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Der Zweite Punische Krieg
ОглавлениеAn einem solchen regionalen Brennpunkt entzündete sich auch der beinahe zeitgleich mit dem Zweiten Illyrischen Krieg ausgebrochene Zweite Punische Krieg. Anders als in Illyrien waren dabei allerdings die Einsätze um ein Vielfaches höher und die Machtstrukturen viel schärfer ausgeprägt: Erstens standen sich mit Rom und Karthago jene zwei großen Antagonisten gegenüber, die bereits 30 Jahre zuvor einen mit großer Brutalität und enormen Verlusten an Menschen und Material ausgefochtenen Kampf um die Gebiete und Ressourcen des zentralen Mittelmeerraumes geführt hatten. Und zweitens ging es um nichts weniger als eine der rohstoffreichsten Regionen der damals bekannten Welt: den Süden und Osten der Pyrenäenhalbinsel.18 Im Anschluss an den verlorenen ersten Krieg mit Rom hatten die Karthager in Spanien seit 237 v. Chr. große Gebiete entlang des Flusses Guadalquivir unter ihre Kontrolle gebracht. Die neu gegründete Hafenstadt Carthago Nova, das moderne Cartagena, wurde schnell zu einem wichtigen Knotenpunkt für den Handel und die Erschließung der Ressourcen des Hinterlandes. Diese Entwicklung weckte offenbar auch das Interesse römischer Händler und Senatoren, bezeugt sowohl durch Importe italischer Keramik als auch durch entsprechende diplomatische Kontakte zwischen Rom und Karthago.19 Polybios überliefert einen undatierten Vertrag aus dem 3. Jh. v. Chr., der es den Römern untersagte, jenseits einer Stadt namens „Mastia Tarseiou“, möglicherweise dem späteren Carthago Nova, zu plündern, zu handeln oder eine Siedlung zu gründen. Weitere römische Gesandtschaften sind für die Jahre 231 v. Chr. und 226/225 v. Chr. belegt. Für beide Verhandlungspartner scheint es in all diesen Fällen das vordringlichste Ziel gewesen zu sein, die jeweiligen Einflussbereiche auf der Iberischen Halbinsel klar zu definieren. Insbesondere die Ostküste stand dabei im Zentrum des Interesses. Karthago trachtete danach, sein Territorium entlang der Küste weiter nach Norden auszudehnen, Rom hingegen sah genau dort offenbar die Möglichkeit, ähnlich wie in Illyrien, die eigene Stellung zumindest durch indirekte Kontrolle weiter auszubauen.20
Dieser Konflikt um die spanische Ostküste führte schließlich im Jahr 218 v. Chr. zum Kriegsausbruch. Anlass war der Widerstand der Küstenstadt Sagunt gegen die Karthager. Eine römische Gesandtschaft reklamierte, dass es sich bei Sagunt um eine mit Rom verbündete Gemeinde handle; die Karthager ignorierten dieses Einschreiten und eroberten die Stadt nach mehrmonatiger Belagerung, worauf die römische Kriegserklärung folgte. Trotz Hannibals berühmtem Alpenübergang und dem anschließenden Feldzug in Italien, einschließlich der vernichtenden Siege über Rom am Trasimenischen See und bei Cannae, blieb Spanien ein maßgeblicher Brennpunkt des Zweiten Punischen Krieges. Was als regionaler Grenzkonflikt an der spanischen Ostküste begonnen hatte, wurde auf diese Weise zu einem Existenzkampf zweier Großmächte, der beinahe den gesamten westlichen Mittelmeerraum und insbesondere die Apenninen- und Pyrenäenhalbinsel mit Krieg überzog.
Bereits kurz nach Ausbruch der Feindseligkeiten war ein römisches Heer in das nördliche Spanien entsandt worden, wo die alte griechisch-iberische Handelsstadt Emporion als Basis für die weiteren Operationen gegen den karthagischen Herrschaftsbereich ausgebaut wurde. Trotz mehrerer Rückschläge gelang den Römern unter Führung des Publius Cornelius Scipio, der später den Beinamen Africanus erhalten sollte, tatsächlich im Jahr 209 v. Chr. die Eroberung von Carthago Nova. Drei Jahre später räumten die Karthager ihre spanischen Besitzungen, und auch Hannibal, der aus seinen enormen militärischen Erfolgen der Jahre 217–216 v. Chr. kein langfristiges Kapital schlagen konnte, wurde aus Italien zum Schutz seiner Heimatstadt nach Nordafrika abberufen. Zusätzlich zu den Erfolgen in Spanien gewann der Konsul Marcus Claudius Marcellus durch die blutige Eroberung von Syrakus und die damit verbundene Vernichtung des syrakusanischen Königshauses im Jahr 212 v. Chr. die Kontrolle über die gesamte Insel. Auch in Süditalien stellte Rom mit betonter Härte seine Vormachtstellung über jene samnitischen und griechischen Städte in Süditalien wieder her, die mit den Karthagern gemeinsame Sache gemacht hatten. Die strategische Lage hatte sich damit entscheidend zugunsten der Römer gewendet. Im Jahr 202 v. Chr. stand Scipio mit einem Heer in Nordafrika und brachte den Truppen Hannibals bei Zama die entscheidende Niederlage bei. Im folgenden Jahr nahm Karthago die von Rom diktierten Friedensbedingungen an, die nicht nur die Auslieferung der karthagischen Kriegsflotte und die Zahlung von 10.000 Talenten Silber, sondern auch den Verlust aller Gebiete in Spanien beinhalteten. Auf diese Weise hatte Rom mit dem Ende des 3. Jh.s v. Chr. die Vorherrschaft über den westlichen Mittelmeerraum gewonnen.21
Angesichts dieses für die römische Seite enorm erfolgreichen Endes überzeugt das in Rückschau gefällte Urteil des Polybios, demzufolge der Zweite Punische Krieg der entscheidende Impuls für Roms Aufstieg zur Beherrscherin der damals bekannten Welt gewesen sei. Doch zugleich darf nicht übersehen werden, dass die römische Republik in diesem Konflikt auch eine Reihe veritabler militärischer Katastrophen hinnehmen musste. Insbesondere die Verluste der Schlacht von Cannae lagen in einer Größenordnung, auf die selbst spätere Generationen noch mit Schaudern reagierten. Die Republik konnte solche Rückschläge nur überstehen, da sie sich auf ihr System der Mobilisierung aller männlichen Vollbürger sowie der Waffenhilfe durch die italischen Bundesgenossen stützte. Dieses System ermöglichte es dem römischen Senat, Jahr für Jahr eine Zahl von Soldaten ins Feld zu führen, die jenseits der Rekrutierungskapazitäten der meisten seiner Gegner lag.22 Das trifft auch auf die ebenfalls seit dem späten 3. Jh. v. Chr. beginnenden Auseinandersetzungen mit dem hellenistischen Osten zu. Den unmittelbaren Anlass dafür bot die römische Präsenz östlich der Adria im Anschluss an den Zweiten Illyrischen Krieg.23
Ähnlich wie die spanische Ostküste im Konflikt mit Karthago entwickelte sich auch das illyrische Küstenland schnell zum umkämpften Grenzgebiet, das sowohl vom römischen Senat als auch von dem makedonischen König Philipp V. beansprucht wurde. Bereits während des Zweiten Punischen Krieges kam es im Jahr 212 v. Chr. zum Ausbruch direkter Feindseligkeiten. Unter dem Eindruck der noch immer in Italien stehenden karthagischen Armee Hannibals verhielt sich Rom vergleichsweise passiv, und der im Jahr 205 v. Chr. vollzogene Friedensschluss brachte keiner Seite maßgebliche Gewinne oder Vorteile. Dennoch stellte der sogenannte Erste Makedonische Krieg in diplomatischer und geostrategischer Hinsicht einen Erfolg für Rom dar. Ein Bündnis mit dem westkleinasiatischen Königreich von Pergamon sicherte den Römern nämlich nicht nur die Seeherrschaft in der Adria und in der Ägäis, sondern sollte sich auch in den folgenden Jahrzehnten bezahlt machen. Diese waren in erster Linie nicht von zielgerichtetem römischem Imperialismus, sondern von einer plötzlichen und dramatischen Veränderung im Kräftegleichgewicht der hellenistischen Königreiche geprägt.24