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10.

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Am frühen Morgen wurde Laura vom penetranten Krähen mehrerer Hähne geweckt. Laute, an die sie nicht mehr gewöhnt war. So schnell ließen einen die Geräusche der Großstadt nicht los. Im ersten Moment wusste sie nicht, wo sie war.

Trotz des, laut Theo, funkelnagelneuen Boxspringbettes hatte sie nicht besonders gut geschlafen. Nach den vier Wochen auf dem durchgelegenen Bettsofa ihrer Freundin und ehemaligen Geschäftspartnerin Marlene in Wien war ihre Wirbelsäule beleidigt. Außerdem hatte sie einen schweren Kopf und eine verstopfte Nase von der Klimaanlage sowie ein Dutzend Gelsenstiche auf Armen und Beinen.

Verkatert warf sie einen Blick aus dem Fenster. Still und friedlich lag die große Bucht tief unter ihr. Die weiße Chora erstrahlte golden im Morgenlicht, das Meer glitzerte. Zu viel Glanz für ihre verschwollenen Augen.

Die Vegetation rund um das Hotel und in dem dazugehörigen Park stand in voller Blüte: Bougainvillea, Oleander und exotische Blumen, deren Namen sie nicht kannte.

Sie beschloss, auf ihre lächerlichen Wehwehchen zu vergessen und den schönen Tag zu genießen.

Bevor sie ihre Suite verließ, schaute sie hinter das Haus. Bizarre Felsformationen, Macchia und dichtes Gebüsch. Auf einem von einer niedrigen Steinmauer umgebenen, ungepflegten Grundstück weideten Ziegen und ein paar Schafe. Ein schreiender Esel und zwei lästige Hähne schreckten die Hühner auf.

Im Hotel schienen trotzdem noch alle zu schlafen.

Ein Irrtum, wie sie feststellte, als sie in die ultramoderne Küche ging, um sich einen Espresso zu machen. Der philippinische Boy, der sie gestern Abend bedient hatte, hantierte bereits mit Tassen, Tellern und Pfannen herum.

Sie ging nach draußen auf die Terrasse.

Theos Hotel lag am höchsten Punkt der Chora und war nur über die eine steile, nicht asphaltierte Gasse zu erreichen. Ein Wagen mit Allradantrieb war nicht unbedingt notwendig, wie sie gestern festgestellt hatte, der zahnlose Taxifahrer hatte die engen Kurven und die tiefen Schlaglöcher mit seinem uralten Toyota bravourös gemeistert.

Am Ende seines Grundstücks hatte Theo, versteckt hinter exotischen Büschen und Palmen, einfache Steinhäuschen für das Personal errichten lassen. Unverputzte Mäuerchen umgaben die Terrassen der Gästezimmer im Erdgeschoß des Hotels. Der Blick war von jeder Terrasse aus umwerfend. Die ganze Bucht von Mykonos-Stadt lag einem zu Füßen. Bei klarem Wetter sah man das winzige Eiland Renia und in der Ferne auch die Inseln Syros und Tinos.

Theo beschäftigte offensichtlich lauter hübsche Asiaten in seinem Hotel. Laura hatte Probleme, sie auseinanderzuhalten. Vor allem zwei der Boys sahen einander verblüffend ähnlich. Als sie auf der Terrasse unter einem riesigen Sonnenschirm Platz nahm, servierten ihr diese beiden Männer das Frühstück. Sie stellten sich als Rommel und Jomel vor.

„Einen von euch kenne ich. Wer hat gestern Abend Dienst gehabt?“

Jeder deutete auf den anderen.

„Seid ihr Zwillinge?“, fragte Laura.

Kichernd verneigten sie sich mehrmals mit völlig synchronen Bewegungen.

Während sie den Schafskäse und die exotischen Früchte kostete, wurde sie von Theos übrigen Angestellten näher in Augenschein genommen.

Einer der Zwillinge, sie hielt ihn für Rommel, stellte ihr die Burschen vor: „Das ist On, unser Koch, er kommt aus Thailand. Sein Name bedeutet Waffe eines Gottes. On ist tatsächlich unsere schärfste Waffe!“, sagte er mit ernster Miene.

„Und du bist Rommel, oder?“

„Nein, Jomel.“ Er deutete auf den Anhänger seines goldenen Halskettchens, einen Kopf der Jungfrau Maria. „Rommel trägt ein Eisernes Kreuz, wie sein deutscher Namensvetter.“

„Wie bitte?“ Laura verzog das Gesicht.

Jomel antwortete nicht. Er schien sich vor dem älteren On, der ein buntes Kopftuch um sein Haar geschlungen hatte, zu fürchten. On servierte Laura gerade höchstpersönlich ein Omelett. Jomel hatte sich ein paar Schritte vom Tisch entfernt und beäugte den Koch beinahe ehrfürchtig.

Zwei Männer reinigten den Pool. Nachdem On wieder gegangen war, deutete Jomel auf die beiden. „Pana und Chai kommen ebenfalls aus Thailand. Sie putzen die Zimmer.“ Verächtlich verdrehte er die Augen zum weißblauen Himmel.

Laura glaubte, die Hierarchie im Hotel Flamingo begriffen zu haben. Die philippinischen Zwillinge schienen für den Service zuständig zu sein und fühlten sich daher den putzenden Thais überlegen, dem thailändischen Koch jedoch unterlegen. Als ein finster dreinblickender Mann aufkreuzte und ihr einen flüchtigen Blick schenkte, geriet ihre Theorie ins Wanken.

„Das ist Kai, unser Gärtner und Haustechniker. Er ist Vietnamese“, flüsterte Jomel und machte sich rasch aus dem Staub.

Sie bemühte sich, all diese exotischen Namen zu behalten.

„Hallo Kai“, sagte sie zu dem Mann, der mit einer riesigen Heckenschere in den Händen auf sie zukam. In diesem Moment gesellte sich auch Theo zu Laura.

Der Vietnamese erwiderte weder ihren Gruß, noch begrüßte er seinen Chef, blieb einfach stehen und starrte sie an.

„Was hast du hier verloren?“, herrschte Theo ihn an.

Der Herr des Hauses schien mit dem falschen Fuß aufgestanden zu sein. Er war immer schon sehr launenhaft gewesen, einerseits übertrieben höflich und scheißfreundlich, andererseits aufbrausend und aggressiv. Sie war nicht gewillt, auf seine schlechte Laune Rücksicht zu nehmen.

„Hast du seit Neuestem ein Faible für Asiaten?“, fragte sie ihn.

„Ah, du hast meine Mannschaft bereits kennengelernt. Sie sind neugierig. Allzu oft bekommen sie bei mir keine Frau zu Gesicht. Zwar verirren sich manchmal auch Heteropärchen hierher, aber zu neunzig Prozent sind meine Gäste männlich und schwul.“

„Dein Koch und dein Gärtner scheinen harte Burschen zu sein.“

„Zumindest geben sie sich so. Keine Angst, sie sind beide heilfroh, bei mir arbeiten zu dürfen. Ich zahle besser als die meisten Griechen. On ist ein Spitzenkoch, ich habe ihn in einem Touristenschuppen auf Rhodos entdeckt. Der Bursche hat echt was los, könnte locker in der Wiener oder Berliner Gourmetszene reüssieren, wird es aber nicht bis Mitteleuropa schaffen, das weiß er ganz genau. Der Vietnamese kommt aus Hanoi, ist eigentlich Architekt und ein finsterer Bursche. Ziemlich aufsässig. Erst gestern habe ich ihm gedroht, ihn abschieben zu lassen, wenn er sich weiterhin so unverschämt aufführt.“

Laura missfiel Theos Ton. Sie hielt sich zurück, hatte keine Lust auf ein Streitgespräch. Trotzdem konnte sie sich eine spitze Bemerkung nicht verkneifen: „Das klingt verdächtig nach Sklavenhaltung.“

„Auf Mykonos gab es einst den größten Sklavenmarkt der Antike. Ich setze also eine alte Tradition fort.“

„Und was ist mit Rommel und seinem Eisernen Kreuz?“

„Manche Philippiner haben eine gewisse Vorliebe für Deutschland. Kein Wunder, wenn man daran denkt, was ihnen die Amis angetan haben.“

Theos herzliches Lachen hatte sie schon immer unwiderstehlich gefunden, dennoch hakte sie nach: „Du meinst für Nazi-Deutschland?“

„Nein, die haben keine Ahnung von Politik. Der Nazi-Feldmarschall Rommel war halt ein berühmter Mann, den man auch auf den Philippinen kannte. Und das Eiserne Kreuz für das Kettchen habe ich mal in Berlin auf einem Flohmarkt gefunden und Rommel für seine Verdienste als Chef de Service geschenkt – rein aus Spaß …“

„Sehr witzig!“

„Seit wann bist du so humorlos?“

„Anscheinend tut dir die viele Sonne nicht gut.“

Theo legte den Arm um ihre Schultern, zog sie an sich: „Immer noch die gestrenge, politisch korrekte Laura?“

„Du nervst!“ Verärgert schob sie seinen Arm weg.

„Möchtest du vielleicht ein Gläschen Champagner?“

„Nein, danke. Ich saufe seit Lorenz’ Tod sowieso zu viel. Vor allem in Wien habe ich Unmengen getrunken. Diese Stadt deprimiert mich nach wie vor. In Griechenland bemühe ich mich immer, erst nach Sonnenuntergang mit dem Trinken zu beginnen.“

„Guter Vorsatz. Habe ich auch mal probiert, bin erbärmlich gescheitert. Also, was ist jetzt, Champagner, ja oder nein?

„Nein!“

Wellengrab

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