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DIE LUFT »FEDERT«

ROBERT BOYLE (1627–1691)

IM KONTEXT

GEBIET

Physik

FRÜHER

1643 Evangelista Torricelli erfindet das Quecksilberbarometer.

1648 Blaise Pascal und sein Schwager zeigen, dass der Luftdruck mit der Höhe abnimmt.

1650 Otto von Guericke macht Versuche zu Luft und Vakuum, 1657 schreibt er darüber.

SPÄTER

1738 In Hydrodynamica entwickelt Daniel Bernoulli eine kinetische Gastheorie.

1827 Der Botaniker Robert Brown beschreibt die Bewegung von Pollenkörnern in Wasser als Ergebnis von Kollisionen mit Wassermolekülen, die sich in zufällige Richtungen bewegen.

Im 17. Jahrhundert untersuchten Forscher in ganz Europa die Eigenschaften der Luft. Ihre Erkenntnisse brachten den Iren Robert Boyle auf die mathematischen Gesetze zur Beschreibung des Druckes in einem Gas. Sein Werk widmete sich eigentlich der Beschaffenheit des Raumes zwischen den Sternen und Planeten. Die »Atomisten« hielten den Raum zwischen den Himmelskörpern für leer, die Kartesianer (die Anhänger des französischen Philosophen René Descartes) sagten, der Zwischenraum sei mit einer unbekannten Substanz, dem sogenannten Äther gefüllt, und es sei ganz unmöglich, ein Vakuum zu erzeugen.

»Wir leben am Grund eines Meeres von Luft, die nach unzweifelhaften Versuchen ein eigenes Gewicht hat.«

Evangelista Torricelli


Barometer

Der italienische Mathematiker Gasparo Berti führte Versuche durch, um zu klären, warum eine Saugpumpe Wasser nicht mehr als 10m hoch pumpen konnte. Er nahm ein langes Rohr, verschloss die eine Seite und füllte es mit Wasser. Dann drehte er das Rohr um und tauchte das offene Ende in einen Wasserbehälter. Der Wasserspiegel im Rohr fiel bis auf eine Höhe von etwa 10 m. 1642 hörte sein Landsmann Evangelista Torricelli von diesen Versuchen und konstruierte eine ähnliche Apparatur, verwendete aber Quecksilber statt Wasser. Da Quecksilber eine 13-mal so hohe Dichte hat wie Wasser, war die Quecksilbersäule nur etwa 76 cm hoch. Torricelli erklärte den Effekt damit, dass das Gewicht der Luft über dem Behälter auf das Quecksilber presst und so das Gewicht des Quecksilbers in der Röhre ausgleicht. Der Raum in der Röhre oberhalb der Quecksilbersäule musste ein Vakuum sein. Heute erklärt man das Ganze mithilfe von Drücken (Kräften, die auf eine bestimmte Fläche wirken), doch die Grundidee ist dieselbe. Torricelli hatte das erste Quecksilberbarometer erfunden.


In dem Barometer, das Evangelista Torricelli erfand, wird der Luftdruck anhand einer mit Quecksilber gefüllten Glasröhre gemessen. Torricelli schloss korrekt, dass die auf das Quecksilbergefäß drückende Luft die Gewichtskraft der Quecksilbersäule in der Röhre gerade ausgleicht.

Der französische Forscher Blaise Pascal erfuhr 1646 von Torricellis Barometer und begann ebenfalls mit Versuchen. Bei einem dieser Experimente wollte er zeigen, dass sich der Luftdruck mit der Höhe ändert. In einem Kloster in Clermont wurde ein Barometer aufgestellt und den ganzen Tag lang von einem Mönch beobachtet. Pascals Schwager trug ein anderes auf den Gipfel des Puy de Dôme, der die Stadt etwa 1000 m überragt. Die Quecksilbersäule dort war über 8 cm kürzer als in dem Barometer im Klostergarten. Da es über einem Berg weniger Luft gibt als über dem darunterliegenden Tal, zeigte Pascal damit tatsächlich, dass die Höhe der Säule vom Gewicht der Luft abhing. Wegen dieser und anderer Arbeiten ist die Einheit des Drucks heute nach Pascal benannt.


Die Experimente von Blaise Pascal mit Barometern zeigten, dass der Luftdruck mit der Höhe abnimmt. Neben seinen Beiträgen zur Physik war Pascal auch ein bedeutender Mathematiker.

Luftpumpen

Den nächsten wichtigen Schritt unternahm der Magdeburger Bürgermeister Otto von Guericke. 1649 baute er eine Pumpe, die Luft aus einem Behälter entfernen konnte. Auf dem Reichstag zu Regensburg 1654 führte er seinen berühmten Schauversuch durch: Er setzte zwei kupferne Halbkugeln mit etwa 30 cm Durchmesser zusammen, dichtete die Naht luftdicht ab und pumpte die Luft heraus. Zwei Gespanne mit je 15 Pferden konnten die Halbkugeln nicht trennen. Bevor die Luft abgepumpt wurde, war der Luftdruck innen und außen gleich groß. Nach dem Abpumpen hielt der äußere Luftdruck die Halbkugeln zusammen.

»Die Menschen sind so daran gewöhnt, die Dinge durch ihre Sinne zu beurteilen, dass sie der Luft, weil sie unsichtbar ist, nur wenig zutrauen und kaum etwas von ihr halten.«

Robert Boyle

1657 erfuhr Boyle von Guerickes Versuchen. Um selbst ebenfalls pneumatische Experimente durchführen zu können, beauftragte er Robert Hooke, eine Luftpumpe zu entwerfen und zu bauen. Hookes Luftpumpe bestand aus einem gläsernen Behälter mit knapp 40 cm Durchmesser über einem Zylinder mit Kolben. Zwischen ihnen gab es mehrere Ventile und Sperrhähne. Durch die Bewegung des Kolbens konnte man Luft aus dem Glasbehälter abpumpen, doch wegen kleiner Lecks in den Dichtungen ließ sich das Vakuum immer nur für kurze Zeit aufrechterhalten. Dennoch bedeutete die Pumpe einen großen Fortschritt und zeigte, wie wichtig die Technik für das Voranschreiten wissenschaftlicher Forschungen ist.

Experimentelle Ergebnisse

Boyle führte mit der Luftpumpe eine Reihe von Experimenten durch, die er 1660 in seinem Buch New Experiments Physico-Mechanical beschrieb. Er betont darin mehrmals, dass alle beschriebenen Ergebnisse aus praktischen Versuchen stammten, da zu dieser Zeit selbst berühmte Experimentalforscher wie Galilei häufig auch »Gedankenexperimente« beschrieben.


Otto von Guerickes Experimente mit Luftpumpen widerlegten Aristoteles’ Vorstellung des horror vacui (»die Natur verabscheut die Leere«).

Viele von Boyles Versuchen hingen direkt mit dem Luftdruck zusammen. Der gläserne Schaubehälter ließ sich mit einem Torricelli’schen Barometer ausrüsten, dessen Röhre oben herausragte und mit Klebstoff abgedichtet war. Wenn der Druck im Behälter reduziert wurde, sank der Quecksilberspiegel. Boyle führte auch das entgegengesetzte Experiment durch und fand heraus, dass bei Erhöhung des Drucks der Quecksilberspiegel stieg. Damit bestätigte er die Erkenntnisse von Torricelli und Pascal.

Boyle stellte fest, dass es immer schwieriger wurde, die Luft abzupumpen, je weniger Luft im Behälter verblieb, und zeigte, dass sich eine schlaff gefüllte Schweinsblase ausdehnte, wenn die umgebende Luft entfernt wurde. Einen ähnlichen Effekt auf die Blase erhielt er auch, wenn er sie vor ein Feuer hielt. Er schlug zwei mögliche Erklärungen für das »Federn« der Luft vor: Entweder waren die einzelnen Luftteilchen wie eine Feder komprimierbar und die Gesamtmasse der Luft ähnelte einer Wolldecke, oder die Luft bestand aus Teilchen, die sich völlig willkürlich bewegten.

Diese Ansicht erinnerte an die der Kartesianer, wenngleich Boyle deren Vorstellung eines Äthers nicht teilte, sondern behauptete, die »Korpuskeln« bewegten sich im leeren Raum. Seine Erklärung ähnelt sehr der modernen kinetischen Gastheorie, die die Eigenschaften der Materie mithilfe sich bewegender Teilchen beschreibt.

»Wenn die Höhe der Quecksilbersäule auf einem Berggipfel geringer ist als im Tal, kann das Gewicht der Luft der einzige Grund für diese Erscheinung sein.«

Blaise Pascal

Boyle führte auch physiologische Experimente durch. So untersuchte er etwa die Auswirkung eines reduzierten Luftdrucks auf Vögel und Mäuse und spekulierte darüber, wie die Luft sich in die Lunge und wieder heraus bewegt.

Das Boyle’sche Gesetz

Nach dem Boyle’schen Gesetz ist das Produkt aus Gasdruck und Volumen konstant, sofern die Gasmenge und die Temperatur sich nicht ändern. Mit anderen Worten: Wird das Volumen verringert, nimmt der Druck zu – die Luft »federt«. Spürbar ist dieser Effekt etwa, wenn man das Ventil einer Fahrradpumpe mit einem Finger bedeckt und den Griff drückt.

Obwohl es seinen Namen trägt, stammt das Boyle’sche Gesetz nicht von Boyle, sondern von den englischen Forschern Richard Towneley und Henry Power, die eine Reihe von Versuchen mit einem Torricelli-Barometer durchgeführt und ihre Ergebnisse 1663 veröffentlicht hatten. Boyle kannte einen Entwurf dieses Buches und diskutierte die Ergebnisse mit Towneley. Er bestätigte sie experimentell und veröffentlichte »Mr. Towneleys Hypothese« 1662 als Teil einer Entgegnung auf Kritik an seinen eigenen Experimenten.

Boyles Forschung über Gase war wichtig, weil er die Versuche sehr sorgfältig durchführte und ausführlich über die Versuche selbst und mögliche Fehlerquellen berichtete, auch wenn sie nicht zum erwarteten Ergebnis führten. Das regte viele Forscher dazu an, seine Arbeiten zu erweitern. Heute wird das Boyle’sche Gesetz mit weiteren, nach anderen Forschern benannten Gasgesetzen zum »idealen Gasgesetz« zusammengefasst, das das Verhalten realer Gase bei Änderung von Temperatur, Druck oder Volumen beschreibt. Boyles Ideen führten auch zur Entwicklung der kinetischen Gastheorie.

Robert Boyle


Robert Boyle wurde als 14. Kind des Earl of Cork in Irland geboren. Nach Unterricht bei Hauslehrern und am Eton College in England reiste er durch Europa. Als sein Vater 1643 starb, hinterließ er ihm genug Geld, um sich völlig der Wissenschaft zu widmen. Boyle ging für ein paar Jahre nach Irland zurück, lebte von 1654–1668 in Oxford, wo er seine Arbeiten leichter ausführen konnte, und zog dann nach London.

Boyle gehörte dem »unsichtbaren College« an, einer Gruppe von Forschern, die sich in London und Oxford zu Diskussionen trafen und aus der 1663 die Royal Society hervorging. Boyle war eines ihrer Gründungsmitglieder. Neben seinen wissenschaftlichen Arbeiten führte Boyle alchemistische Versuche durch und schrieb auch über Theologie und die Entstehung der verschiedenen Menschentypen.

Hauptwerke

1660 New Experiments Physico-Mechanical (Neue physiko-mechanische Experimente zum Federn der Luft)

1661 Der skeptische Chemiker

Big Ideas. Das Wissenschafts-Buch

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