Читать книгу Hypnotherapie bei Depressionen - Dirk Revenstorf - Страница 15
1.4 Stellenwert der Hypnotherapie
ОглавлениеErste Erwähnungen fand die Hypnotherapie (HT) in der klinischen Literatur bereits im 18. Jh. Bis heute liegen jedoch erst wenige randomisiert kontrollierte Studien zu hypnotherapeutischen Methoden, insbesondere zur Behandlung von Depressionen, vor. Frühe Studien befassen sich mehr mit klinischen Fallberichten (z. B. Erickson und Kubie 1941). Die Hypnotherapie findet deswegen auch keinerlei Erwähnung in der aktuellen S3-Versorgungsleitlinie zur Depression. Auch wenn es einige RCTs gibt, in denen unter Hypnose eine mittlere Wirksamkeit gefunden wurde (Flammer und Bongartz 2003), so beziehen sich die meisten der Studien mehr auf medizinische als psychische Störungen, zudem wurde in der Regel nicht mit einer vergleichbaren Behandlung, sondern mit einer Kontrollgruppe ohne Behandlung verglichen, was die Generalisierbarkeit der Ergebnisse limitiert. Eine Meta-Analyse zur Effektivität der HT zusätzlich zur KVT belegt additive Effekte der Hypnose auf verschiedene medizinische Probleme und einige Angstsymptome (z. B. Kirsch et al. 1995).
Was die Effektivität der HT bei Depressionen angeht, so liegen bisher zwar einige Studien vor, die jedoch methodische Schwierigkeiten aufweisen. Es gibt eine Meta-Analyse zur Behandlung von depressiven Symptomen (Shi et al. 2009), die eine signifikante Reduktion der Symptomatik durch HT nachweisen konnte, allerdings bleibt unklar, ob es sich dabei um Teilnehmer mit einer diagnostizierten depressiven Episode handelte oder nur um Personen mit selbstberichteten erhöhten depressiven Symptomen. In einem RCT, das eine Gruppentherapie mit HT mit Yoga (jeweils zusätzlich zu Psychoedukation) und einer Bedingung mit reiner Psychoedukation verglich, zeigte sich zwar eine Symptomreduktion für Patienten mit Dysthymie bzw. Depression, allerdings unterschied sich die Gruppe mit HT bezüglich des Anteils von Personen in Remission nicht signifikant von der Kontrollgruppe mit reiner Psychoedukation (Butler et al. 2008). Eine relativ neue Studie zeigte eine Überlegenheit der hypnotherapeutischen Behandlung gegenüber Gestalttherapie in Kombination mit KVT und einer Kontrollgruppe in Bezug auf die Reduktion der depressiven Symptomatik. In diesem Fall handelte es sich tatsächlich um Patienten in klinisch diagnostizierter depressiver Episode. Die Fallzahl war allerdings extrem gering und die Auswahl der Patienten für die Studie sowie die Zuteilung zu den Bedingungen bleibt unklar bzw. quasi-experimentell (Gonzalez-Ramirez et al. 2017). Dagegen zeigte sich die »kognitive Hypnotherapie«, die aus einer Kombination von KVT mit zusätzlichen hypnotherapeutischen Elementen bestand, der reinen Behandlung mit KVT überlegen (Alladin und Alibhai 2007). Dies ist die einzige randomisiert-kontrollierte Studie, die mit entsprechender Fallzahl einen positiven Nachweis für HT erbringen konnte an einer Stichprobe mit diagnostizierter depressiver Episode. Jedoch ist kritisch anzumerken, dass ein zusätzlicher Effekt der HT auch darauf zurückzuführen sein könnte, dass in dieser Bedingung zusätzliche Interventionen stattgefunden hatten, so dass eine Äquivalenz der beiden Bedingungen im Hinblick auf die erhaltene »Dosis« nicht gegeben war und somit auch die Ergebnisse nicht vergleichbar sind.
Es fehlen somit dringend noch weitere Wirksamkeitsnachweise insbesondere auf Basis von RCTs, speziell zur Behandlung von Depressionen mit HT im Vergleich mit der kognitiven Verhaltenstherapie.
Das hier präsentierte Manual wurde im Rahmen einer Psychotherapiestudie zum Vergleich von Hypnotherapie mit Kognitiver Verhaltenstherapie systematisch zusammengestellt. Das RCT wurde durchgeführt, um zeigen zu können, dass HT im Vergleich zu einem anderen psychotherapeutischen Verfahren bezogen auf die Reduktion der depressiven Symptomatik nicht unterlegen ist. Gewählt wurde der Vergleich mit der KVT, die in den aktuellen Behandlungsleitlinien mit der höchsten Evidenz empfohlen wird. Die Studie wurde zwischen 2014 und 2018 am Universitätsklinikum Tübingen durchgeführt und finanziell von der Milton Erickson Gesellschaft (MEG) unterstützt. Verschiedene Hypnotherapeuten der MEG haben für die Anwendung in der Studie das hier präsentierte Manual als eine Sammlung verschiedener therapeutischer Strategien aus dem Bereich der hypnotherapeutischen Arbeit zusammengestellt. Neu an dem Manual ist, dass die verschiedenen hypnotherapeutischen Module in ein strukturbezogenes Modell der Hypnotherapie ( Kap. 3) eingebettet sind.
In der Studie wurden insgesamt 152 Patienten mit aktueller leichter oder mittelgradiger depressiver Episode (basierend auf den Empfehlungen der Versorgungsleitlinie) jeweils zur Hälfte einer Behandlung mit HT oder KVT randomisiert zugewiesen. Die Dauer der ambulanten Einzelbehandlung beinhaltete jeweils bis zu 20 Sitzungen in einem Zeitraum von 24 Wochen. Nach Ende der psychotherapeutischen Behandlung mit HT oder KVT sowie sechs und zwölf Monate später wurden alle Teilnehmer bezüglich ihrer Symptomatik – durch für die Studienbedingung blinde Diagnostiker – nachbefragt. Die Teilnahme an der Studie war mit der 12-Monats-Katamnese für die Patienten nach insgesamt anderthalb Jahren beendet (für den Studienablauf siehe Fuhr et al. 2017).
Im Rahmen der durchgeführten Studie konnte gezeigt werden, dass die HT der KVT nicht unterlegen war (Fuhr et al. 2019).