Читать книгу Wellengrab - Edith Kneifl - Страница 13
II. Teil: Mykonos 7.
Оглавление„Sind sie nicht pittoresk?“, fragte Laura beim Anblick der weißen Windmühlen auf einem braunen Hügel. „Manchmal denke ich, irgendein Tourismusmanager hat sie absichtlich dorthin gestellt.“
„Sie stammen aus dem sechzehnten Jahrhundert“, konnte es sich Christina nicht verkneifen, die Österreicherin aufzuklären. „Mykonos gehört zur Inselgruppe der Kykladen und wurde nach Apollos Enkel Mykons benannt.“
„Das wusste ich nicht.“ Laura bedachte die alte Frau mit neugierigen Blicken.
Sie war flott gekleidet, trug eine marineblaue Leinenhose, ein blau-weiß gestreiftes Matrosenshirt, ohne rotes Herz auf dem Busen, und weiße bequeme Sneakers. Den weißen Seidenschal hatte sie wieder um ihren Kopf geschlungen. Der Wind war stärker geworden.
„Herakles hat die Riesen besiegt und sie ins Meer geworfen. Als sie zu Stein erstarrt sind, ist aus ihnen die Insel Mykonos entstanden“, fuhr Christina fort.
„Eine schöne Geschichte!“, sagte Laura.
„So wie alle griechischen Geschichten.“ Alexander verdrehte die Augen zum Himmel.
Christina ignorierte seinen Scherz. „Wenn Sie sich für die griechische Mythologie und die Antike interessieren, sollten Sie unbedingt einen Ausflug nach Delos machen“, empfahl sie Laura.
„Wegen der Löwen?“
„Ja, aber nicht nur. Die Originale, die die Bewohner von Naxos als Wächter für das Apollon-Heiligtum gespendet haben, befinden sich übrigens im Museum, doch die Kopien im Freien sind ebenfalls sehr beeindruckend …“
Alexander verkrampfte sich plötzlich. Der Revolver, den er hinten in seinem Hosenbund stecken hatte, war verrutscht. Zum Glück verdeckte sein Jackett die seltsame Ausbuchtung auf seinem Hinterteil. Er entschuldigte sich bei den Damen und begab sich auf die Toilette.
Die Stimme der Alten klang in seinen Ohren nach. Er kannte diese Stimme. Sie erinnerte ihn an irgendjemanden. Ihm fiel aber nicht ein, an wen.
„Diese unbewohnte Insel war in der Antike eine der heiligsten Stätten Griechenlands, da Apollo, der Gott des Lichtes, und seine Zwillingsschwester Artemis, die Göttin des Mondes, dort geboren wurden“, bemerkte Christina.
Laura, die sich für die griechische Mythologie begeisterte, seit sie in diesem Land lebte, hörte ihr aufmerksam zu.
„Die riesige Stadt, von der Sie noch die Überreste sehen können, ist circa hundertsechzig Jahre vor Christus entstanden, als Delos ein Freihafen wurde. Reiche Kaufleute und Schiffsbesitzer aus der ganzen Welt haben sich hier niedergelassen und Architekten, Künstler und die besten Handwerker angezogen, die für sie luxuriöse Villen, reich dekoriert mit Fresken und Mosaikböden, errichtet haben. Die kleine Insel ist zum größten Handelsplatz der damals bekannten Welt geworden. Der Reichtum und die freundschaftlichen Beziehungen der Bewohner zu den Römern sind Delos schließlich zum Verhängnis geworden. Achtundachtzig Jahre vor Christus hat Mithridates, der König von Pontus, ein Feind der Römer, die Insel angegriffen und geplündert. Ein paar Jahre später ist sie von Piraten überfallen worden. Das war das endgültige Ende dieser einst so prosperierenden Stadt.“
Als Alexander zu den Frauen zurückkehrte, näherte sich die Fähre langsam der Mole.
Bevor Laura das Schiff verließ, verabschiedete sie sich sehr herzlich von der alten Frau und bat sie um ihre Telefonnummer. „Falls ich einmal nach Ikaria kommen sollte, würde ich Sie gerne wiedersehen und mich länger mit Ihnen unterhalten.“
Nachdem die beiden ihre Telefonnummern ausgetauscht hatten, holte Alexander Lauras Rucksack und seine eigenen Sachen aus dem Gepäckwagen und schleppte Koffer und Taschen zum nächsten Taxistand. Er hatte vor, die Österreicherin zum Boutiquehotel ihres Freundes zu bringen, das laut ihrer Beschreibung hoch oben auf einem Hügel über der Chora lag. Nachher würde er sich unten in der Stadt eine Bleibe suchen.
Der erste Taxifahrer winkte ab, als Laura ihm die Adresse des Hotels nannte. „Da komme ich mit meinem Mercedes nicht rauf …“
Auch der zweite weigerte sich, sie mitzunehmen.
Alexander war nahe daran die Geduld zu verlieren, beherrschte sich jedoch, da er Laura nicht mit einem seiner Wutausbrüche erschrecken wollte. Sie schien sich weniger darüber aufzuregen, dass keiner sie mitnahm.
Ein fast zahnloser Mann mit einem schmutzigen Toyota ließ sich schließlich von Alexanders Zwanzig-Euro-Schein überzeugen.
Als die uralte Kiste auf der extrem steilen Staubstraße fast hängenblieb und bei einer Haarnadelkurve die Hausmauer mit unangenehmem Knirschen streifte, leistete Alexander den anderen Taxifahrern Abbitte.
Ihr Chauffeur hielt auf einem überdimensionierten Parkplatz, auf dem zwei Geländewagen standen. Alexander sah sich erstaunt um. Weit und breit war kein Hotel zu sehen. Allerdings hatte man von hier oben einen fantastischen Blick auf die Chora, das Meer und die benachbarten Inseln.
„Wo ist das Hotel?“, fragte er.
„Rechts, am Rande des Parks“, sagte Laura, die offensichtlich schon mal hier gewesen war.
Erst jetzt sah er zwischen den Bäumen einen weißen zweistöckigen Kubus durchschimmern. Er hätte sie gerne zum Haus gebracht, zögerte aber, als sie sich ihren Rucksack und ihre Tasche schnappte und ihm die Hand hinstreckte.
So schnell wollte er sie nicht gehen lassen. Hastig bat er sie um ihre Handynummer. Da sie nicht gleich reagierte, wurde er nervös. „Oder ich gebe Ihnen meine? Dann können Sie mich anrufen oder nicht … ich meine … ho…hoffe, Sie we…werden …“
Laura verzog den Mund.
Alexander interpretierte ihre Grimasse als Versuch eines Lächelns.
Er hatte sich nicht getäuscht. Sie lächelte tatsächlich, als sie ihm ihre Handynummer verriet. Obwohl … es war eher ein sehr schräges Grinsen.
Wie ein verliebter Schuljunge schrieb er sich die Nummer auf den Handrücken, anstatt sie in sein Handy einzutippen. „Vielleicht werde ich Morgenabend bei Ihnen vorbeischauen, um mit Ihrem Freund über einen eventuellen Verkauf zu reden.“
„Tun Sie, was Sie nicht lassen können. Aber wie gesagt, er wird nicht verkaufen. Theo liebt sein Domizil über alles, glauben Sie mir.“
Laura küsste ihn zum Abschied auf die Wangen. Er strahlte sie an.
Sie lächelte nicht zurück.
„Darf ich Sie morgen gegen Mittag anrufen?“
„Wenn Sie unbedingt wollen …“
„Ich will“, sagte er.