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VII

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Doms Bude lag genau über dem Gemüsemarkt auf der First Avenue, und die Luft, die zum Fenster hereinstrich, roch immer ein bisschen nach Kartoffelkeimen und verfaulten Melonen. Als sie ankamen, stand Dom am Herd und briet Pfannkuchen. Vor ihm stand ein Teig aus zerbröseltem Matzenzwieback und Maismehl. Seine geflochtenen Sandalen schlappten über das Linoleum. Er schwitzte, und seine ölig glänzenden Muskeln spannten sich, als er die Pfanne schüttelte. Doms Stimme klang immer so, als wollte er seinen Akzent aus dem tiefen Süden karikieren: Mä-ann statt Mann, spie-äßig statt spießig und Zin statt Zen.

Dom wohnte mit June zusammen, die als Krankenschwester im Bellevue Hospital gearbeitet hatte, bis vor Kurzem eine Oberschwester sie dabei erwischt hatte, wie sie im Dope-Schrank des Krankenhauses rumfummelte. June hatte blondes, ganz kurzes Haar, fast schon einen Bürstenschnitt. Sie war sehr schmal, nur ihre Hüften beschrieben von dem flachen Bauch aus eine elegante Kurve von fast drei Zentimetern Durchmesser auf jeder Seite, ehe sie sich nach unten schwangen. Sie war ein echter Speedfreak und trotz ihrer Uniform eine vertraute Erscheinung, wenn sie abends auf dem Nachhauseweg am Brunnen vorbeikam. Sie hatte eine Vorliebe für die weißen Schwesternstrümpfe; heute trug sie welche unter einem mexikanischen Brautkleid, das am Mieder mit wilden Rosen bestickt war. J.S.D.’s Kopf sackte auf die Seite, und plötzlich ging Barrett der wahre Grund für ihren Besuch auf, er bemerkte nämlich ihre Blicke. Als ob sie sich gegenseitig mit den Augen ausziehen würden, drüben im anderen Zimmer und außerhalb von Doms Sichtweite.

In der Küche rülpste Barrett nervös, als er hinter den offenen Schranktüren nichts als die obligate Old-Mother-Hubbard-Leere entdecken konnte. Das einzige, was es in der ganzen Bude zu essen gab, war eine Packung Matzenmehl, eine Schachtel Matzenzwieback, eine Packung Maismehl und ein Liter Pflanzenöl, und all das würde sowieso bald verschwunden sein. Dom hievte gerade den riesigen Pfannkuchen aus der Pfanne auf einen Teller und wirbelte dabei eine graue Wolke von verbranntem Maisöl von der glühenden Kochplatte auf.

Er und June waren in den New Yorker Sommern immer total pleite — wohl kaum die rechte Zeit dafür, sich ohne einen Cent durch den Beat Apple beißen zu müssen, obwohl die Winter mit den brennenden Mülltonnen auf der Bowery noch mindestens zehnmal schlimmer sein mussten. Wenigstens hatte Dom sein Dope-Business, um sich über Wasser zu halten. Gerüchten zufolge war er imstande, buchstäblich jeden Stoff aufzutreiben, der in Robert S. De Ropps Werk Drugs and the Mind erwähnt wurde. Sein Zimmer schien diese Behauptung zu rechtfertigen, mit all den Regalen, die überquollen von Apothekerflaschen mit halbwegs legalen Substanzen wie Lophophora williamsii, wildem Lattich aus Mexico, Belladonna, Yohimbinrinde, indischem Tabak, Ginsengwurzeln und sogar einer zweifelhaften Sorte von getrockneten Würmern aus Sumatra, die ihre Konsumenten angeblich ins Land des warmen Nebels transportierte. Illegale Drogen wie Koks, Meth, Benzedrin, Hasch, Heroin, Nembutalkapseln, Goofballs, Meskalin und Opium waren genial in der Lampenfassung von Doms Nachbarn versteckt, die einen Stock tiefer wohnten. Er hatte ein faustgroßes Loch in den Fußboden gebohrt, genau über der Fassung, und erzählte John, dass er immer unheimlich aufpassen müsste, wenn er seine Arzneien aus der schalenförmigen Lampe fischen wollte. Es konnte nämlich vorkommen, dass er die Fassung verfehlte und mit dem Arm im leeren Raum herumfuhrwerkte. Die Bewohner des Apartments waren sehr religiös, und Dom hatte eine Heidenangst, dass sie es als eine Art göttlicher Offenbarung verstehen und zu schreien anfangen würden, wenn sie mal durch einen dummen Zufall nach oben guckten und ihnen aus der Decke eine Hand erschien.

Dom war gerade aus Tanger zurückgekommen, wo ihn jemand bei einem Haschdeal gelinkt hatte. Er versuchte zwar, es mit Humor zu nehmen, aber seine Stimme klang ziemlich gepresst und enttäuscht, als er jetzt die Story erzählte: »Da stand ich, Mann, und schob diesen Karren vom Marktplatz, und in meinen Augen spiegelten sich schon die Dollarscheine und der Mietvertrag für unser Sommerhaus in Vermont. Und als ich den Stoff in meinen Laster laden wollte, stellte sich heraus, dass es bloß ein Haufen Kamelscheiße war, mit ein paar Nelken drin, glaub ich. Ich hab alles verloren bis auf mein Flugticket. Und alles, was ich von dem Trip mitgebracht habe, ist ein Sack mit Gei-...« — Er hielt inne, schnippte mit den Fingern und verschwand plötzlich durch den Perlenvorhang in seinem Zimmer.

Als er wiederkam, hielt er ein großes Bündel in der Hand, das in ein buntes Kopftuch verschnürt war. Er wickelte es aus und legte sechs braune, ovale, gesprenkelte Objekte auf den Tisch. Dann hob er eins davon ans Ohr und schüttelte es hin und her.

Er erzählte ihnen, dass er sie letzte Woche in Marokko gekauft hätte. Der Verkäufer hätte ihm hoch und heilig versichert, dass es ganz frische Geiereier seien, direkt aus dem Nest, hoch oben in den zerklüfteten Felsen. Dom hatte vorgehabt, sie als Geschenke an seine Freunde zu verteilen, aber jetzt, als der Food Hawk vor seinen Augen krächzte, begann er zu erwägen, ein kleines Geieromelett daraus zu zaubern.

»Jessas, ich hoff’ bloß, sie sind frisch genug zum Essen«, meinte er.

Dann schloss er die Augen und zerbrach vorsichtig eins in die Pfanne. Dabei kräuselte sich seine Nase, als ob er erwartete, ein Miasma von verfaultem Bussard aufsteigen zu sehen. Aber das Ei sah prächtig aus. Er knackte auch die ändern, verquirlte sie mit einer Gabel, streute noch etwas Matzenmehl hinein und gab einen Spritzer Öl dazu. Im gleichen Augenblick stiegen köstlich süße Dämpfe von dem orangegelben Plexus auf, und alle vier drängelten sich um die Pfanne und mussten schlucken, so sehr lief ihnen das Wasser im Mund zusammen.

»Mann, ich weiß nicht, sie sehen so befruchtet aus«, warnte Barrett.

»Scheiß drauf, Mann«, grunzte Dom zur Antwort. »Wir brauchen Protein. Wenn uns schlecht wird, können wir uns im Bellevue immer noch den Magen auspumpen lassen. Hast du ’n Zehner, um den Krankenwagen anzurufen?«

Barrett nickte.

Der Geierei-Matzenbrei sah auf dem Teller aus wie eine flache Scheibe aus gelbem Knetgummi, aber, Teufel noch mal, er schmeckte einfach irrsinnig — in der ganzen Beat-Ära der einzig bekannte Fall von Geierei-Matzenbrei. Und ebenso dürfte es wohl das einzige Beispiel aus jener Zeit gewesen sein, wie Geierei-Protein die Glut der Leidenschaft schüren kann. Denn June und J.S.D. fingen an, sich gegenseitig kleine Pfeile von Auge zu Auge zu schicken, die sich trafen und über ihren Körperbrei verhandelten. Kaum war die Mahlzeit zu Ende, packte J.S.D. June bei der Hand und führte sie zur Feuerleiter. Dann warf er noch einen Blick hinüber zu Dom, als ob er sagen wollte, kühl ja dein Mütchen, Southern Boy — und wandte dann seine Aufmerksamkeit mit einer langsam-feierlichen Wendung des Kopfes wieder June zu, wobei ein breites Grinsen über sein Gesicht flog. Sie kicherten, bückten sich, um sich durchs Fenster zu zwängen, und kletterten die eisernen Sprossen hinauf.

Auf dem Dach hatten Dom und June sich eine kleine Oase gebaut, die von der Feuerleiter aus mit einer zweiten Leiter zu erreichen war. Hinter dem Wassertank, außer Sichtweite, lag eine Matratze im Schatten von ein paar riesigen Sonnenschirmen, die sie sich von irgendwelchen Hot-Dog-Karren ausgeliehen hatten. June und J.S.D. kamen diesen Sommer fast jeden Tag zum Ficken hier hoch — vor Doms Augen hielten sie sich ja noch zurück, aber es bestand eine unausgesprochene Übereinkunft, dass Dom außer Sichtweite blieb, solange die beiden auf dem Dach waren.

Barrett bemerkte, wie Dom sich kurz auf die Lippen biss, aber er drehte den Kopf weg, bevor John ganz sicher war. Dom schlappte mit seiner Sandale über den Fußboden und brummte: »Ich weiß auch nicht! Ich werd mich wohl nie dran gewöhnen!«

»Was meinst du?« fragte John. »dass die zwei da oben ’ne Nummer schieben?«

»Nee, Mann, die Nigger mein ich!«

Barrett wollte lieber das Thema wechseln. Und außerdem brauchte er Einzelheiten. »Meinst du, ich kann, äh, raufgehn und zugucken?«

Dom sah ihn entgeistert an, meinte dann aber: »Klaaar, geh nur rauf.«

John Barrett erreichte das Ende der Leiter und blieb stehen. Sein Kopf beziehungsweise seine Augen lugten gerade über den Rand des Daches und er spürte, wie eine äußerst angenehme Brise über den Rücken seines Reitjacketts strich. Er warf einen Blick auf den vergammelten Hinterhof sechs Stockwerke tiefer. Schauder. Dann wandte er sich der action zu.

June und J.S.D. waren gerade eng umschlungen bei der Matratze angekommen. Jetzt glitten Junes lange Finger unter J.S.D.’s Gürtel, in seine braunen Jeans, über seinen dunklen Arsch — da! Ein kleiner Schmerz für J.S.D., als ihre kratzenden Finger sich zielstrebig ihren Weg bahnten.

»Aua! Pass auf!« lachte er.

John Barrett musste ebenfalls lachen, als er sah, wie J.S.D. aus seiner Levis stieg, sie sorgfältig faltete und dann ordentlich über eine Fernsehantenne hängte. June konnte es kaum abwarten. Sie kniete vor ihm, als wollte sie die Afro-Herme anbeten, streichelte ihm mit beiden Händen sanft über die Seiten und nahm plötzlich soviel sie konnte in den Mund. Von Barretts günstiger Position sah es für ein paar Sekunden so aus, als ob June auf einer Party einem Witz zuhörte und dabei begeistert mit dem Kopf nickte.

Dann schob J.S.D. sie zurück und June sank langsam hinunter auf ihr heißes, leicht ranziges, stinkiges Liebesnest und rollte gekonnt und höchst wirkungsvoll die weißen Strümpfe herunter. Ihre Bewegungen erinnerten Barrett an einen Bäcker, der den Teig für Brezeln zusammenrollt, und um ein Haar wäre er von der Metallleiter gestürzt, als er versuchte, diesen Vergleich in seinem Notizbuch festzuhalten. Dann legte June sich abwartend zurück in ihrem knappen Höschen und schon war J.S.D. über ihr, und sie hatte kaum Zeit, abzustreifen, bevor sie vorsichtig und geschickt seinen dunklen Gitarrenhals in sich reinschob. »Komm schon, komm komm, komm«, sagte sie, »komm.«

Barrett kämpfte den aufsteigenden Schaum vor seinem Mund zurück und bemerkte, wie sich in seinen Gabardine-Hosen auch etwas regte. Noch ein langer Blick, dann zwang er sich wegzugucken, oder, um genau zu sein, voller Angst nach unten zu starren, ehe er schweigend über die Feuerleiter nach unten kroch, jeden Moment darauf gefasst, in die Tiefe zu stürzen.

Tales of Beatnik Glory, Band I-IV (Deutsche Edition)

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