Читать книгу FRANKLIN BENJAMIN UND DAS RAUMZEIT-PUZZLE - Dr. Tobias Albrecht - Страница 18

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0x0B: Die ganze Wahrheit?

Der Nachbar lehnte sich zurück, nahm einen Schluck Ginger Ale und begann zu erzählen:

»Weißt du Franklin! Vor Zehntausenden von Jahren lebten die Menschen noch im Einklang mit der Natur. Es ging ja auch gar nicht anders, denn technische Errungenschaften gab es noch sehr wenige. Man musste sich den Jahreszeiten anpassen. Manche Früchte oder Gräser wuchsen nur im Sommer. Bestimmte Tiere konnte man nur im Winter jagen, wenn die Bäume und die Büsche kahl waren.

Die Menschen waren deshalb bezüglich Wetter, Flora und Fauna viel feinfühliger als wir heutzutage. Sie konnten zum Beispiel riechen, wann ein Gewitter aufzog, wussten wo bestimmte Pflanzen zu finden waren und hatten ein ausgezeichnetes Gespür für die Verhaltensweisen der unterschiedlichsten Tierarten.

Manche wiesen dafür eine höhere Begabung auf als üblich und entwickelten sich schließlich so weit, dass sie die Laute der Tiere als Sprache in ihrem Kopf wahrnehmen konnten. Wir nennen diese Menschen Waldmenschen. Leider wissen wir bis heute nicht, welche exakten Bedingungen für die Entwicklung zum Waldmenschen herrschen müssen. Demnach können beide Eltern Waldmenschen sein und ihre Kinder nicht oder beide Eltern sind keine Waldmenschen und eines oder mehrere ihrer Kinder schon.

Dummerweise war es damals genauso wie heute. Wenn jemand anders ist und irgendwelche Besonderheiten hat, kommen die meisten damit nicht klar, sind neidisch oder kriegen Angst.

So ist es kein Wunder, dass die meisten Waldmenschen von ihren Stämmen verstoßen wurden, sobald ihre Gabe bekannt wurde. Manchmal versuchte man gar sie zu töten.

Deshalb verbargen die meisten ihre Gabe vor anderen und waren auf wohlgesonnene Mitwisser in der »normalen« Bevölkerung angewiesen. Nur so konnten sie von anderen Waldmenschen erfahren und zueinander finden. Denn damals konnte man allein nur schlecht überleben! Später haben sie dann in eigenen Stämmen zusammengelebt.

Heute ist das natürlich viel einfacher! Durch die Vielzahl an Medien, insbesondere übers Fernsehen und Internet, lassen sich seltsame Ereignisse oder auffällige Menschen schnell ausfindig machen.

Man kann dann auch leichter in Kontakt treten, wenn die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass es sich um Waldmenschen oder ihre Taten handelt.«

»Es gibt sie also immer noch?«, wollte Franklin wissen.

»Oh ja! Dennoch scheint die Gabe als Folge der Lebensweise oder in unserer modernen Zivilisation immer seltener zu werden, so dass uns heute nur noch neunundzwanzig Waldmenschen weltweit bekannt sind.«

»Und Sie … und ich…«, stotterte Franklin, dem langsam ein Licht aufging.

»Ja, Franklin Benjamin, auch du und ich!«, lautete die Antwort des Nachbarn. »Du bist die Nummer Neunundzwanzig und damit der jüngste Waldmensch, den wir kennen!«

Franklins Mund war ausgetrocknet und er nahm einen Schluck Spezi. Dass er irgendwie besonders war, hatte er ja schon immer geahnt.

»Also mein Bruder ist ganz sicher kein Waldmensch, auch wenn er sich manchmal wie die Axt im Walde aufführt!«, witzelte er deshalb, um seine Spannung abzubauen. Karata kicherte aus einem ihrer Löcher im Panzer.

»Aber ist es nicht ganz so einfach, wie Sie sagen«, fuhr er ernster fort. »Ich kann zwar alle Tiere verstehen, aber bei vielen ist es einfach nur sinnloses Geplapper, das ich höre. Es muss also einen exogenen Faktor geben, der auch auf die Tiere wirkt.«

Der Nachbar lächelte.

»Ich wusste von Anfang an, dass man dir nichts vormachen kann. Ich denke, wir kennen den »Faktor«, von dem du gesprochen hast.«

»Und?«

»Vermutlich handelt es sich um eine Slow-Virus Infektion, von der sowohl Menschen als auch Tiere betroffen sein können.«

»Also eine Zoonose! Eine Krankheit, die vom Tier auf den Menschen überspringen kann!« Franklin hatte das bereits in der Schule gelernt.

»Ja. Aber nur, sofern eine bestimmte genetische Disposition vorliegt, kann das Virus über die Jahre hinweg das Gehirn von den betroffenen Menschen oder Tieren so verändern, dass sie sich verstehen können. In der Regel tritt der Effekt beim Menschen im frühen Kindesalter ein. Bei den Tieren bewirkt es zudem eine deutliche Zunahme der neuronalen Dichte und Vernetzung.«

»Aha! Die Infizierten werden dadurch schlauer!«

Der Nachbar nickte: »Das erklärt, warum du dich mit manchen Tieren gut unterhalten kannst und mit machen nicht.«

»Kann ich denn jemanden damit anstecken?«, fragte Franklin.

»Nein!«, lächelte der Nachbar. »Und die betroffenen Tiere auch nicht! Es gibt ein tierisches Reservoir, in dem das Virus seit Urzeiten überdauert. Nur dieser Wirt kann das Virus weitergeben. Leider kennen wir diese Tierart nicht. Und sie scheint wie viele andere Tierarten seltener zu werden, da es immer weniger Waldmenschen gibt.«

In Franklins Kopf poppten weitere Fragen auf, wie Wiener Würstchen in der Mikrowelle.

Ich soll der jüngste bekannte Waldmensch sein? Unglaublich! Und wer sind dann die anderen? Und der Nachbar? Ist er der älteste noch lebende Waldmensch, quasi die Nummer Eins?

Doch bevor er diese stellen konnte, wurde ihr Gespräch von Ghrauar dem Wolf schroff unterbrochen. »Was ist denn nun, zum Kuckuck nochmal! Wie lange wollt ihr uns denn noch warten lassen?«

Der Nachbar zog seufzend eine Augenbraue hoch und blickte Franklin an. Dieser nickte, und beide quälten sich aus ihren bequemen Sesseln, um dem Drängen nach einem Fußballmatch nachzugeben.

»Na also Franklin! Geht doch!«, knurrte Ghrauar zufrieden. »Ich dachte schon, du wärst nur zum Quatschen hergekommen! Ninja und Cassie sind in meinem Team. Ich bin der Teamchef und der Spielführer! Und ihr!« Er deutete mit einer furchteinflößenden Kralle auf Franklin und den Nachbarn. »Ihr seid beim traurigen Rest!«

»Ho, ho! Langsam!« Der Nachbar streckte abwehrend die Hände vor die Brust.

»Für ein Fußballmatch mit euch bin ich wohl schon zu alt. Außerdem muss ich noch ein paar Dinge erledigen.«

»Viel Spaß noch Franklin! Wir sprechen uns ein anderes Mal wieder. Ich denke, du findest nachher selbst hinaus. Und wie gesagt: Du bist mir hier jederzeit herzlich willkommen.«

Er blinzelte Franklin freundlich zu.

»Ja, gerne! Tschüss und Danke!« Franklin hob die Hand, um sie dem Nachbarn zu schütteln. Doch der hatte sich bereits umgedreht und eilte ins Haus.

Was dann folgte, war vermutlich das verrückteste Fußballspiel, das jemals stattgefunden hatte.

FRANKLIN BENJAMIN UND DAS RAUMZEIT-PUZZLE

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