 von ihnen hätten den Sprung in den Profifußball geschafft – darunter die Weltmeister Manuel Neuer, Mesut Özil, Benedikt Höwedes und Julian Draxler, sowie Joel Matip, Sebastian Boenisch, Alexander Baumjohann, Tim Hoogland, Michael Delura, Sead Kolasinac und die Nationalspielerin Alexandra Popp (VfL Wolfsburg). Die Schule feiert aber nicht nur auf dem Fußballfeld Erfolge, sondern auch an der Playstation: So darf sich die GSBF Europasieger im Playstation Schools Cup nennen.

Manuel Neuer hat es im Sommer 2006 geschafft: Er baut sein Fachabitur – pünktlich zum Beginn seiner Karriere als Nummer eins der Schalker Profis.

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