Читать книгу Wellengrab - Edith Kneifl - Страница 8
2.
ОглавлениеIn trüben Gedanken versunken, hängte sich Alexander die Sporttasche um die rechte Schulter, nahm seinen Rollkoffer in die Linke und ging aufs Schiff. Er war viel zu früh dran. Die Fähre würde erst in einer halben Stunde ablegen.
Der BMW parkte sich als einer der ersten auf dem unteren Deck ein. Alexander versteckte sich hinter dem Gepäckwagen, beobachtete den Mann, der aus dem SUV stieg. Das Erste, was er zu sehen bekam, waren silbern glänzende Cowboystiefel mit metallenen Beschlägen. Beinahe entkam ihm ein Grinsen. War das die neueste Schuhmode in Griechenland?
Er taxierte seinen Verfolger genauer. Der junge Mann war gut gebaut. Eindrucksvolle Muskelpakete malten sich unter seinem engen Jackett und seinen Jeans ab.
Der Cowboy entdeckte ihn. Rasch wandte Alexander seinen Blick ab, verstaute betont langsam Koffer und Tasche in einem Fach des Gepäckwagens und schlenderte dann zur Rolltreppe. Er hatte den Spieß umgedreht, verfolgte nun seinen Verfolger.
Als der glatzköpfige Bursche das erste Deck erreicht hatte, sah er sich unschlüssig um. Alexander duckte sich hinter einem dicken Pärchen, das vor ihm die Rolltreppe blockierte. Die Glatze ging ans Heck des Schiffes.
Erst nachdem sich Alexander vergewissert hatte, dass sich der Bursche allein in der Smoking Area im Freien befand, betrat er die hinter schmutzig beigen Planen versteckte Raucherecke. Er glaubte, kein besonderes Risiko einzugehen, wenn er den Cowboy ansprach. Jederzeit konnte einer von der Besatzung oder ein Passagier daherkommen.
Plötzlich blickte er in die Mündung eines Revolvers. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, stürzte er sich auf den Mann und versetzte ihm einen Tritt in den Magen.
Die Glatze klappte zusammen wie ein Hampelmann. Das Motorengeräusch der Lastwagen, die sich als letzte einparkten, übertönte seinen Schrei.
Alexander nahm die Glock an sich. Was für ein wertvolles Geschenk des Himmels! In seinem Job konnte man eine Waffe, die auf einen anderen Namen oder gar nicht registriert war, immer gebrauchen.
Sein Gegner rappelte sich auf. Alexander versetzte ihm einen zweiten Tritt, erwischte seine Kehle. Der Cowboy verlor das Bewusstsein.
Hastig durchsuchte Alexander die Hosentaschen des Burschen. Seine Brieftasche steckte er ein.
„Wer hat dich beauftragt, mich zu verfolgen?“, fauchte er den jungen Mann an, als er wieder zu sich kam.
Er erntete einen wütenden Blick.
Rasch presste er seinem Gegner den Schalldämpfer der Glock an die Stirn. „Wenn du nicht sofort den Mund aufmachst, bist du tot. Ich zähle bis drei. Eins, zwei …“
„Stavros“, flüsterte der Cowboy.
„Welcher Stavros? Wie heißt er mit Nachnamen?“
„Weiß nicht …“
„Rede endlich! Oder …“
Anstatt den Mund aufzumachen, zog der Idiot ein italienisches Springmesser aus dem Schaft seines linken Stiefels. Der Griff war mit Perlmutt verziert, die Klinge war über zehn Zentimeter lang und kam Alexanders Kehlkopf gefährlich nahe.
„Ai gamisou“, fauchte Alexander. „Fick dich!“, wiederholte er auf Deutsch und riss seinen Kopf zurück, während er dem Jungen gleichzeitig das Messer aus der Hand schlug.
Doch der Glatzkopf schien wieder bei Kräften zu sein. Er brachte Alexander zu Fall, packte ihn mit beiden Händen an der Kehle und drückte zu. Mit letzter Kraft schaffte Alexander es, ihm das Knie in die Eier zu rammen.
Leises Aufjaulen. Instinktiv fasste der Typ sich an den Schwanz. Ein Fehler, denn kaum war seine Kehle frei, wälzte sich Alexander auf ihn und setzte ihn mit ein paar Faustschlägen außer Gefecht. Der Kampf war fast lautlos vonstattengegangen, hatte nur ein paar Sekunden lang gedauert.
Er packte den Mann an den Füßen, schleifte ihn zur Reling und hob ihn hoch. Der Oberkörper des Burschen hing fast zur Gänze über der oberen Eisenstange. Alexander hielt ihn mit beiden Händen am Hosenbund fest.
„Ist dir der Nachname deines Bosses wieder eingefallen?“
Anstatt zu antworten, schlug der blöde Kerl mit Armen und Beinen wild um sich. Der Absatz seines spitzen Stiefels traf Alexander unterm Kinn. Er schrie auf vor Schmerz, ließ den Mann los und hielt sich die Hände schützend vors Gesicht. Der Körper des herumzappelnden Burschen geriet ins Rutschen, glitt wie in Zeitlupe über die Reling.
Alexander reagierte zu langsam, bekam mit seiner Rechten nur ein Hosenbein zu fassen. Als Linkshänder hatte er in der rechten Hand nicht viel Kraft. Der schwere Junge entglitt ihm, knallte auf das sich schließende Einfahrtstor der Fähre und rollte ins Wasser. Die Fähre hatte gerade abgelegt.
Mit starrer Miene sah er zu, wie der Cowboy von den hohen Wellen am Heck des Schiffes erfasst und in die Tiefe gezogen wurde.