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11.

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Lauras Mann war Alkoholiker gewesen. Sie hatte eine Zeitlang versucht mitzuhalten. Während ihrer Ehe hatte es aber öfter auch alkoholfreie Zeiten gegeben. Vor allem wenn sie eine neue Kollektion entworfen hatte. Alkohol war Gift für ihre Kreativität. Im Suff fand man alles großartig. Am nächsten Tag landeten die Scheußlichkeiten dann im Müll. Ihr Mann hingegen hatte geglaubt, seinen Job als Modefotograf nur ertragen zu können, wenn er einen gewissen Pegel hatte.

Seit sie in Griechenland lebte, trank Laura weniger. Doch in den letzten vier Wochen in Wien bei ihrer besten Freundin war sie rückfällig geworden. Das Trauma war mit voller Wucht hochgekommen. Sie hatte viel öfter an den tödlichen Unfall ihres Mannes denken müssen als in Griechenland. Manchmal befürchtete sie, ebenfalls eine Spiegeltrinkerin zu werden, die täglich ihr Quantum benötigte, um Schuld und Schmerz nicht mehr zu spüren. Wenigstens nahm sie mittlerweile keine Schlaftabletten mehr. Die Kombination war zu gefährlich.

„Schaff das Sprudelzeug weg! Bring mir lieber einen Gin Tonic!“, rief Theo den philippinischen Boys zu. „Erzähle mir, wie es unseren Freunden in Wien geht. Vielleicht macht mich das genauso schnell high wie Champagner. Haben sie schon alle einen Herzinfarkt hinter sich oder zumindest ein Burn-out?“

„Arschloch“, murmelte Laura, unterhielt ihn dann jedoch mit Klatsch und Tratsch aus der Wiener Modeszene.

Während sie ihre gemeinsamen Freunde ausrichteten, besserte sich Theos Laune. Auch Laura tat die Lästerei gut. Ihre Freunde waren ihr gewaltig auf die Nerven gegangen, obwohl sie ihrer Trauzeugin und früheren Geschäftspartnerin Marlene dankbar war, dass sie in deren ehemaliger Studentenwohnung einen Monat lang kostenlos wohnen durfte. Außerdem hatte Marlene ihr Arbeit angeboten.

„Ich nehme an, Marlene ist mittlerweile aus dem Leim gegangen, hat einen Arsch wie ein Pferd?“, sagte Theo grinsend.

„Nach drei Kindern ist das kein Wunder, oder?“

„Und euer Label führt sie allein weiter?“

„Sie macht nicht mehr viel. Ihr fehlt es an Zeit und Muße. Ihren Laden sperrt sie nur von Mittwoch bis Samstag auf. Außerdem hängen dort kaum mehr Sachen von uns, sondern ausgeflippte, witzige Klamotten von jungen Wiener Designerinnen. Übrigens hat sie versucht mich zu überreden, wieder bei ihr einzusteigen. Sie meinte, die Designarbeit könnte ich von Griechenland aus erledigen. Ihr schwebt eine neue Kollektion mit Strandkleidung und Accessoires für den Sommer nächsten Jahres vor. Marlene war immer schon die Geschäftstüchtigere von uns beiden.“

„Und? Hast du dich weichklopfen lassen?“

„Ich habe mich noch nicht entschieden, ihr nur versprochen, darüber nachzudenken. Eigentlich habe ich von der Modebranche die Nase voll.“

„Mich wundert es, dass sie nicht ganz aufgegeben hat. Kreativität hat nie zu ihren Stärken gezählt. Marlene mag zwar eine gute Verkäuferin sein, entworfen hast all die hübschen Sachen aber du.“

„Nein, das stimmt nicht. Anfangs hat sie viele grandiose Ideen gehabt. Erinnerst du dich an die verrückten Hüte? Du hast fünf Stück davon bestellt. Als dann Gerd aufgetaucht ist, hat sie sich halt mehr um ihn als um ihre eigene Karriere gekümmert.“

„Ach ja, was macht denn der Herr Steuerberater? Geld scheffeln, was sonst, oder?“

„Gerd ist ein ganz Lieber, sonst hätte er sich längst von ihr getrennt. Sie hat ihn fast ruiniert.“

„Eine Scheidung bei drei Gschrappen? Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee wäre. Marlene würde ihn ausnehmen wie eine Weihnachtsgans.“

Laura hatte genug von den ätzenden frauenfeindlichen Bemerkungen ihres Freundes. Marlene war sehr anstrengend, aber sie war ihre beste Freundin seit Studententagen. Nach dem Ende ihres Studiums hatten sie gemeinsam das Modelabel LAMAR gegründet. Der Name setzte sich nicht nur aus den Anfangsbuchstaben von Lauras Vor- und Nachnamen zusammen, sondern auch aus den Anfangsbuchstaben ihrer beider Vornamen. Kurze Zeit später eröffneten sie eine Boutique im ersten Bezirk und verdienten sich vor dem Ausbruch der Eurokrise 2010 dumm und dämlich. Die schwierigen Jahre, die folgten, überlebten sie dank Lauras Idee, erschwingliche Freizeitkleidung für junggebliebene, dynamische Powerfrauen anzubieten. Als Laura 2015 ausstieg, hatte Marlene ihr eine ordentliche Abfindung gezahlt. Kurz danach hätte sie das Geschäft fast zusperren müssen, wenn ihr Mann ihr nicht unter die Arme gegriffen hätte.

Theo hat leicht reden, dachte Laura, er hatte rechtzeitig, bevor sich die Auswirkungen der Krise auf dem Kunstmarkt bemerkbar machten, den Absprung geschafft.

„Ich möchte heute an den Strand“, sagte Laura gereizt. Sie hatte das Meer einen ganzen Monat lang schmerzlich vermisst. Das Wetter war prächtig. Das Thermometer war auf sechsundzwanzig Grad geklettert. Wolkenloser Himmel, ruhiges, glasklares Wasser.

„Du kannst meinen Jeep nehmen.“

„Soll ich zur Paradise Beach fahren?“

„Vergiss Paradise Beach! Außer du stehst auf Ballermann. Ordinäre, halbnackte Gören hopsen dort zu elektronischen Klängen auch tagsüber auf den riesigen Tischen herum. Ich habe nichts gegen Tabledance, in unseren Clubs scheint das ebenfalls in zu sein, doch der Anblick all dieser schwabbelbäuchigen Heteros, die sich mit ihren Mobiltelefonen wie Pornofilmer gebärden und den Girlies kleine Scheine zwischen ihre mit Cellulitis befallenen Arschbacken stecken, verursacht mir üble Magenbeschwerden. Aus den Bars dröhnt ständig laute Musik. Hiphop oder Techno statt Sirtaki. Das Wummern der Bässe an den Traumstränden ist im Umkreis von ein paar Kilometern zu hören. Bier, Wodka und Gin fließen in Strömen. Dort treiben sich nur mehr Prolos herum.“

„Und welchen Strand kannst du mir empfehlen?“

Er zögerte.

„Gar keinen?“

„Eventuell die Kalafati Beach im Osten. Du magst Sandstrände, oder?“

Laura nickte.

„Auch die Ftelia Beach im Norden ist okay. Ein relativ ruhiger Sandstrand mit einem netten Restaurant. Außerdem gibt es dort archäologische Funde aus der Jungsteinzeit: Keramik, Steinfiguren, Fragmente von Gebäuden …“

„Ich will schwimmen, nicht ins Museum.“

„Die Strände im Süden kannst du im Prinzip fast alle vergessen! Philip steht auf die Elia Beach, wegen ihres karibischen Touchs. Aber die ist nur mit einem der Badeboote erreichbar. Am wärmsten ist das Wasser in der Pinky Beach. Eine hübsche, geschützte Bucht. Im Juli und August wird es dort sehr voll, jetzt geht es aber noch.“

„Also, wo soll ich jetzt hin?“ Lauras Geduld hatte Grenzen.

„Warte, ich hab’s. Fahr zur Livadi Beach, die ist sehr malerisch. Schau dir aber trotzdem zuerst die Super Paradise Beach an. Sie ist sozusagen eine der Sehenswürdigkeiten von Mykonos. Nach ihr wurde der Ralf-König-Comic Super Paradise benannt. Wenn du Glück hast, kannst du dort ein paar hübsche Männerhintern in Stringtangas bewundern. So oft kriegst du in deinem Alter so was Knackiges nicht mehr zu Gesicht, nehme ich an. Selbst ich lasse mich manchmal an diesem Strand sehen. Ehrlich gesagt nur, wenn ich besoffen bin, denn mein Arsch ist leider nicht mehr so toll in Form. Aber dem werde ich bald abhelfen. Ich habe bereits einen Termin für nächsten Winter bei unserem österreichischen Schönheitschirurgenpapst in Wien vereinbart.“

„Willst du dir das Fett absaugen lassen?“

„Ein komplettes Arschlifting ist angesagt.“

„Du spinnst!“

Lachend drückte Theo ihr einen Kuss auf den Mund.

„Lass das, du Idiot“, sagte Laura.

„Warum gehst du nicht Shoppen? Das Einzige, das man auf Mykonos wirklich gut kann, ist Shoppen. Wir haben die schnuckeligsten Boutiquen. Vielleicht werden dich diese originellen Kreationen von griechischen Designern wieder inspirieren.“

„Du meinst, ich bräuchte ein bisschen Nachhilfe? Danke für das Kompliment!“

„Sei nicht so ein verdammter Snob. Deine coolen Neunzigerjahre-Klamotten, mit denen du am Beginn des neuen Jahrtausends in Österreich diverse Preise für junge Designer eingeheimst hast, sind out. Verspieltes Ethno- und Hippiezeugs ist momentan gefragt. Viel Klimbim und grelle Farben …“

„Vielen Dank für deine fachmännische Beratung, lieber Theo. Bevor ich so ein geschmackloses Outfit, wie du es bevorzugst, entwerfe, werde ich lieber Kellnerin in der Strandbar unter meinem Haus. Schau mal in den Spiegel, du siehst aus wie ein Clown.“

„Oh, oh, jetzt gibst du’s mir wieder! Hau lieber ab, Schätzchen! Amüsiere dich mit den Jungs am Strand, falls du einen findest, der nicht schwul ist. Ich glaube, du brauchst einen anständigen Fick, du kommst mir ein bisschen verbittert vor.“

Seine zynischen Schmähs hatte sie früher cool gefunden. Inzwischen waren sie ihr zuwider. Bevor sie ihn ohrfeigen würde, ließ sie ihn lieber mit seinem Frust allein. Sie konnte es sich aber nicht verkneifen, ihm wenigstens verbal eine zu verpassen: „Du bist ein richtiges Ekel geworden. Ich weiß nicht, was mit dir los ist. Wenn du so weitermachst, wirst du bald keine Freunde mehr haben.“

Theo wollte ihr einen Klaps auf den Po geben. Geschickt wich sie aus und ging ins Haus. Aus den Augenwinkeln nahm sie wahr, wie er einen der philippinischen Boys herbeiwinkte. Der nächste Gin Tonic war angesagt.

Sie nahm sich fest vor, in Zukunft weniger zu trinken. Theo war ein abschreckendes Beispiel. So wie er wollte sie nicht enden.

Wellengrab

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