Читать книгу Tales of Beatnik Glory, Band I-IV (Deutsche Edition) - Ed Sanders - Страница 40
VI
Оглавление»Kauf bloß nie Gras bei Rienzi’s Mann!«
»Hey, Barrett hamse grad gelinkt, bei Rienzi’s. Hahaha!« lachten seine Freunde, die an der Alex-Holley-Statue herumhingen. Barrett nahm einen Schluck aus der Thunderbird-Pulle, die ihm jemand in die Hand gedrückt hatte.
»He, guckt mal — unser motherfucker!« rief plötzlich einer.
»Yayah!« J.S.D. ist im Anmarsch!«
Der nuckelnde T-Birder-Kreis am Rand der Statue geriet in Bewegung. Es war jedes Mal ein Ereignis, wenn ein Freund in den Park spaziert, gestrolcht, gekrochen oder geschlichen kam. Barrett blickte auf, und da war er und trottete geradewegs auf ihren Platz zu, der stelzbeinige J.S.D. — J.S.D. war etwa zwanzig und extrem hochgeschossen. Einer von den Typen, die von ihren Trainern regelmäßig zum Essen eingeladen werden, sobald sie dreizehn geworden sind. J.S.D. trug ein Paar dunkelbraune Jeans, deren Beine mindestens fünfzehn Zentimeter zu kurz für ihn waren, und ein Fischnetz-T-Shirt, was derzeit gerade ziemlich angesagt war. J.S.D. hatte die Angewohnheit, mit dem Finger auf jemand zu zeigen und ihn drohend hin- und herzubewegen. Dabei legte er gleichzeitig den Kopf zur Seite, und zwar nach Barretts Notizbüchern immer dann, wenn er kurz vorm Sprechen war. Der Barmann in der Jazzgalerie hatte ihm seinen Namen nach den ersten Buchstaben von Jazz / Sex / Dope verpasst, ein Trio, das die Essenz von J.S.D.’s weltlichen Interessen bildete. Er war eine Wurlitzer für Saxofonsoli; alles, was er brauchte, war der Name des Instruments oder der Scheibe, die du hören wolltest, und schon war er imstande, dir auf der Stelle ein mündliches Solo hinzulegen. Obskure Altflötenparts zum Beispiel, die man auf den frühen Aufnahmen kaum erkennen konnte — J.S.D. kannte sie alle in- und auswendig. Er war der Mozart der Jazz Gallery. Wenn Sonny Rollins je aus seiner Abgeschiedenheit käme, um in der Gallery zu spielen, würde J.S.D. die ganze Nacht auf seinem Eindollar-Platz hocken, den Kopf in die Hände gestützt, und sich den Gig von vorn bis hinten einprägen. Und am nächsten Tag würde er im Park erscheinen und das Ganze einfach nachspielen. Was die anderen Initialen in seinem Namen anging, also Sex und Dope — die ereigneten sich stündlich, egal ob bei Tag oder Nacht.
»Wie läuft’s, J.S.D.-Baby«, rief Barrett und streckte ihm seine Handfläche hin. J.S.D. hieb seine Faust dagegen, ließ sich direkt neben John auf Holleys schattige Seite fallen, nahm einen Zug Thunderbird, schnorrte sich eine Zigarette und stellte die unvermeidliche Frage: »Hat hier vielleicht irgendwer Pillen bei sich?«
Zwanzig Minuten verstrichen wie im Flug. Barrett beobachtete J.S.D. von der Seite, wie er den Kopf zur Seite legte und wild mit dem Finger herumfuchtelte, wenn er mit ihm sprach. Und dann hätte man fast glauben können, J.S.D.’s Augen würden anfangen zu schmelzen, so glühend bohrten sie sich in das Girl, das jetzt auf sie zukam. Wenn sie nicht in der Nähe war, nannten alle Leute sie Racy Tracy. Einzelne Teile ihres Körpers wogten und schwankten in verschiedenen Richtungen hin und her und die ganze Erscheinung trieb J.S.D. (wie es sich für sein mittleres Initial gehörte) wie einen Pfeil geradewegs in ihre Arme.
Tracy sah genauso aus wie die rothaarige Frau, die aus Edouard Manets Dejeuner sur l’Herbe herausblickt. Und genau das war auch Tracys Set — das Picknick der Sinne. Es gab nur einen winzigen Unterschied: Sie war nicht ganz so mollig wie die Dame sur l’Herbe, aber ansonsten schien sie ihr wie aus dem Gesicht geschnitten. Barrett versuchte die Sprache darauf zu bringen, aber Tracy war natürlich längst im Bilde. Sie hatte ihm mal erzählt, sie wäre sauer auf Manet, schließlich hätte er doch wenigstens einen von den Typen auf dem berühmten Bachquartett ebenfalls nackt lassen können.
Tracy war Aquarellmalerin und hatte sich auf das Volk im Washington Square Park spezialisiert. Besonders auf die Schwarzen. Sie war nicht schlecht und arbeitete echt hart, aber ihr Name in den folgenden Jahren weder in den ARTNews noch in der Voice oder auf irgendwelchen SoHo-Postern auftauchte, ist es schwer zu sagen, ob sie bei der Malerei geblieben ist. Jeden Morgen schnappte sie sich in aller Frühe die Linie D von der Bronx ins Village und begab sich mitsamt Zeichenblock und Malkasten in den Park. Dabei war sie von lüsternen Hintergedanken nicht ganz frei, sie hielt sich nämlich für eine ergebene Adeptin (im votiven Sinne!) der »onyxfarbenen Zuckerstangen«, wie sie sich auszudrücken pflegte, einfach so, zack! Kein Wunder, dass sie überall beliebt war.
J.S.D.’s bevorzugter Zeitvertreib im Sommer war Blechdach-Sex. Das plötzliche Auftauchen von Tracy stürzte ihn in ein derartiges Paradies an Möglichkeiten, dass er sofort damit rausplatzen musste: »Hey Tracy! Wie läuft’s? Komm, wir gehen rüber zur Neunten Ost und machen’s eine Weile auf dem Dach. Ein Freund von mir hat da einen Sonnenschirm aufgebaut, und duschen können wir in seiner Bude auch.« Tracy und J.S.D. waren in der ganzen Szene berühmt für die Anzahl von Dächern, auf denen sie’s schon getrieben hatten. Einmal hatten sie sogar das Türschloss vom Washington Arch kaputt geschlagen und waren über die Wendeltreppe aufs Dach gestiegen, wo sie dann die Geburt Hymenaios’, des Lendenstoß-Gottes, zelebrierten.
J.S.D. und die andern schenkten Tracys Bildern keine große Beachtung und das ärgerte sie. Sie versuchten zwar dauernd, mit ihr zusammenzuziehen, hatten dabei aber eher ihre Abwaschprobleme im Kopf als Achtung vor ihr als Künstlerin. Immer wenn Tracy irgendwo auftauchte, schien sie durch John hindurchzustarren, als wenn er Luft wäre, und darüber hatte er sich schon immer furchtbar aufgeregt. Er existierte einfach gar nicht. »Guck mich doch mal an«, sagte er ganz leise, »bitte!«
Tracy lachte gerade und zeigte J.S.D. ihr neuestes Porträt, merkte aber instinktiv, dass seine Gehirnzellen nur auf eine einzige Frequenz eingepeilt waren. »Heut nicht, J.S.D. Vielleicht Morgen. Warte hier auf mich, so um die Mittagszeit, okay?«
»Okay, Baby, bis dann!« J.S.D. drehte sich um zu Barrett. »He, gehen wir zu Dom und sehen nach, ob’s da was zu essen gibt.«