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Illyrien als Kampf- und Kontaktzone

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Einen weiteren Meilenstein in der Entwicklung Roms zur mediterranen Großmacht stellte der erneute Sieg über Karthago im Zweiten Punischen Krieg dar. Bereits der im Jahr 167 v. Chr. als Kriegsgefangener im Gefolge des Feldherren Lucius Aemilius Paullus nach Rom gekommene griechische Historiker Polybios zog diesen militärischen Erfolg heran, um das folgende Ausgreifen der römischen Herrschaft in den griechischen Osten zu erklären. Folgerichtig ließ er seine Darstellung der römischen Geschichte mit dem Ausbruch des Zweiten Punischen Krieges im Jahr 218 v. Chr. beginnen.7 Doch die Expansion Roms in den östlichen Mittelmeerraum hatte schon 10 Jahre vor dem neuerlichen Aufflammen des Konfliktes mit Karthago eingesetzt. Die anhaltende Piraterie, die sich insbesondere gegen die Schifffahrt zwischen Griechenland und Süditalien richtete, sowie die Ermordung eines senatorischen Gesandten führten im Jahr 229 v. Chr. zum Ausbruch eines Krieges zwischen Rom und dem illyrischen Stamm der Labeaten. Mehrere griechische Küstenstädte standen Rom dabei als Verbündete zur Seite. Innerhalb nur eines Jahres hatte ein von beiden Konsuln befehligtes römisches Heer die Illyrer besiegt.

In dem folgenden Friedensvertrag mussten die Labeaten schmerzvolle Gebietsverluste hinnehmen und Tributzahlungen leisten. Die Küstenstadt Epidamnos kam unter dem neuen Namen Dyrrhachium unter römisches Protektorat, ebenso wie das nördlich gelegene Apollonia und die Insel Korkyra (das heutige Korfu). Rom hatte damit auch erstmals durch das militärische Eingreifen zugunsten von Verbündeten seine Rolle als Schutzmacht an der Ostküste des adriatischen Meeres nachdrücklich unterstrichen. Doch diese Form der indirekten Kontrolle war nicht von langer Dauer. Nur 10 Jahre nach dem Ersten Illyrischen Krieg brachen erneut Kampfhandlungen aus, als sich im Jahr 219 v. Chr. ein zuvor Rom gegenüber loyaler illyrischer Machthaber mit dem makedonischen König verbündete und von Neuem die Küsten Griechenlands unsicher machte. Wie bereits im Konflikt mit den Labeaten entsandte der Senat unverzüglich ein konsularisches Heer, das den Krieg noch innerhalb desselben Jahres zu einem erfolgreichen Ende brachte. Die östliche Küste der Adria war damit zu unmittelbarem römischen Einflussgebiet geworden.8 Die konkrete Bedeutung dieses von den Schriftquellen überlieferten Sachverhaltes ergibt sich freilich erst aus jüngeren archäologischen Untersuchungen, die Gebiete in Slowenien, Albanien, Griechenland, Bosnien-Herzegovina, Kroatien, Serbien und Montenegro umfassen. Die Adriaküste kann danach im Wesentlichen in zwei große Zonen geschieden werden: Einerseits das südliche Illyrien und Epirus, wo die ersten römischen Militäroperationen stattfanden, andererseits der nach Nordwesten anschließende Küstenstreifen mit dem angrenzenden Hinterland bis zu der heutigen kroatischen Küstenstadt Poreč.

Konzentriert man sich zunächst auf die südliche Zone, so ist die Beobachtung wichtig, dass sich größere Städte, abgesehen von den in den Küstenregionen gelegenen griechischen Kolonien, hier vergleichsweise spät herausbildeten.9 Erst ab dem 3. Jh. v. Chr. differenzierten sich die einheimischen Siedlungen in ihrer Binnenstruktur soweit aus, dass sie mit hellenistischen Stadtanlagen verglichen werden können. öffentliche Plätze und sakrale Großbauten begegnen erst jetzt, ebenso wie rechtwinkelige Straßensysteme und aufwendige Peristylhäuser. Dem entsprechen weitere Hinweise auf eine in zunehmendem Maße urbanisierte Gesellschaft, insbesondere die Münzprägung und inschriftlich genannte, gewählte Beamte, die ihr Vorbild eindeutig in den griechischen Kolonien hatten. Zudem kam es auch zu einer Übernahme der griechischen Schrift und griechischer Personennamen. In politischer Hinsicht fungierten die Städte als Hauptorte von kleinen Bundesstaaten (koinà) mit jeweils autarker Landwirtschaft. Die volle Ausprägung dieses Systems war im südlichen Illyrien spätestens ab den Siebzigerjahren des 3. Jh.s v. Chr. erreicht. Zur selben Zeit traten die südillyrischen Städte in Kontakt mit den illyrischen Königen, spielten im Zuge der Illyrischen Kriege Roms aber auch immer wieder eine wichtige und durchaus eigenständige Rolle, die zum kleinteiligen und oft unübersichtlichen Charakter der dortigen strategischen Situation in wesentlichem Maße beitrug.10 Die Tradition der kleinen koinà lebte in Südillyrien schließlich bis in die Mitte des 1. Jh.s v. Chr. weiter, wenn etwa im Zuge des Bürgerkrieges zwischen Caesar und Pompeius illyrische Kontingente noch mit ihren jeweiligen koinon-Bezeichnungen erwähnt werden.11

Ein anderes Bild bieten die weiter nördlich gelegene Adriaküste und ihr Hinterland, die sich zum größten Teil auf dem Gebiet des heutigen Kroatien befinden.12 Für eine sehr lange Zeit, nämlich während des gesamten 2. und 1. Jtsd.s v. Chr., handelte es sich bei den Zentren des nordadriatischen Raumes um befestigte Höhensiedlungen mit kaum ausgeprägten urbanen Zügen. Diese Situation änderte sich erst im 2. Jh. v. Chr., also noch später als im südlichen Illyrien, dann allerdings auf einschneidende Weise. Die alten Siedlungen entlang der Küste verwandelten sich durch entsprechende urbanistische Veränderungen in hellenistisch-römische Städte.

Ein gutes Beispiel dafür ist Poreč, das römische Parentium, an der istrischen Küste. Im 2. Jh. v. Chr. wurde hier eine Ansiedlung römischer Bürger, ein oppidum civium Romanorum, gegründet. An derselben Stelle gab es schon eine vorgeschichtliche Siedlung, die von der römischen Stadt vollständig überlagert wurde. Bereits der einheimische Ort hatte wohl als zentraler Hafen für mehrere der im Hinterland liegenden Siedlungen gedient. Die römische Neugründung trug dieser Situation Rechnung und besetzte damit einen wichtigen geostrategischen Punkt, an dem der Menschen- und Warenverkehr zwischen Meer und Binnenland kontrolliert werden konnte. Vergleichbares lässt sich auch in Tarsatica (Rijeka) und in Pola (Pula) beobachten, wo ebenfalls bereits vorhandene wichtige Küstenorte durch römische Gebäude und Stadtplanungskonzepte in städtische Zentren transformiert wurden.13

Im Großen und Ganzen können dabei drei Formen der städtebaulichen Entwicklung unterschieden werden. Im ersten Fall kam es zur Anlage eines neuen städtischen Zentrums. Durch die Verlagerung der damit verbundenen politischen, sakralen und wirtschaftlichen Funktionen verlor die alte Siedlung ihre Bedeutung. Dies ist etwa in Pula, Flanona (Plomin) oder Curicum (Krk) zu beobachten. Im zweiten Fall bildete die römische Gründung die Erweiterung einer bereits bestehenden einheimischen Höhensiedlung, wobei der neue Vorort dann, wie etwa in Salona (Solin), zum Kern der späteren römischen Stadt wurde. Eine dritte Strategie bestand in bewusster topographischer Kontinuität, wobei die römischen Städte direkt über den alten Höhensiedlungen angelegt wurden. Dies lässt sich insbesondere in mehreren unmittelbar an der Küste gelegenen Orten wie Parenzo, Apsorus (Osor) und Aenona (Nin) nachweisen.14

Die befestigten Höhensiedlungen im Binnenland existierten hingegen weiter, wenn auch auf einer veränderten sozialen und wirtschaftlichen Basis. Diese scheinbar gegenläufigen Prozesse von Urbanisierung und Siedlungskontinuität werden freilich nur als Teile in einem größeren Gesamtbild verständlich. Rom kontrollierte nämlich weite Abschnitte der östlichen Adriaküste und vor allem das angrenzende Hinterland bis in das 1. Jh. v. Chr. hinein nicht durch unmittelbare militärische Okkupation, sondern durch Verträge und Kontakte mit einheimischen Stammesgruppen. Dabei profitierten die Römer von tief greifenden sozialen und politischen Veränderungen, die nicht zuletzt durch ihr eigenes Ausgreifen in den ostadriatischen Raum angestoßen worden waren: Seit dem 7. Jh. v. Chr. hatte sich die hier lebende Bevölkerung in kleineren Gruppen organisiert. Ihre Siedlungsformen, Gebrauchsobjekte und Waffen wiesen Einflüsse sowohl der griechischen Küstenstädte als auch der La-Tène-Kultur des keltischen Mitteleuropa auf. Gerade die wirtschaftliche und politische Auseinandersetzung mit den griechischen Kolonien führte ab dem frühen 4. Jh. v. Chr. dazu, dass sich aus den ursprünglichen Kleingruppen deutlich größere Verbände entwickelten: Die materiellen Überreste zeigen eine Gesellschaftsform mit schärferen Hierarchien an, die sich vor allem aus den reich mit Waffen und Prestigeobjekten ausgestatteten Gräbern erschließen lässt.

Offenbar war es den Anführern der neuen Großgruppen also möglich, sich mit einer bewaffneten Gefolgschaft zu umgeben, die schlagkräftig genug war, um ausgedehntere Regionen zu kontrollieren. Ab dem frühen 2. Jh. v. Chr. äußerte sich diese Kontrolle in der Beschaffung von Sklaven, Tierhäuten und Vieh, die dann zum Teil, vor allem über Aquileia und andere Handelsstützpunkte wie Narona im südlichen Dalmatien, an römische negotiatores verhandelt wurden. Im Gegenzug erhielten die Anführer jene Mengen an Wein, Olivenöl, Fisch und Meeresfrüchten, die sie zur Aufrechterhaltung ihres mediterran geprägten Lebensstils benötigten.15 Es ist mit Sicherheit kein Zufall, dass antike Geschichtsschreiber etwa zeitgleich damit beginnen, diese neu entstandenen Großgruppen auch mit konkreten Namen zu belegen: So tauchen bei Polybios im Zusammenhang mit Ereignissen des Jahres 180 v. Chr. zum ersten Mal die „Delmatae“ auf; Livius erwähnt für das Jahr 171 v. Chr. erstmals die „Iapodes“. Ebenfalls im 2. Jh. v. Chr. erscheinen die „Pannonii“ auf der historischen Bühne, wobei die Bezeichnung von antiken Autoren wechselweise für verschiedene einheimische Gruppen zwischen den Flüssen Save und Drau verwendet wurde.16

Aus der Kombination von archäologischen und literarischen Quellen wird also klar, dass Ursache und Wirkung des sogenannten römischen Imperialismus auf der östlichen Seite der Adria in einem fast schon paradoxen Wechselspiel zu suchen sind: Erst die Berührung mit den stärker urbanisierten Zonen im südlichen Illyrien und in Epirus, insbesondere jedoch mit den Römern, führte zur Herausbildung von stärker zentralisierten Herrschaftsstrukturen und größeren regionalen Verbänden. Die Anführer dieser Verbände waren einerseits von den Handelskontakten zum mediterranen Raum abhängig. Ihre Macht vor der jeweils eigenen Gruppe rechtfertigten sie durch die von dort bezogenen Prestigegüter. Andererseits war die auf diese Weise hergestellte Dominanz aber auch zerbrechlich, da derartige Herrschaftssysteme immer stark von der Gefolgschaft der übrigen gesellschaftlichen Elite abhängen. Gerade für die nur in den Küstengebieten wirklich präsenten Römer muss es deshalb teilweise schwierig gewesen sein, die Gemengelage innerhalb der einzelnen Großgruppen richtig zu beurteilen. Stabile Beziehungen zwischen Rom und den illyrischen und dalmatischen Siedlungsverbänden waren über einen längeren Zeitraum hinweg nicht aufrechtzuerhalten. Dies gilt umso mehr, als die Beutezüge, die eine der Grundlagen für die einheimischen Anführer im östlichen Adriagebiet bildeten, sich letzten Endes sowohl gegen benachbarte Gruppen als auch immer wieder gegen Rom selbst richteten. Ein deutliches Symptom dafür ist nicht nur die bis weit in das 2. Jh. v. Chr. hinein verbreitete Piraterie, sondern auch der mit Sicherheit von den regionalen Eliten organisierte Handel mit Sklaven aus dem ostadriatischen Binnenland.17 Auf diese Weise blieb die Region, bei aller Multikulturalität, bis in die frühe Kaiserzeit ein von endemischer Gewalt und wirtschaftlicher wie militärischer Ausbeutung geprägtes Pulverfass.

Die römischen Bürgerkriege

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