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IX

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Finanziert wurde das Symposium übrigens vom Foment Magazine, das wegen seiner Förderung exzellenter Literatur und liberalen, fast schon sozialistischen Gedankenguts seit siebenunddreißig Jahren an der Spitze aller Literaturzeitschriften überhaupt stand. Foment war in der Tat so radikal, dass es von der Literaturabteilung der CIA regelmäßig übergangen wurde, wenn es um die Gewährung von Zuschüssen oder verkappten Stipendien ging. Nach dem Krieg gab es ein paar Jahre, in denen kaum einer gewagt hätte, das Café Figaro ohne die letzte Ausgabe vom Foment zu betreten. Überall begegnete man Typen mit zusammengerollten Exemplaren, die sie gerade weit genug unter dem Jackett herauslugen ließen, dass man das Cover erkennen konnte.

Für diejenigen, die den Pulsschlag der Kultur aus nächster Nähe beobachteten, war es unmöglich, die Beats zu ignorieren. Die Informationen, die sich in den Köpfen des Verlegerteams vom Foment angesammelt hatten, unterschieden sich jedoch kaum von dem enormen Pressewirbel, den Howl oder On the Road entfacht hatten — und möglicherweise auch das Häuflein von Poeten, das sich in den Mittfünfzigern in San Francisco zusammengefunden hatte. Der Wahnsinnskick an der Sache, Entstehung, Geist und die fieberhafte Erregung des Phänomens waren dem Horizont der Fomenter glatt entgangen. Selbst die, die mit der Bewegung eigentlich sympathisierten, hielten sich zurück; man hatte fast den Eindruck, als schämten sie sich, einen elitären Kreis »neobuddhistischer Spinner, die an Erleuchtung leiden«, mit dem Lorbeerkranz ihrer Anerkennung zu schmücken. Und so kam es, dass man die Literatur der BG mit einer Art weiser Weltkenntnis und zitatenverschmierter Stichelei kritisierte — einer äußerst vorsichtigen Mischung allerdings, mit massenhaft eingebauten Hintertürchen. Denn diese Rezensenten hatten weder Bock, jetzt als Spießer dazustehen, noch später von der Nachwelt als ein Haufen ausgemachter Trottel abgetan zu werden. Schließlich fanden sich ja in der Literaturgeschichte Beispiele genug — man denke nur an die scharfzüngigen Kritiker Keats’.

Oder anders gesagt, das Interesse der aufsässigen Jugend musste sehr sorgfältig gelenkt werden, richtig? Und wenn man seine Autorität nicht ganz verlieren wollte, durfte man sich keinesfalls dazu hinreißen lassen, mitten in einer Tristan-Tzara-Dichterlesung Flugblätter und faule Tomaten auf die Bühne zu feuern, stimmt’s? Schließlich war jedermann klar, wie das Schicksal solcher Literaturverächter häufig genug aussah: Spätere Jahre, gar Jahrhunderte legten sich ganze Zettelkästen über sie an und plötzlich gab es jede Menge spitzer Federn, die geradezu darauf brannten, die Verächter zu erledigen. Eingedenk dessen hielten es die Herausgeber des Magazins für angemessen, zu Ehren ihrer kürzlich verblichenen BG-Kameraden eine fromme Totenwache, wie es so schön heißt, zu arrangieren.

Das Programm des Symposiums zum Tod der Beat-Generation sah folgendermaßen aus: Die erste Hälfte war den Ursprüngen und dem sozialen Hintergrund der Bewegung gewidmet. Es ging los mit (hoffentlich!) kurzen Einführungsstatements der fünf aktiven Teilnehmer, an die sich dann die erste Gesprächsrunde anschließen sollte, bei der den Rednern Gelegenheit gegeben werden sollte, gegenseitig zu ihren Ausführungen Stellung zu nehmen.

Danach folgte eine zwanzigminütige Pause; mit Abstand der Höhepunkt des ganzen Abends. Was konnte aufregender sein, als nach Herzenslust zu klatschen und zu tratschen, zum hundertsten Mal die Vergangenheit durchzukauen, mampf mampf, und nebenbei noch schamlos ein Gesicht nach dem anderen strengstens unter die Lupe zu nehmen?

Die zweite Hälfte der Veranstaltung würde sich mit liebevollem Verständnis den Wurzeln der Krankheit widmen, also dem besagten Verfall und Tod der Beat-Generation. Zum Schluss war noch eine Fragestunde vorgesehen, bei der die Diskussionsteilnehmer auf die Fragen des Publikums eingehen sollten.

Auf den Sitzen der Furie Hall hatten die Veranstalter Programmzettel verteilt und ihnen ein weißes Blatt für die Fragen beigelegt, da man verständlicherweise ein beträchtliches Maß an Bissigkeiten aus dem Publikum befürchtete. Ehe es dann endlich losging, wanderten Handlanger der Foment-Verleger durch die Gänge und sammelten die Blätter wieder ein.

Kurze Zeit später lag der dicke Stoß vor dem Moderator in der Mitte der Runde. Die Frageblätter erinnerten ihn verdächtig an den Abschaum der allmorgendlichen Foment-Leserbriefe. Er überflog ein paar Fragen und fuhr zusammen.

»Kann man bei der modernen Romaninterpretation noch von einem Sinn für das Göttliche sprechen?« lautete die erste Frage. »Wird das göttliche Bewusstsein die Supernova überleben?«

»Hat die Atombombenexplosion von Hiroshima eigentlich auch menschliche Seelen zerstört?«

»Warum wurde Norman Podhoretz nicht in die Gesprächsrunde aufgenommen?« Und, auf dem gleichen Blatt: »Warum hat Mr. Cione 1954, als er noch als Lektor für Random House tätig war, es abgelehnt, seinen Verlag zum Druck des großen amerikanischen Romans Spine of Ferrows Willow zu überreden?«

»Ach du lieber Himmel«, stöhnte der Moderator diskret, »das kann ja heiter werden!«

Unmöglich können wir die intellektuelle Totenwache zu Ehren der Beatniks hier in allen Einzelheiten schildern, schließlich wollen wir euch in dieser Story noch auf der Afterparty des Symposiums sehen. Ihr könnt euch aber für circa zweihundertfünfzig Dollar von der Library of Congress eine Transkription des Ganzen auf Mikrofilm zuschicken lassen. Dort hat die CIA-Abteilung für dichterische Aktivitäten sie nämlich deponiert — nach Inspektion und Analyse wohlgemerkt.

Wichtiger ist es, euch ein paar Kleinigkeiten über die Diskussionsteilnehmer und natürlich auch unsere beiden Partisanen von der Kartoffelfront zu verraten. Aber haltet uns bitte nicht für indiskret, wenn wir dabei auch einige eklatante Knackser in den Facetten ihrer Diamantenseelen zutage fördern.

Sprecher A: Doris L. Malik. Sogenannter Schlaukopf. Texterin, Herausgeberin, Schriftstellerin, Säuferin. Atheistin aus mangelnder Erfahrung auf dem religiösen Gebiet. Sie strengt sich immer mächtig an, in der Öffentlichkeit so gelangweilt wie nur was zu erscheinen, denn schließlich »war ja sowieso alles schon mal da«. Als sie für die Gesprächsrunde ausgewählt wurde, sagte sie spontan zu; allerdings muss dazu angemerkt werden, dass bei den Programmdirektoren offenbar irgendwelche vagen Erinnerungen an die Zeit den Ausschlag gaben, als sie noch jung und knackig war und ihre Jugend mit den Poeten und Radikalen der frühen zwanziger Jahre vertat.

Damals hatten die Cafeterias des Village die Kellergeschosse aller New Yorker Museen reichlich mit Ölschinken eingedeckt, auf denen Doris L. Malik noch heute im Stil der Flintenweiber zu bewundern ist.

Und auch ihr Geheimnis kommt nun ans Tageslicht ... tja, ist nun mal nicht zu ändern: Sie ist ein krankhaftes Klatschmaul! Im Laufe der Zeit hat sie mindestens fünfhundert Briefe losgeschickt, die meisten davon an J. Edgar Flabflab, und darin die »Vergehen« ihrer Freunde und Bekannten ausgeplaudert. Und bei dem ständig wachsenden Drogenkonsum unseres Jahrzehnts konnte sie den Schweinen vom Drogendezernat in den letzten Jahren wirklich ein paar saftige Stories liefern.

Sprecher B: Emil Cione. Alle drei Jahre preisgekrönter Autor eines neuen Gedichtbandes. Er hat auch mal einen Bestsellerroman geschrieben, The Mountain of Reason, und der hat nur deshalb keinen Preis gekriegt, weil die zentrale Figur in diesem Buch einen Prozess in Gang setzte. Das ganze Ding basierte nämlich auf dem Privatleben eines Literaturkritikers, der es gewagt hatte, Ciones ersten Gedichtband anlässlich einer Besprechung im New York Herald Tribune zu verreißen. Aber diese Sache sparen wir uns lieber für eine andere Story auf. Cione betätigt sich nebenbei als Immobilienspekulant, ein Hobby, auf das er schon als junger Bursche stieß, als er in einer Vorlesung über die präsokratischen Philosophen von dem berühmten Oliven-Coup des Thales von Milet erfuhr:

Damals hatte sich irgend so ein neunmalkluger Besserwisser an den berühmten Mathematiker und Astronomen herangemacht und ihn gefragt: »Man sagt, Ihr seid sehr klug, Thales, wie kommt es dann, dass Ihr so arm seid und eure Tage in dieser erbärmlichen Hütte verbringen müsst?« Thales ließ seine Augen über den winterlich verhangenen Himmel schweifen und erkannte, dass die Olivenernte dieses Jahr besonders reich ausfallen würde. Am nächsten Tag kaufte er alle Olivenpressen in Milet und Chios auf, und als die Ernte dann tatsächlich alle Erwartungen übertraf, verpachtete er sie zu Wahnsinnspreisen und sahnte höllisch ab. Und der junge Cione war nur allzu gern bereit, sich dieses Gleichnis auf die Stirn tätowieren zu lassen.

»Meine Olivenpressen sind die Grundstücke und Häuser auf dem oberen Broadway. Die werden eines Tages alle mir gehören!« erzählte Cione einmal einem entsetzten Freund im Vertrauen. Übrigens sind einige der schönsten Verse, die je ein vom CIA finanziertes Magazin zierten, entstanden, während Cione sich in den Büros vom Vermessungsamt herumdrückte, in alten Flurkarten schmökerte und versuchte, die »strittigen Fälle« herauszupicken, d. h. solche, wo möglicherweise ein paar Meter Grenzlinie die tollsten Kontroversen entfachen und vielleicht sogar einen Prozess verursachen konnten.

Cione konsumierte viel zuviel Amphetamin, um nebenher auch noch zum Säufer zu werden — das kam erst später; als er in Todesangst das Speed absetzte, weil ihm die ersten Zehennägel ausfielen. Überall prahlte er mit seiner politischen Überzeugung, die angeblich von Pindar und Simonides abstammen sollte — er verstand sich als ein Poet des Kalten Krieges unter anderen KK-Poeten. Jedenfalls hatte er seine Füße tief ins russenfeindliche Eis getaucht. Aber vielleicht sind wir jetzt ein bisschen unfair, denn andererseits hatte Cione immer ein offenes Ohr für seine Studenten und trauert heute noch den verlorenen Kameraden seiner Jugend nach.

Dafür verabscheute er jede Art von Schmutz und Schund. Schon bei der Vorstellung des »verschwitzten Durcheinanders«, das entstand, wenn sich Proleten zu den schrillen Klängen von lausigen Saxofonen auf ihren fleckigen Matratzen wälzten, schüttelte er sich vor Ekel. Dreck war sein Albtraum. Dabei war alles, was er wirklich vom Ansehen kannte, der Mist, der bei den Hinterzimmerversammlungen der kommunistischen Zelle verzapft wurde, der Dreck unter den Fingernägeln von North-Beach-Bewohnern und vor allem die Verkommenheit der Dirt Road — so hieß damals noch das bulgarische Nuttenviertel am Times Square. Der Gedanke an ein Objekt, das man ihm in den Arsch rammte — ein Akt, der manchmal in den Versen der Beats geradezu verherrlicht wird, — verfolgte ihn bis in seine grellen Träume und brachte ihn fast in die Klapse. Tatsächlich wies auch die psychiatrische Studie, die der CIA von ihm angefertigt hatte, auf die Existenz eines immer wiederkehrenden Albtraums hin, in dem ein stoppelbärtiger Beatnik Cione seinen stinkenden, kotzegeschwängerten Atem in den Nacken bläst, während er ihn in den Arsch fickt und gleichzeitig zwingt, Podhoretz’ Artikel »Die unwissenden Bohemians« aus dem Partisan Review vorzulesen, den er mit zitternden Händen umklammert hält.

Sprecher C: Corgere »Cheevy« Samuelson. Säufer. Vor der Ehefrau verborgen, stapeln sich fünfzehnhundert leere Seagram’s-7-Flachmänner in ihrem nicht benutzten Heizungskeller. Früher war Cheevy mal Amerikas größter Experte für den proletarischen Arbeiterroman gewesen, aber das war zu einer Zeit, als Amerika sich um solche Sachen noch kümmerte. Seine Karriere hatte mit einer so rasanten Explosion begonnen, dass sich die Agenten des New Yorker Verfassungsschutzes als Dichter tarnten und ihm in den Nächten der Großen Depression von einer Kneipe im Greenwich Village zur anderen folgten. Mittlerweile aber hatte Cheevy sich gründlich verändert. Inzwischen pisste er sich beinahe in die Hosen vor lauter Angst, dass man ihn für einen Sympathisanten halten könnte. Wo sollte er denn schließlich seine siebenundzwanzigtausend Bücher unterbringen, falls er eines Tages ganz plötzlich auf Tauchstation gehen müsste?

Insgeheim bewahrte er sich eine große Bewunderung für Stalin und die chinesische Kulturrevolution. Aber seine Empfindsamkeit hatte er inzwischen wenigstens soweit sublimiert, dass er nicht länger Gedichte über Hobo-Camps im Mittelwesten verfasste, derweil er selbst in der Bibliothek der Yale-Universität hockte. Später, während er noch geduldig auf die magentarote Astralprojektion über dem Weißen Haus wartete, wurde er über Nacht zum reichen Mann — seine Familie hatte ihm die Buchladenkette, die sie in verschiedenen Collegestädten aufgezogen hatte, vererbt.

Aber wir dürfen auch nicht allzu hart mit Mr. Samuelson umspringen, denn gerade heute Abend standen ihm die Tränen in den Augen, so unglücklich und verzweifelt war er — just an diesem Tag hatte nämlich Viking Press ein Buch mit Essays von ihm abgelehnt, eine Nachricht, die noch nicht bis zum Tisch der Diskussionsteilnehmer vorgedrungen war.

Sprecher D: Warner Cleftine, Chefherausgeber des Foment-Magazins und Moderator des Symposiums. Sein weißes Haar fiel ihm in einer hübschen weichen Conway-Twitty-Tolle auf die leicht gewölbte Stirn. Ein Muster an Ernsthaftigkeit. Die kleinste Ungerechtigkeit machte ihn rasend. Und keiner konnte ihm das Wasser reichen, als es ein paar Jahre später während des Krieges darum ging, Geldmittel zu beschaffen, mit denen man die Musterungsbehörde schmieren konnte. Er war ein Meister der Strategie. Seine Freunde holte er aus dem Wehrdienst wieder heraus, indem er andere Freunde und ehemalige Kommilitonen im Ausschuss anrief. Aber das ging auch nur so lange gut, bis ’Nam schließlich sogar Freund gegen Freund aufbrachte.

Für befreundete Schriftsteller konnte Warner bei mysteriösen und nie genannten Quellen volle siebenhundertdreißig Tage finanzielle Sicherheit und soziales Ansehen lockermachen. Im ersten Jahr kriegten sie die unglaubliche Summe von zwölfhundert Dollar aus dem Guggenheim-Fonds und im Zweiten ein Rockefeller-Stipendium. Die Ahhhs und Ohhhs seiner Freunde überschlugen sich nur so.

Außerdem war er Spezialist, wenn es um Einladungen zu irgendwelchen staatlich geförderten Konferenzen ging. Unter seinem Bett hatte er immer einen fertig gepackten Koffer liegen.

Sprecher E: John Farraday. Das Äußerste an einem Beatdichter, den man überhaupt dazu bewegen konnte, an dieser Gesprächsrunde teilzunehmen. Im Grunde war Farraday eher ein hartgesottener Hipster als ein Beatnik. Er schwamm im Strom der Energie mit, die von der Bewegung ausging, aber er war kein echter Gläubiger. So was Ähnliches wie diese Macker, die bis 1970 warteten, ehe sie gegen den Vietnamkrieg protestierten.

Farraday fühlte sich mächtig schuldig, weil er es einfach nicht fertigbrachte, spontan zu schreiben. Für jeden Absatz brauchte er tagelang, und das lag nicht etwa am kreativen Kampf eines Josef Conrad, sondern an dem endlosen »Warum? Warum? Warum?«, das er — mit dem Kopf auf der Olivetti ­ vor sich hinmurmelte.

Es war schon merkwürdig, dass Farraday sich bereit erklärt hatte, bei der Diskussion mitzumachen. Manche schrieben das dem Druck seines Agenten zu. Andere glaubten, dass er betrunken war, als man ihn fragte. Dann hatte er es vermutlich vergessen und erst der schreckenerregende Dankesbrief vom Foment half ihm wieder auf die Sprünge. Er hatte übrigens eine selbstquälerische Neigung, andere zu beleidigen, und das war möglicherweise auch ein Grund für sein Erscheinen — sozusagen als Pfeffer für einen ohnehin langweiligen Abend.

Sein Geheimnis: Er ist aktives Mitglied im 26. Grad bei einer Sekte von Kali-Anbetern. Dabei liebt er seine richtige Mutter über alles und schwebt ständig in Angst, dass sie eines Tages durch Zufall hinter seine Affäre mit der Großen Mutter kommt. Säufer.

Die beiden Provokateure des Unternehmens Kartoffelsalat hatten mit Müttern wenig am Hut. Al war ein notorischer Hitzkopf und Unruhestifter. Seine oberste Devise lautete: »Im Zweifelsfall hilft nur Krawall«. Zur Inspiration hatte er sich über seinem Schreibtisch eine Kopie von Degas’ berühmten Absinth-Trinkern aufgehängt. Degas faszinierte ihn und er tat sein Bestes, um seinen Lebensstil so gut es ging zu imitieren. Zur Zeit des Symposiums hatte er seine Frau und vier Kinder in einem mickrigen Rattenloch in der Bronx versteckt. Trotzdem war er von seiner späteren Rechtfertigung überzeugt: Auch ich nur ein miserables Arschloch bin, ein mieser Vater, ein Dreckskerl, ’ne bepisste Wanze, solange meine Dichtung existiert, kann die Geschichte mich nicht unter ihrem riesigen Schutthaufen begraben — selbst wenn sie mir wer weiß, was für Schandtaten anhängen. Nicht mal Poe haben sie geschafft, merkst du was, Mann?

Ron, der zweite Provokateur, war ein hervorragender Übersetzer persischer Poesie und galt außerdem selbst als exzellenter Dichter. Nur eine Sache stand seiner meteoritenhaften Karriere als Übersetzer und Poet im Wege: sein krankhafter Trieb, Kakerlaken zu verspeisen. Aber, aber ... wer wird sich denn da vor lauter Ekel gleich abwenden wollen? So schlimm ist das ja nun auch wieder nicht. Schließlich leckt Emil Cione mit Vorliebe die Vaseline von gebrauchten Besenstielen ab — was ja wohl mindestens genauso fragwürdig ist.

Der Ärger ging los mit traumatischen Erfahrungen, die er beim Überlebenstraining der US Air Force in einem Dschungelgebiet durchstehen musste. Nachdem auch sein Geheimvorrat an Milky Ways aufgebraucht war und er an Flüssen vergeblich nach irgendwelchen kleineren Viechern gesucht hatte, verfiel er auf die feuchten bröckeligen Cafeterias unter dicken Felsbrocken. Und, um die wunderbaren Worte von William S. Burroughs zu zitieren: »Hätten Sie’s nicht genauso gemacht?« Alle hartschaligen Käfer waren okay, besonders die proteinreichen Maikäfer, aber in New York hieß die Devise: »Cucaracha!«

Ab und zu kann er der peinlichen Entdeckung seiner geheimen Leidenschaft durch seine Frau oder den Chef nur um ein Haar entgehen. Aber bisher hat ihn seine Vorsicht noch immer gerettet. Und er weiß nur zu gut, dass er auf der Stelle erledigt wäre, wenn den vornehmen literarischen Kreisen auch nur die kleinste Andeutung vom Poeten als Kakerlakenfresser zu Ohren käme. Apollinaires Poet als Prophet war ja grade noch akzeptabel, aber un poete insectiphage — undenkbar! (Der Leser wird mit Erleichterung erfahren, dass man ihm diese Perversion 1967 bei einer Selbsterfahrungssitzung in Esalen ein für allemal ausgetrieben hat.)

Tales of Beatnik Glory, Band I-IV (Deutsche Edition)

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