Читать книгу Die römischen Bürgerkriege - Dominik Maschek - Страница 17
Die Vernichtung von Korinth und Karthago
ОглавлениеGleichzeitig mit diesen Entwicklungen im Balkanraum und in der Ägäis suchte der Senat seit den Sechzigerjahren des 2. Jh.s v. Chr. auch wieder den verstärkten Kontakt mit den mittelgriechischen Städtebünden. Von zentraler Bedeutung war dabei der sogenannte Achäische Bund, der sich aus den wichtigsten Stadtstaaten des zentralen griechischen Festlandes und der Peloponnes zusammensetzte. Angesichts der bereits skizzierten geopolitischen Lage war diese Ausrichtung der römischen Interessen in den Jahren nach Pydna mehr als verständlich. Denn die wichtigsten Verkehrsrouten aus dem von Rom kontrollierten Epirus führten alle entweder nach Ätolien, in den korinthischen Golf oder an die Nordwestküste der Peloponnes. Die Sicherheit der Schifffahrtsroute nach Makedonien war ebenfalls von geregelten Verhältnissen in diesen Gebieten abhängig. Schon der Konflikt mit Perseus hatte sich ja daran entzündet, dass der Senat den wachsenden Einfluss der Makedonen auf Mittelgriechenland fürchtete. Diese Gefahr hatte man durch den Sieg bei Pydna zwar gebannt, doch die Lage in den vier neu eingerichteten makedonischen Teilstaaten war keineswegs stabil: Nur 17 Jahre nach dem Ende der Antigonidenherrschaft gab sich ein gewisser Andriskos als Sohn des letzten Makedonenkönigs Perseus aus und wurde unter dem Namen Philipp VI. zum König ausgerufen. Der Senat entsandte im Jahr 148 v. Chr. eine Armee unter dem Prätor Publius Iuventius Thalna, der allerdings von Andriskos in Thessalien besiegt und mit einem Großteil seiner Truppen getötet wurde. Ihm folgte ein weiterer Prätor, Quintus Caecilius Metellus, der bereits bei Pydna unter Lucius Aemilius Paullus gekämpft hatte. Metellus gelang es zwar, Andriskos noch im selben Jahr zu besiegen und gefangen zu nehmen, doch die angespannte Situation in Makedonien blieb nicht ohne Folgen für Griechenland.90
In mehreren Städten des Achäischen Bundes kamen jetzt von Neuem antirömische Ressentiments auf. Solche gegen Rom gerichtete Feindseligkeiten wurden insbesondere von Teilen der führenden Eliten als politisches Instrument gegen ihre lokalen, romfreundlichen Widersacher benutzt. Dadurch entstand aus inneren Konflikten der griechischen Städte eine für die römischen Senatoren letztlich nur noch schwer einsichtige Situation, die jedenfalls potenziell gefährlich wirken musste. Im Jahr 147 v. Chr. schickte der Senat deshalb eine Gesandtschaft mit einer rigorosen Forderung: Die größten Städte der Peloponnes – Sparta, Korinth, Argos, Herakleia und das arkadische Orchomenos – sollten aus dem Achäischen Bund austreten. Das hätte effektiv nichts anderes als eine Zerschlagung des Bundes bedeutet, auch wenn dies nach der forschen Ablehnung des Anliegens von einer zweiten römischen Gesandtschaft vehement verneint wurde.91 Unmittelbarer Anlass für die ursprüngliche, provokante Forderung des Senats war wohl ein militärischer Konflikt, der im Jahr 148 v. Chr. innerhalb des Bundes zwischen Sparta und den anderen Mitgliedern ausgebrochen war. Das größere Ziel kann freilich nur darin bestanden haben, die Ausdehnung des Bundes zu reduzieren, die Stadtstaaten der Peloponnes von jenen in Mittelgriechenland zu isolieren und somit eine eindeutige römische Vormachtstellung im korinthischen Golf und in den anliegenden Regionen herbeizuführen.92 Die Insel Korkyra (Korfu) hatte Rom ja bereits nach dem Ersten Illyrischen Krieg im Jahr 228 v. Chr. besetzt, um den Eingang in die Adria zu kontrollieren. Nun konzentrierten sich die Begehrlichkeiten auf die zentrale Schnittstelle zwischen dem adriatischen und dem ägäischen Meer, den Isthmus von Korinth.
Die alte griechische Stadt Korinth, die nominelle Hauptstadt des Achäischen Bundes, beherrschte nicht nur die Landbrücke zwischen der Peloponnes und Attika, sondern durch ihre beiden Häfen auch die Verbindung zwischen der Adria, dem korinthischen Golf und der westlichen Ägäis.93 Nach der Ablehnung der römischen Forderungen und der folgenden Kriegserklärung wurde sie deshalb zum Hauptziel der im Jahr 147 v. Chr. beginnenden Kämpfe.94 Im Vergleich zum Dritten Makedonischen Krieg war dieser Konflikt eine rasche Angelegenheit, für Rom kaum mehr als ein kurzes Anspannen seiner militärischen Muskulatur.95 Zunächst fügten die noch aus dem Feldzug gegen Andriskos in Makedonien stehenden Truppen unter Quintus Caecilius Metellus dem Heer des Achäischen Bundes bei Skarpheia in Lokris eine vernichtende Niederlage zu. Eine zweite, aus Italien entsandte Armee unter dem Konsul Lucius Mummius landete auf der Peloponnes und besiegte ein weiteres achäisches Aufgebot bei Korinth. Die Stadt wurde nach einer kurzen Belagerung von nur 3 Tagen erobert; im Anschluss, so überliefern es die Schriftquellen, ließ Mummius die Stadtmauern schleifen, einen Teil der städtischen Bebauung niederreißen, andere Gebäude durch Feuer zerstören und eine große Zahl an Kunstwerken als Kriegsbeute abtransportieren. Die verbliebenen männlichen Bürger der Stadt wurden getötet, die Frauen und Kinder versklavt.96 Dieses dramatische Ende einer der wichtigsten Städte Griechenlands wird durch die seit 1896 durchgeführten Grabungen der amerikanischen Schule gestützt: Viele Gebäude, Heiligtümer und Monumente der späthellenistischen Stadt wurden offenbar vorsätzlich zerstört oder verwahrlosten im Anschluss an die Ereignisse des Jahres 146 v. Chr. Auch die Produktion korinthischer Waren, insbesondere von Keramik und Skulptur, sowie die Münzprägung endeten mit der Zerstörung der Stadt durch Mummius.97 Spuren von Aufräumarbeiten innerhalb des Stadtgebietes zeigen zwar an, dass nach diesem Ereignis noch mit der Anwesenheit von Menschen am Isthmus von Korinth gerechnet werden muss, doch handelte es sich dabei aller Wahrscheinlichkeit nach zum größten Teil um Bauern und Pächter, die auf den Ländereien römischer Großgrundbesitzer arbeiteten. Als städtisches Zentrum von Politik und Handel war Korinth von der Landkarte verschwunden.98
Doch nicht nur im östlichen Mittelmeerraum, sondern auch im Westen markierte das Jahr 146 v. Chr. einen tief greifenden Einschnitt. Gleichzeitig mit dem Krieg gegen Andriskos in Makedonien und den folgenden Kämpfen in Griechenland hatte sich nämlich für Rom ein zweiter Krisenherd in Nordafrika eröffnet. Die Entschädigungszahlungen, die der Senat seinem alten Erzfeind Karthago im Anschluss an den Zweiten Punischen Krieg auferlegt hatte, waren zwar von den Karthagern im Jahr 151 v. Chr. beglichen worden. Doch Rom versuchte nach wie vor, den Spielraum Karthagos bei jeder sich bietenden Gelegenheit so stark wie möglich zu begrenzen, zumal die erste Hälfte des 2. Jh.s v. Chr. den Puniern einen unübersehbaren wirtschaftlichen Aufschwung gebracht hatte. Diese dominante Politik führte schließlich zur Eskalation. Den unmittelbaren Anlass bildete der karthagische Versuch, sich gegen die fortwährenden Grenzkonflikte mit den benachbarten Numidern militärisch zur Wehr zu setzen. Im Jahr 149 v. Chr. schritt der Senat aufseiten der Numider ein. Während Quintus Caecilius Metellus in Makedonien gegen Andriskos kämpfte, landete eine römische Armee von 80.000 Mann unter Führung der beiden Konsuln Manius Manilius und Lucius Marcius Censorinus in Utica an der nordafrikanischen Küste. Mehrere karthagische Versuche einer diplomatischen Lösung scheiterten an der unnachgiebigen Haltung der Römer.
Die anschließende Belagerung Karthagos dauerte bis zum März des Jahres 146 v. Chr., als es schließlich dem römischen Heer unter Scipio Aemilianus gelang, die Stadt in einem erbitterten Häuserkampf zu erobern.99 Das ganze Grauen schildert der Bericht des Appian: Gebäude wurden in Brand gesteckt, Mauern zum Einsturz gebracht, und „mit den Steinen zusammen fielen zahlreiche Tote mitten hinein in die Tiefe. Andere befanden sich noch am Leben, insbesondere Greise, kleine Kinder und Frauen, die sich alle in den Winkeln der Häuser versteckt hatten. Einige von ihnen waren verwundet, andere halb verbrannt, und so stießen sie grässliche Schreie aus.“ Schutt, Tote und Sterbende blockierten die Straßen. Scipio schickte Soldaten los, die seinen Verstärkungen den Weg durch die Verwüstungen bahnen sollten: „Die Räumkommandos, die mit Beilen, Äxten, auch mit Bootshaken die Trümmer beseitigten und die Straßen passierbar machten, stießen mit diesen Geräten die Leichen und Halbtoten in die unterirdischen Hohlräume hinab, indem sie Körper wie Hölzer und Steinbrocken heranschleiften oder mit ihren eisernen Instrumenten umdrehten. Auch Gruben wurden mit Menschen aufgefüllt. Die einen wurden bei der Aufräumung kopfüber hineingeworfen, während ihre Beine aus der Erde herausragten und noch lange zappelten; andere wieder stürzten mit den Füßen voran in die Tiefe und schauten noch mit ihren Köpfen aus dem Boden.“100
Dieses Massaker zog sich sechs Tage und Nächte lang hin. Nachdem Karthago in Brand gesetzt und der letzte Widerstand auf dem Burghügel, der Byrsa, von den Römern gebrochen worden war, wurden 50.000 Überlebende versklavt und die Stadt geplündert. Angesichts des danach noch 10 Tage lang ununterbrochen wütenden Feuers soll der siegreiche Feldherr Scipio in Tränen ausgebrochen sein. Diese berühmte Episode darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei den anderen in den Schriftquellen geschilderten Details keineswegs um dramatische Übertreibungen handelt. Die archäologischen Funde sprechen hier eine klare Sprache: Allerorts stießen die Ausgräber von Karthago auf Spuren des gewaltigen Brandes, auf versengte Fußböden und Ascheschichten. Die französischen Grabungen auf der Byrsa förderten nicht nur die zerstörten Reste von Wohnhäusern, sondern auch menschliche Knochen zutage, die unter eingestürzten Hausmauern auf den Straßen lagen. Weitere Skelettreste wurden in dem Schutt gefunden, der bei den Aufräumarbeiten nach Beendigung der Kämpfe an vielen Stellen deponiert worden war. Einen Teil der karthagischen Opfer haben wir schließlich in den zwei großen Massengräbern vor uns, die von Alfred Louis Delattre im späten 19. Jh. an der Südwestflanke des Byrsa-Hügels ausgegraben wurden. Hier lagen Hunderte Skelette, in mehreren Schichten übereinander gestapelt.101 Konnte die Forschung die Geschichte von den symbolisch mit Salz bestreuten Ruinen Karthagos auch als neuzeitliche Legende entlarven, so darf angesichts dieser Beschreibungen und Befunde doch kein Zweifel daran bestehen, dass die Stadt nach den Ereignissen des Jahres 146 v. Chr. im Verständnis der Römer als vollständig vernichtet galt. Sowohl die Mauern, die Häuser und die Bewohner als auch die Idee von Karthago hatten aufgehört zu existieren.102