Читать книгу Wellengrab - Edith Kneifl - Страница 11
5.
ОглавлениеDie alte Christina hatte ihn gleich erkannt, als er an Bord gekommen war. Natürlich verrät er der hübschen Touristin nicht, warum er abgehauen ist, dachte sie. Als er erwähnte, dass er Schiffsingenieur sei und für eine große Reederei gearbeitet habe, schnaufte sie empört und ziemlich laut. Sie hatte nicht gedacht, dass er so ein geschickter Lügner werden würde. Früher hatte sie ihm an der Nasenspitze angesehen, wenn er nicht die Wahrheit gesagt hatte. Heute kamen diese Lügen ganz glatt über seine Lippen.
Irritiert sah sich Alexander nach ihr um.
„Sie schnarcht ein bisschen“, sagte Laura.
„Und Sie wollen Ihren Urlaub auf Mykonos verbringen?“, wechselte er das Thema.
Laura schüttelte den Kopf, holte sich einen zweiten Metaxa von der Bar und wurde auf einmal gesprächiger. „Ich besuche dort Freunde, sonst lebe ich auf Samos. Ursprünglich komme ich aus Wien. In meinem früheren Leben war ich in der Modebranche tätig. Mode interessiert mich aber heute nicht mehr, ich bin Biobäuerin geworden, habe meine Zelte in Wien vor ein paar Jahren abgebrochen und mir auf Samos ein winziges Kalivi gekauft. In diesem Häuschen inmitten eines Olivenhains, in dem früher die Bauern ihre Geräte gelagert und während der Olivenernte übernachtet haben, hat es weder Strom noch Fließwasser gegeben. Ich habe dort so recht und schlecht hausen können, während ich mir ein Stückchen weiter oben einen größeren Bungalow gebaut habe. Das halbverfallene Steinhäuschen habe ich renoviert und benütze es heute als Lagerraum und Vorratskammer für Wasser, Wein und Olivenöl. Drinnen ist es im Sommer angenehm kühl, da es direkt in den Hang hineingebaut wurde. Es hat nur ein Fenster und eine Tür vorne raus. Meerblick inklusive“, sagte sie.
Alexander hörte ihr interessiert zu. „Und wo auf Samos haben Sie sich niedergelassen, wenn ich fragen darf?“, unterbrach er sie.
Auch Christina spitzte die Ohren.
„Ich lebe in einer der schönsten Buchten auf der Südseite, in der Nähe von Psili Ammos. Der Ort heißt Limnionas. Seit zwei Jahren bin ich Selbstversorgerin. Ich lasse meine Ernte pressen, habe also mein eigenes Öl, meine eigenen Weintrauben, Gemüse, Feigen, Tomaten, Melanzani und Zucchini. Alles blüht und gedeiht prächtig. Den Sandstrand, unterhalb meines Olivenhains, habe ich fast für mich allein. Türkisfarbenes Meer, weißer Sand …“
„Wie in der Karibik?“
„Ja, es ist ein Paradies! Leider hat dieser Garten Eden meine Ersparnisse aufgefressen, deshalb habe ich nach Wien fahren müssen. Ich habe mich nach kleineren Betrieben umgesehen, die ich in Zukunft mit meinem Olivenöl und mit eingelegtem Gemüse beliefern könnte.“
„Ich zweifle nicht daran, dass Sie Erfolg gehabt haben.“
„Hören Sie auf, mir zu schmeicheln. Die Ausbeute war eher mäßig. Außer zwei griechischen Restaurants und einem Delikatessengeschäft habe ich keine Abnehmer gefunden. Was soll’s? In den Sommermonaten werde ich halt mein neues Haus vermieten müssen, ein paar Freunde und Bekannte haben mir bereits zugesagt. Ich werde dann wieder in mein Kalivi ziehen, inzwischen habe ich dort einen Stromgenerator und eine Toilette. Die Dusche befindet sich allerdings neben dem Haus im Freien.“
Plötzlich genierte sich Laura für ihre Redseligkeit und verfiel in Schweigen, starrte beim Fenster hinaus. Schuld an der losen Zunge ist die verdammte Sauferei, dachte sie. Und auch dieser gutaussehende Grieche. Normalerweise war sie fremden Menschen gegenüber nicht so vertrauensselig. Aber dieser Mann schien sich tatsächlich für sie zu interessieren.
Alexander schaute sie bewundernd an. Was für eine ungewöhnliche Frau! Außer seiner ersten Liebe waren alle Frauen, die er bisher gehabt hatte, zwar sehr hübsch, jedoch eher dumm gewesen.
Diese Frau ist eine Nummer zu groß für dich, mein kleiner Alexandros, dachte Christina ähnlich wie er.