Читать книгу Praxisbuch psychologische Kinesiologie - Dr. Christa Keding - Страница 21
Der zweite Schlüssel: „Spiegeln“
ОглавлениеDie Entdeckung der sogenannten Spiegelneuronen hat neurowissenschaftlich bestätigt, was menschliche Erfahrung schon immer wusste, nämlich dass wir tatsächlich mit einem anderen Menschen mitfühlen und uns in gewissem Maße in ihn hineinversetzen können. Für unsere Zuarbeit zum Stress Release stehen wir somit auf einem soliden Fundament, wenn wir unserem Gegenüber Worte, Bilder, Assoziationen und Empfindungen zur Verfügung stellen, die während eines Gesprächs in uns auftauchen.
Typischerweise „spiegelt“ der Therapeut in drei Versionen:
1. Er drückt das Gehörte noch einmal mit eigenen Worten aus, einmal um den Gesprächspartner prüfen zu lassen, inwieweit er sich richtig verstanden fühlt, und zum anderen, um ihm Gelegenheit zu geben, seine Aussage noch einmal zu überdenken. Diese Spiegelungsfacette kann zugleich Empathiebekundung einschließen („Ich kann gut verstehen, wie Sie sich gefühlt haben, als …“).
2. Als Zweites können Verhaltensweisen während einer Sitzung „gespiegelt“ werden: Körpersprache, Mimik, Stimmlage … Dadurch wird sich der Betroffene leichter bewusst, wo inneres Empfinden und äußeres Verhalten eventuell nicht kongruent sind. (Beispiel: Der Patient erzählt lächelnd über ein erschreckendes Ereignis oder er sitzt immer verkrampfter auf seinem Stuhl, während er von seiner „liebevollen Beziehung zur Mutter“ spricht …) Der Hinweis auf einen solchen Widerspruch kann den Betroffenen in eine bewusstere Selbstwahrnehmung lenken.
3. Bei einer dritten Facette des Spiegelns nimmt der Therapeut eigene Körperreaktionen auf und bringt sie ins Gespräch. Oft spürt der Begleiter nicht zugelassene Gefühle des anderen in sich selbst aufsteigen (psychotherapeutisch als Übertragung bekannt). Sie können bewusst als „Mantel“ angeboten werden, in den der Patient „hineinschlüpfen“ kann, wenn er ihm passt.
Ähnlich anregend können im Gespräch Vergleiche, Metaphern oder kurze Geschichten wirken. Auch hier „spiegelt“ sich etwas vom Patienten, erlaubt ihm jedoch zugleich einen gewissen Abstand. Er ist nicht gezwungen, das unmittelbar mit sich selbst zu identifizieren, sondern kann es sich erst einmal „anschauen“, um zu entscheiden, was davon er sich zu eigen macht. Dabei haben Sprachbilder den Effekt, von vornherein die gewünschten Brücken zur rechten Gehirnhälfte zu schlagen. Sie sind jedoch kein stilistischer Selbstzweck, sondern sollen durch die Analogien etwas deutlicher machen, als es zuvor gewesen ist.
Eine Spiegelung besonderer Art kann das Verständnis von Krankheitssymptomen als Ausdruck seelischer Botschaften sein. Manchmal scheint der Körper bei psychosomatischen Erkrankungen „wortwörtlich“ das auszudrücken, was die Seele des Menschen ohne dieses Hilfsmittel nicht hörbar machen kann. Schon unsere Sprache drückt immer wieder aus, wie sehr Gefühle den Weg in den Körper finden: „Da wird mir übel!“ – „Das macht mir Kopfzerbrechen.“ – „Das liegt mir im Magen.“ – „Davor habe ich Schiss …“ Dem Patienten gegebenenfalls solche Wortspiele anzubieten, die den Blick in den Spiegel des Körpers lenken, kann Brücken zum Verständnis bauen. (Viele Anregungen hierzu finden sich in Rüdiger Dahlkes Buch Krankheit als Symbol.) Während meine Beispiele Gefühlsäußerungen sehr linear mit dem Körper in Verbindung bringen, stehen hinter vielen Erkrankungen ebenfalls oft komplexere seelische Lasten, die es aufzudecken und zu bearbeiten lohnt.