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ROMS MEDITERRANE REVOLUTION IM 6. JH. V. CHR.

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An einem heute nicht mehr genau bekannten Tag des Jahres 125 v. Chr., wohl noch in der ersten Jahreshälfte, zog eine römische Armee unter Führung des Prätors Lucius Opimius durch das südliche Latium.1 Ihr Ziel, die Stadt Fregellae, lag unweit des modernen italienischen Ortes Ceprano, knapp 100 Kilometer südlich von Rom und somit zwei bis drei Tagesmärsche entfernt. Fregellae war als Kolonie latinischen Rechts 200 Jahre zuvor gegründet worden und hatte sich als wichtiger und loyaler Bundesgenosse an den großen Kriegen Roms in Nordafrika und im östlichen Mittelmeerraum beteiligt. Seit dem späten 3. Jh. v. Chr. führte die strategisch bedeutsame Lage der Stadt an der Via Latina, der Hauptroute durch die Flusstäler des Trerus (Sacco) und des Liris (Liri), zu einigem Wohlstand, der sich nicht zuletzt in einem beachtlichen urbanistischen Aufschwung äußerte. Das neue rechtwinkelige Straßenraster entsprach fortschrittlichen Kriterien der Stadtplanung. Es wurde von einem Forumsplatz mit angrenzenden Säulenhallen, öffentlichen Gebäuden und luxuriös ausgestatteten Thermen dominiert. Ein Aquädukt sicherte die Versorgung mit fließendem Wasser. Auf einer Terrasse oberhalb des Stadtgebietes erstreckte sich zudem ein großes Heiligtum für den Heilgott Aesculapius. Alles in allem war Fregellae eine prosperierende italische Stadt, die über die maßgeblichen zivilisatorischen Errungenschaften ihrer Zeit verfügte. Doch gegenüber der heraufziehenden Gefahr sollten sich sowohl der beträchtliche Wohlstand als auch der in den Heiligtümern angerufene göttliche Beistand als wirkungslos erweisen. Die Stadt befand sich nämlich im Aufstand gegen Rom, und der römische Prätor Opimius führte sein Heer im Auftrag des Senats, um Fregellae zu bestrafen. Noch im selben Jahr war die Stadt vernichtet und von der Landkarte getilgt.2

In der modernen Geschichtsschreibung ist die Zerstörung Fregellaes bislang nur eine kleine, vergleichsweise unbedeutende Episode geblieben. Dem erfolglosen Versuch einer latinischen Stadtgemeinde, sich gegen die römische Vormachtstellung aufzulehnen, wurde im größeren geopolitischen Kontext des ausgehenden 2. Jh.s v. Chr. kaum Beachtung geschenkt. Auch an den Prätor Opimius erinnert man sich heute vor allem in Zusammenhang mit der von ihm vier Jahre später organisierten Beseitigung des Gaius Gracchus und seiner Anhänger. Das heißt: Die Rebellion von Fregellae wird im modernen Urteil von den Ereignissen des knapp 40 Jahre später ausgebrochenen Bundesgenossenkrieges ebenso an den Rand gedrängt wie die federführende Rolle des Lucius Opimius von seinem späteren Konsulat und von seinem Kampf gegen Gaius Gracchus. Eine solche Beurteilung ist uns heute problemlos möglich, da wir über den weiteren Verlauf der historischen Ereignisse informiert sind. Doch dieses Wissen birgt zugleich die potenzielle Gefahr, die zeitgenössische, vorwärts gewandte Bedeutung all dieser Begebenheiten nur unvollständig zu erfassen.

Bereits für viele Zeitgenossen der späten Republik, aber auch noch für die Antiquare und Historiker der Spätantike war klar, dass der Eroberung und Vernichtung von Fregellae ein wichtiger Platz im weiteren politischen und kulturellen Panorama der Jahrzehnte zwischen 150 und 120 v. Chr. gebührte. Die Auslöschung der Stadt ist bereits Symptom einer neuen Zeit, einer Zeit der inneren Gewalt und der Bürgerkriege, die Rom und Italien fast 100 Jahre lang in Atem halten sollten. In traditionellen Darstellungen fokussierte man sich dabei meistens auf die stadtrömische Politik. In diesem Zusammenhang wird als Beginn dieser Bürgerkriegsepoche zumeist das Jahr 133 v. Chr. angeführt, in dem die Reformversuche des Volkstribunen Tiberius Gracchus scheiterten und Gracchus von seinen Gegnern getötet wurde. Doch weder die Ereignisse des Jahres 133 v. Chr. in Rom noch die Zerstörung von Fregellae im Jahr 125 v. Chr. können voraussetzungslos gedacht werden, und der Fall von Fregellae vereint in sich gleich mehrere Stränge von Ursache und Wirkung, die bis in das 3. Jh. v. Chr. zurückreichen. Am auffälligsten ist sicher, dass die Vorgänge des Jahres 125 v. Chr. einen neuen, radikaleren Umgang Roms mit seinen italischen Verbündeten zeigen. Dieses Problemfeld wird zwar in der gängigen Auslegung vom Beginn der „römischen Bürgerkriege“ im Jahr 133 v. Chr. ebenfalls angesprochen, doch nimmt man dabei in aller Regel den römischen Betrachterstandpunkt ein. Diese auf Rom zentrierte und von der römischen Senatsherrschaft aus gedachte Perspektive gilt es zu überwinden, um die Krisenzeit des 2. und 1. Jh.s v. Chr. in das richtige Verhältnis zu rücken und sie nicht nur als stadtrömisches, sondern vielmehr als auf ganz Italien bezogenes, wenn nicht sogar mediterranes Ereignis begreifen zu können.

Im Folgenden geht es deshalb darum, möglichst viele Facetten herauszuarbeiten, die nicht nur das politische Agieren der römischen Elite erklären, sondern auch den Blick auf das weitere kulturgeschichtliche Panorama des späten 2. Jh.s v. Chr. freigeben. Dabei werden zwei Ziele verfolgt: Zunächst soll gezeigt werden, wie sich die Rolle Roms im Mittelmeerraum seit dem 3. Jh. v. Chr. bis zum Fall von Fregellae entwickelte. Dies erfolgt zwar skizzenhaft, aber immer unter möglichst gesamtheitlicher Berücksichtigung von historischen Quellen und archäologischen Erkenntnissen. Danach wird untersucht, was bei der Auslöschung Fregellaes konkret geschah, und was uns diese Vorgänge ihrerseits über den Beginn der römischen Bürgerkriege verraten können.

Die römischen Bürgerkriege

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