Читать книгу FRANKLIN BENJAMIN UND DAS RAUMZEIT-PUZZLE - Dr. Tobias Albrecht - Страница 14
Оглавление0x07: Durch die Hecke?
Franklin umrundete die Hecke nun bereits zum dritten Mal, aber es gab kein Durchkommen.
Dicht an dicht reihte sich ein Dschungel aus knochenharten bis zu fünf Zentimeter dicken bambusrohrartigen Stäben, die selbst mit einer Kettensäge nur mühsam zu bezwingen gewesen wären. Dazwischen wucherte ein rankenartiges Efeugespinst, das zum Überfluss fast kleinfingerlange Stacheln trug.
Würde mich nicht wundern, wenn das Zeug auch noch giftig ist, dachte Franklin. Ich kann mich doch nicht darunter hindurchgraben.
Verzweifelt und völlig erschöpft setzte er sich vor die Hecke und trommelte mit den Füßen auf den Boden.
»Sie haben geklopft. Nennen Sie bitte das Passwort, Herr Franklin Benjamin«, piepte eine feine hohe Stimme hinter ihm.
Franklin fuhr erschrocken in die Höhe und drehte sich im Sprung herum: »Wer hat da gesprochen?«
»Na ich! Ich bin Knabberlang, der Torwächter, wie lautet das Passwort?«, piepte es erneut. »Denn ohne Passwort: kein Zugang!«
Erst jetzt sah Franklin, dass sich knapp innerhalb der Hecke alle paar Meter ein bierdeckelgroßes Loch im Boden befand.
Und aus dem Loch direkt hinter ihm schaute ihn hochnäsig der Kopf eines Erdmännchens an.
»Hast du nun das Passwort oder nicht?«
Das Erdmännchen wurde nun deutlich unhöflicher. »Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!«
»Äh, nein, oder das heißt, nicht wirklich! Das Passwort wofür?«, stammelte Franklin erstaunt.
»Für den Zugang, für was denn sonst?«
Franklin war völlig von der Rolle und sprachlos. Kostbare Sekunden verstrichen.
»Na, wenn du das Passwort nicht weißt, dann gehab dich wohl!«
Und augenblicklich war der Kopf wieder im Loch verschwunden und ließ einen verdutzten Franklin zurück.
»Halt! Warte! Vielleicht können wir uns ja doch irgendwie einigen!«, rief er ins Loch hinterher.
Doch es war zu spät!
Knabberlang war verschwunden!
Alles Rufen und Betteln half nichts. So sehr Franklin sich auch bemühte, das Erdmännchen tauchte nicht mehr auf.
Das Passwort für den Zugang, grübelte Franklin und ging mit schlurfendem Schritt die Hecke entlang.
Zugang zu was? Zum Bau der Erdmännchen? Da pass ich doch sowieso nicht rein!
Hm! Oder für den Zugang zum Nachbargrundstück! Vielleicht kennen die Erdmännchen den geheimen Weg des Nachbarn durch das Dickicht! Sie haben ihn bestimmt beim Hindurchgehen beobachtet.
Genau so muss es ein! Ich musss mir irgendwie das Passwort beschaffen, aber wie?
Bekanntermaßen ist das Erdmännchen in Deutschland nicht heimisch. Demnach musste es jemand in der Hecke angesiedelt haben und dafür sorgen, dass es genug Nahrung fand und im Winter nicht erfror.
Vielleicht der Nachbar, der vermutlich auch die Hecke gepflanzt hatte?
Oder ein anderer - ein Fremder?
Waren die Erdmännchen dann die Wachen des Nachbars oder am Ende gar seine Bewacher?
War der Nachbar folglich in Gefahr oder gar gefährlich?
Hatte er ein Geheimnis, das er um jeden Preis bewahren musste?
Oder hatte er vor etwas Angst?
All diese nützlichen und wichtigen Überlegungen kamen Franklin vor Aufregung nicht mehr in den Sinn.
Stattdessen war er in einem Grübelkreis gefangen. Das Passwort? Das Passwort! Wie könnte es denn lauten?, überlegte er gesenkten Hauptes.
Welches Passwort würde ich wählen, wenn ich ein Erdmännchen wäre? Vielleicht etwas zum Essen - etwas, das mir schmeckt wie »Regenwurm« oder »Käfer«?
Oder etwas wovor ich Angst habe, zum Beispiel »Adler«, »Bussard« oder »Schlange«?
»Oh weh, es könnte alles Mögliche sein!«, stöhnte Franklin.
Er musste letzteres wohl laut gedacht haben. Denn über ihm schnatterte es plötzlich: »Das Passwort? Das Passwort! Ich könnte es schon sagen, aber mich fragt ja keiner!«
Franklins Kopf schnellte in die Höhe, und er erblickte in der Krone des Kirschbaums ihres Gartens eine Elster, die scheinbar mühelos mit einem Bein auf der dürren Spitze balancierte.
Gut möglich, dass das stimmte. Die neugierige Elster könnte durchaus an der Hecke gelauscht haben, schoss es Franklin durch den Kopf.
»Was hast du gesagt? Du kennst das Passwort?«, rief er deshalb zu der Elster hinauf.
»Ich glaube dir kein Wort, ihr Elstern hattet schon immer einen großen Schnabel! Du kannst mich aber auch vom Gegenteil überzeugen, indem du es mir sagst. Wie lautet es?«
Doch die Elster fiel auf diesen Trick nicht herein. Sie zuckte und zappelte vor Zorn, plusterte sich auf und wäre beinahe von der Spitze gefallen.
»Ja, ja! Netter Versuch! Nur weil Herr Franklin zufällig unsere Sprache spricht, hält er sich wohl auch für so klug wie eine Elster - oder sogar für klüger! Das Passwort kannst du dir abschminken, das nehme ich mit ins Grab«, schimpfte sie theatralisch von oben herab.
Franklin wurde klar, dass er so nicht weiterkam.
Plötzlich fiel ihm wieder ein, dass die Eitelkeit der Elstern im Tierreich geradezu sprichwörtlich war.
»Tut mir leid. Ich war einfach durch den Wind bei all dieser Aufregung und habe deine Listigkeit und Cleverness völlig unterschätzt«, entschuldigte er sich. »Ihr Elstern seid, wie ja alle wissen, sogar den Papageien immer einen Schritt voraus.«
Damit landete er einen Treffer, denn die schlauen Krummschnäbel waren der Elsternschaft schon immer ein Dorn im Auge.
Prompt tönte es auch schon von oben: »Aha! Du scheinst ja doch so etwas wie Anstand zu besitzen! Ich nehme deine Entschuldigung an.«
Nun konnte Franklin zum entscheidenden Schlag ausholen.
»Nachdem wir uns ausgesprochen haben, kann dich möglicherweise ein kleines Geschenk davon überzeugen, mir das Passwort zu verraten«, rief er und zog den kleinen, silbern glitzernden Gegenstand hervor, nach dem er während ihres Gesprächs die ganze Zeit in seiner Hosentasche gekramt hatte.
Nun fiel die Elster doch noch vom Baum, so ruckartig, wie sie sich vornüberbeugte.
Ihre Augen traten gierig hervor, als sie mit schnalzender Zunge herabstürzte und direkt vor Franklin auf dem Boden landete.
»Du schlägst mir einen Tauschhandel vor?«, schnatterte sie gierig.
Die zu einer Kugel zusammen geknüllten Stücke Kaugummipapier aus Alufolie, die Franklin in der Hand hielt, lies sie dabei keine Sekunde aus den Augen.
»Ein fairer Handel!«, verkündete Franklin großspurig. »Die »Silberkugel von Andromeda« gegen das Passwort!«
»Gib mir die Silberkugel!«, geiferte die Elster und hüpfte wie verrückt vor Franklin auf und ab. »Ich muss sie haben. Die wird eine ganz außergewöhnliche Zierde für mein Nest.«
»Erst das Passwort!« Franklin traute der Elster nicht.
»Bitte! Franklin Benjamin!«, trällerte die Elster.
»Ja, was denn noch«, antwortete Franklin, dem die ganze Angelegenheit so langsam auf die Nerven ging.
»Franklin Benjamin! Franklin Benjamin!« Die Elster überschlug sich fast.
»Bla, bla, bla! Ja, ja das ist mein Name!« Franklins Faust begann sich um die Alukugel zu schließen.
»Nein, nein! Du verstehst es nicht!«, krächzt die Elster in höchster Not, »Das Passwort lautet: Franklin Benjamin!«
Franklin fiel vor Überraschung die Kugel aus der Hand, und die Elster fing sie geschickt mit dem Schnabel auf.
»Die Silberkugel von Andromeda! Endlich mein! Es war mir ein Vergnügen, mit dir ins Geschäft zu kommen.« Und damit flatterte sie auf und suchte das Weite.
Franklin Benjamin! Warum lautete das Passwort Franklin Benjamin? Hatte ihm die Elster einen Bären aufgebunden? Nein, dazu war das Passwort viel zu seltsam!
Franklin kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Leider war es für heute zu spät, um das Passwort auszuprobieren. Denn Franklins Mutter rief ihn zum Abendessen herein.
Am Tisch herrschte Stille wie auf einer Beerdigung.
Paul trauerte dem Fußball nach und sprach kein Wort.
Franklins Gedanken kreisten um die Ereignisse des Tages.
Wie es wohl in Nachbars Garten aussah, und ob der Fußball noch da war?
Karl schaute wie so oft in ein Manuskript. Kurz gesagt: jeder schaufelte sein Essen lieblos in sich hinein.
Nachdem Franklins Mutter mehrmals vergeblich versucht hatte ein Gespräch zu beginnen, sagte sie schließlich streng: »Männer! Schaut mal kurz alle zu mir!«
»Was ist denn nun schon wieder!«, murrte jemand zurück und alle starrten sie an.
»Was esst ihr denn gerade? Und wehe einer schaut auf seinen Teller!« Sie stemmte die Hände in die Hüften.
»Nun äh, Gemüse halt«, stammelte Paul mit hochrotem Kopf.
»Genau!« Mehr fiel Franklin dazu auch nicht ein.
Karl, langjährig eheerfahren, sagte vorerst einmal nichts.
»Gemüse halt? Ich stand eine Stunde in der Küche und habe euch Nudeln mit Pilzrahmsauce, Kartoffelsalat und Gurkensalat gekocht und ihr wisst nicht einmal, was ihr esst! Eine Schande ist das!«, rief sie.
»Tschuldigung!« Franklin hatte rote Ohren bekommen und Paul schaute bedröppelt aus der Wäsche.
»Das bringt jetzt auch nichts mehr«, entgegnete Carlotta beleidigt. »Morgen und übermorgen habt ihr Hausarrest und helft mir daheim! Punkt, aus und keine Widerrede!«
Franklin schnappte nach Luft, um etwas zu erwidern, ließ es dann aber bleiben. Solche Entscheidungen seiner Mutter waren zumeist unumstößlich. Das würden zwei lange Tage werden!
Am nächsten Schultag schlich die Zeit nur so dahin.
Zunächst zwei Stunden Sport bei Herrn Bontsärger - von den älteren Schülern auch Herr »Einsärger« genannt, weil sein Unterricht immer extrem anstrengend war. Gymnastik, Turnen und Zirkeltraining gehörten bei ihm immer dazu.
Franklin und seinen Schlabbergelenken machte das normalerweise wenig aus. Doch heute war er völlig verkrampft, und der Schweiß rann ihm in Strömen von der Stirn.
»Was ist los? Du bist überhaupt nicht bei der Sache!«, stellte Herr Bontsärger fest, als Franklin bei den Pferdsprungübungen ungebremst gegen anstatt über das Pferd sprang.
»Ich weiß auch nicht, was heute los ist!«, jammerte Franklin und rieb sich den schmerzenden Bauch.
»Hab ihr das gesehen? Volle Kanne mit den Eiern dagegen! Ich habe es bis hierher knacken gehört!«, kicherte irgendein Witzbold und hüpfte, die Hände zwischen die Beine geklemmt umher.
Die Klasse kugelte sich vor Lachen.
»Selber beknackt!«, brummelte Franklin nur und setzte sich mit angezogenen Beinen an die Hallenwand.
Denn er war mit seinen Gedanken schon wieder bei Nachbars Garten, und alle, einschließlich Herrn Bontsärger, wunderten sich, dass er die blöden Sprüche und das Gelächter der anderen einfach ignorierte.
Ähnlich chaotisch ging es im Sachkundeunterricht bei Frau Lange weiter.
Als sie Franklin nach der bevorzugten Nahrung von Eichhörnchen fragte, antwortete er umgehend: »Kartoffelchips!«
Der nächste Lacher war ihm sicher.
»Also Franklin, wo hast du nur deine Gedanken?« Frau Lange schüttelte den Kopf.
»Schon gut! Nüsse, Eicheln und so!«, sagte er pflichtschuldig und presste die Hände gegen die Schläfen, um das »Blödsinn! Recht hat er! Auf die Drecksnüsse ist gepfiffen!« Gebrüll, das vom Baum vor dem Fenster herübertönte, zu unterdrücken.
Der Schule folgte ein für Franklin langweiliger, für seine Mutter aber rätselhafter Nachmittag.
So in sich gekehrt hatte sie Franklin noch nie erlebt. Alle Hausarbeiten, die sie ihm auftrug, wurden von ihm stillschweigend mehr oder weniger korrekt erledigt.
Schließlich seufzte sie beim Abendessen: »Also gut! Nochmal so einen bedröppelten Nachmittag steh ich nicht durch. Irgendwie seid ihr mir lieber, wenn ihr lebhaft seid. Der Hausarrest ist damit beendet!«
Damit war am nächsten Nachmittag der Weg zur Nachbarhecke frei und Franklin stand in seiner ersten freien Minute wieder vor Knabberlangs Erdloch.
»He, Knabberlang! Ich habe das Passwort!«, rief er.
Doch Knabberlang taucht nicht auf.
Franklin ging zum nächsten Loch und brüllte sich fast die Seele aus dem Hals: »Knabberlang! Ich habe das Passwort. Es lautet Franklin Benjamin!«
Doch nichts rührte sich.
Was mach ich bloß falsch?, Franklin runzelte die Stirn.
Ich stand vor dem Loch…Nein!.. Ich saß vor dem Loch!
Also setzte sich Franklin mit dem Rücken zur Hecke und rief nach Knabberlang.
Nichts geschah.
Irgendetwas übersehe ich! Aber was genau?
Es war zum Verzweifeln.
Ich saß vor der Hecke. Habe aber niemanden gerufen. Was habe ich denn dann bloß gemacht?
Franklin stand grübelnd auf und schlenderte zurück in seinen Garten. Er ließ sich erschöpft ins weiche Gras fallen, streckte sich gemütlich aus und schüttelte seine müden Beine. Nur um sofort wieder aufzuspringen!
Das war es. Die Beine waren es. Natürlich.
Voller Aufregung rannte er zur Hecke hinüber, stellte sich vor ein Loch im Boden und trommelte mit den Beinen in seinem gewohnten Takt auf den Boden.
Augenblicklich kam der Kopf des Erdmännchens aus dem Loch zum Vorschein.
»Mein Name ist Knabberlang. Ich bin der Torwächter. Sie haben geklopft. Nennen Sie bitte das Passwort«, fiepte es.
»Ich weiß. Du hast dich mir schon vorgestellt«, antwortete Franklin.
»Wirklich? Ich habe doch gerade eben meine erste Schicht für diese Woche angetreten!«, kam es zurück.
Da dämmerte es Franklin. Es mussten mehrere Erdmännchen in dem Bau leben, und immer das, welches gerade Wache hatte, nannte sich Knabberlang – genial.
Deshalb sagte er: »Um es kurz zu machen: Das Passwort lautet Franklin Benjamin!«
»Ablösung bitte an Loch drei!«, brüllte Knabberlang nach unten und sprang behände aus dem Loch.
»Zugang gewährt! Folge mir bitte!«
Das Erdmännchen rannte zu einer bestimmten Stelle an der Hecke, wobei es sich ständig umblickte.
»Hier geht’s rein«, sagte es und deutete mit seinen kleinen Fingerchen auf das Dickicht.
»Wie bitte? Wie soll ich denn hier durchkommen, Knabberlang?«, entfuhr es Franklin.
Doch das Erdmännchen war bereits wieder verschwunden.
Nun erst merkte er, dass Knabberlang völlig recht hatte. Denn das Dickicht war an dieser Stelle so geschickt gepflanzt, dass es wie geschlossen aussah.
Es handelte sich dabei aber um eine optische Täuschung wie bei einem 3D-Bild.
Erst nach langem, genauem Hinsehen erkannte man die schmale Öffnung, die hineinführte.
Selbst Jahre später, als Franklin den Weg schon viele Male gegangen war, benötigte er manchmal noch die Hilfe der Knabberlangs, um den Eingang zu finden.
Oftmals stand er direkt davor und sah die Öffnung nicht, was der diensthabende Knabberlang immer zum Brüllen komisch fand.
»Na dann los«, sagte Franklin laut, um sich Mut zu machen und trat durch die Öffnung in die Hecke.