Читать книгу Wellengrab - Edith Kneifl - Страница 20
14.
ОглавлениеAls Alexander am frühen Abend das Hotel Flamingo betrat, wurde er von Theo allein begrüßt. Laura ließ sich nicht blicken. Auch Philip war nicht da. Das holländische Hochzeitspärchen schien entweder noch am Strand oder bereits ausgegangen zu sein.
Er stellte sich als Alexander Kounellis vor. Kounellis war der Mädchenname seiner verstorbenen Mutter und auch der Name eines international bekannten griechischen Künstlers, der in Italien gelebt hatte. Alexander gab sich als entfernter Verwandter dieses berühmten Malers aus, hoffte dadurch Vertrauen bei dem ehemaligen Wiener Galeristen zu erwecken. Er hatte sich vorher im Internet über seinen Namensvetter schlaugemacht.
Theo schien seine Herkunft nicht zu interessieren. Entweder hatte er den Namen nicht richtig verstanden oder es war ihm egal. Er bat seinen Gast, auf der Terrasse Platz zu nehmen, entschuldigte sich und ging ins Haus.
Was für eine wohltuende Stille, dachte Alexander, als er in einem gepolsterten Gartensessel Platz nahm. Ein riesiger Sonnenschirm spendete angenehmen Schatten. An den von der Sonne aufgeheizten Steinmauern huschten Salamander rauf und runter. In den Bäumen zwitscherten leise kleine Vögel. Ein schlanker, leicht bekleideter Jüngling steuerte mit einem golden schimmernden Servierwagen auf ihn zu und bot ihm einen Sundowner an.
Alexander entschied sich für einen Ouzo. Seinen ersten Ouzo, seit er griechischen Boden betreten hatte.
Theo gesellte sich mit einem Gin Tonic in der Hand zu ihm.
„Schön haben Sie es hier“, sagte Alexander.
„Ich nehme nicht an, dass Sie gekommen sind, um mir Komplimente für mein Anwesen zu machen.“
Verärgert ließ Alexander den höflichen Smalltalk bleiben und kam gleich in medias res. „Ich vertrete eine internationale Investorengruppe, die sich für Ihr Hotel interessiert“, sagte er.
„Sie sind nicht die Ersten.“
„Das kann ich mir gut vorstellen. Aber vielleicht sind wir die Finanzkräftigsten?“
„Ich denke nicht im Traum daran zu verkaufen. Wie kommen Sie, besser gesagt, Ihre Auftraggeber auf diese verrückte Idee?“, fragte Theo. Sein Lachen klang künstlich.
„Es ist alles nur eine Frage des Geldes.“ Alexander machte ihm ein, wie er glaubte, sehr generöses Angebot.
Theos Lachen wurde lauter. „Vergessen Sie es, mein Lieber!“ Er tätschelte Alexanders muskulösen Oberschenkel.
Mit leicht angewidertem Gesichtsausdruck schob dieser Theos Hand weg.
„Wenn mir Laura Ihren Besuch nicht angekündigt hätte, würde ich Sie auf der Stelle rauswerfen, aber Lauras Freunde sind nun einmal auch meine Freunde“, beteuerte Theo mit falschem Grinsen.
Hinter der offenen Terrassentür, geschützt durch einen Vorhang, stand Philip. Er hatte das Gespräch mitangehört. Bei der Erwähnung der immensen Summe, die Alexander geboten hatte, war ihm leicht schwindlig geworden.
Alexander bemühte sich weiter, Theo zu überreden, das Angebot seiner Auftraggeber wenigstens zu überdenken. Er sah aber bald ein, dass er den Hotelbesitzer nicht umstimmen konnte. Aus langjähriger Erfahrung wusste er, wann ein Deal erfolgreich sein würde und wann nicht.
Sie fanden ein anderes Thema, sprachen über die vertrackte finanzielle Lage Griechenlands und waren einer Meinung, dass die Troika, der Internationale Währungsfonds, die Europäische Zentralbank und die Europäische Kommission, Schuld an der ganzen Misere waren.
„Und nicht zu vergessen: die Deutschen! Nicht umsonst hassen die Griechen die Deutschen“, sagte Theo.
Alexander fand ihn gar nicht mehr so übel. Doch dann begann Theo auf die griechische Misswirtschaft zu schimpfen.
Ist dieser Mann ein Querulant, fragte sich Alexander. Hält er es nicht aus, wenn jemand seiner Meinung ist? Muss er aus Prinzip widersprechen? Gerade waren sie sich noch einig gewesen, dass das griechische Volk keine Schuld an der katastrophalen Schuldenkrise des Landes trug. Nun empörte sich der Hotelbesitzer aber lautstark über die Korruption, die in Griechenland blühen und gedeihen würde.
Alexander hatte vor kurzem in einer österreichischen Zeitung gelesen, dass Deutschland führend war, was Korruption betraf. Er unterbrach seinen Gastgeber, erzählte ihm von dieser Statistik.
„Kommen Sie mir nicht mit Statistiken! Sie haben keine Ahnung, was hier los ist. Wie lange waren Sie weg aus Griechenland? Laura hat was von dreißig Jahren erwähnt. Vor dreißig Jahren haben die Griechen erst gelernt, was Demokratie ist.“
„Sind Sie komplett verrückt? Dimokratia ist ein griechisches Wort. Wir haben die Demokratie erfunden, haben die ersten demokratischen Stadtstaaten der Welt gehabt!“
„Ha, jetzt sind wir wieder beim Lieblingsthema der Griechen angelangt: Die glorreiche Vergangenheit! Bis heute scheinen sich alle auf den Lorbeeren der Antike auszuruhen.“ Theo lachte allein über seinen Witz.
„Mehr als die Hälfte aller griechischen Ferienhausbesitzer parken ihr Vermögen in irgendeiner Offshore-Gesellschaft“, fuhr er fort. „Die reichen Griechen zahlen sowieso prinzipiell keine Steuern. Und die kleinen Leute machen es ihnen natürlich nach, bauen nicht einmal ihre Häuser fertig, wohnen lieber in Bauruinen, um sich die Grund- und Vermögenssteuer zu ersparen, denn die zahlt man erst, wenn das Haus fertig ist.“
Ich sollte aufstehen und gehen, sonst erwürge ich ihn noch auf der Stelle, dachte Alexander.
Theo schien zu bemerken, dass er zu weit gegangen war. Er klopfte seinem Gast auf die Schulter und schlug einen versöhnlicheren Ton an, war auf einmal per Du mit ihm: „Nichts für ungut, mein Freund! Ich wollte dich nur provozieren, wollte sehen, wie weit ich gehen kann, bis du mir an die Gurgel springst. Im Grunde hast du recht, die Merkel und ihr ehemaliger Finanzminister haben euch wirklich fürchterlich geschröpft. Dabei schulden sie euch ja Reparationszahlungen in Milliardenhöhe für die Kriegsschäden und all die Verbrechen im Zweiten Weltkrieg, als sie euch überfallen und besetzt haben.“
„Genaugenommen zweihundertneunzig Milliarden. Das griechische Parlament wird demnächst eine Klage einbringen“, sagte Alexander.
„Na, dann könnt ihr ja mit der Wiedergutmachungssumme locker einige Kredite zurückzahlen! Prost, mein Freund!“
Theo war nicht mehr nüchtern. Seine Augen waren glasig, sein Gesicht leicht gerötet. Alexander beschloss, den Mann nicht mehr ernst zu nehmen, stieß mit ihm an und sagte, dass er aufbrechen wolle.
„Das kommt nicht in Frage! Du bleibst zum Essen!“
Nach kurzem Zögern nahm Alexander die Einladung an, da er hoffte, beim Abendessen Laura wiederzusehen.