Читать книгу Herz-Sammelband: Elisabeth Bürstenbinder Liebesromane - Elisabeth Bürstenbinder - Страница 17
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ОглавлениеIm Hochgebirge hatten die Stürme während der letzten Tage wieder mit verheerender Gewalt gewüthet. Ausgetretene Bergwasser, entwurzelte Bäume, niederstürzendes Felsgeröll hatten die Wege unpassirbar gemacht und die höher gelegenen Bergorte, wie N., gänzlich von der Ebene abgeschnitten. Die Verbindung damit war fast ganz abgebrochen, denn die Gebirgsbewohner, die allenfalls noch zu Fuße hinauf- oder heruntergelangen konnten, scheuten sich, ohne Noth den gefährlichen und mühseligen Weg zu machen.
Um so mehr wunderte sich der rüstig voransteigende Bauer, daß die junge Dame, welche ihm folgte, dies Wagniß unternehmen wollte. Sie war mit ihrem Wagen nur ungefähr bis zur Hälfte des Weges gekommen, da erwies sich die Weiterfahrt als unmöglich, aber vergebens bat sie der alte Kutscher mit Thränen in den Augen, zurückzubleiben, vergebens warnten die Dorfleute, sie hatte erklärt vorwärts zu müssen, nach N. hinauf zum Pfarrer Clemens, wie sie sagte, hatte einen der Männer durch das Anerbieten eines reichlichen Lohnes bewogen, ihren Führer zu machen, und setzte nun wirklich die Reise mit ihm zu Fuße fort.
Es war ein arger Weg, er zeigte überall noch die Verheerungen des Sturmes, der sich glücklicherweise während der Nacht gelegt hatte. Der Führer blickte sich oft genug besorgt um nach seiner schweigsamen Begleiterin, ob sie auch überhaupt zu folgen vermöge, woran er ernstlich zweifelte; freilich sie war jung und leichtfüßig, aber doch gar zu zart für solchen Gang und für solches Wetter, zudem waren ihre Schuhe so entsetzlich dünn und fein, jeder Tritt mußte sie ja schmerzen hier auf den scharfen Steinen, und der Regenmantel, der über die leichte Kleidung geworfen war, schützte sie auch nicht viel vor dem noch immer scharfen Bergwinde. Sie schien aber Beides nicht zu empfinden, sondern folgte unverdrossen, ohne Ausruhen und ohne Klage, als kenne sie weder Ermüdung noch Furcht.
Ungefähr eine Stunde lang waren sie so vorwärts gegangen und erreichten jetzt eine freiere Höhe. Zur Seite des Weges stand ein roh geschnitztes Heiligenbild, das auch dem Sturme zum Opfer gefallen war, das hölzerne Schutzdach war zertrümmert, das Bild selbst lag zerschmettert am Boden, nur der Pfahl, der es getragen, stand noch zur Hälfte aufrecht, von dem moosigen Felsstück gehalten, an das er sich lehnte. Unten am Abhange, nur einige hundert Schritte entfernt, lag ein einsames, armseliges Gehöft, das halb verdeckt durch die Tannen gänzlich öde und ausgestorben schien.
Auf der Höhe angelangt blieb das junge Mädchen plötzlich stehen und berührte den Arm ihres Begleiters.
„Wir müssen ausruhen! – Ich kann nicht weiter!“
Der Bauer sah sich um und erschrak, denn er gewahrte jetzt erst die tiefe tödtliche Erschöpfung in ihren Zügen und in ihrer ganzen Haltung, die Brust hob und senkte sich schwer von der ungewohnten Anstrengung, das Gesicht unter den braunen Locken war erschreckend bleich – sie hatte augenscheinlich ihre Kräfte auf’s Aeußerste angespannt, bis sie ihr versagten.
Der gutmüthige Führer geleitete sie rasch zu dem moosbedeckten Felsstück und ließ sie niedersitzen, aber er schüttelte bedenklich den Kopf.
„Das wird nimmermehr gut, Fräulein, Sie kommen nicht weiter! Wir wollen lieber umkehren, Sie halten’s nicht aus!“
Sie machte eine heftig verneinende Bewegung. „Nein, nein, es geht vorüber! Ich bin nur müde, lasten Sie mich einige Minuten ausruhen! Haben wir noch weit bis N.?“
„Zwei volle Stunden bis zur Wallfahrtskirche, und dann noch ein gutes Stück bis zum Dorfe hinauf, denn die ‚wilde Klamm‘ ist jetzt nicht zu passiren. Das Schlimmste vom ganzen Wege haben wir noch vor uns!“
Das junge Mädchen schauerte leise zusammen, ob vor dem Wege oder vor dem Orte, den er nannte, sie gab keine Antwort. Der Bauer begriff trotzdem, daß von Umkehr nicht die Rede sei, er blieb also an ihrer Seite stehen und wartete geduldig auf den Wiederaufbruch.
„Hab’ ich doch gemeint, wir Zwei seien die Einzigen unterwegs!“ begann er plötzlich wieder, „und da kommt Hochwürden der Herr Caplan grade vom Ecken-Hof herunter! Der scheut auch nicht Weg, nicht Wetter, er ist wahrhaftig heute von N. gekommen, weil im Ecken-Hof ein Krankes liegt!“
Es war in der That der junge Caplan des Pfarrer Clemens, der aus dem Gehöfte hervorkam und gleichfalls die Höhe erstieg, er blickte flüchtig auf den Bauer, der ehrfurchtsvoll grüßend am Wege stand, und mit seiner breiten Gestalt völlig die des jungen Mädchens verdeckte.
„Bist Du auch unterwegs, Ambros?“ fragte er im Vorübergehen.
„Ja, Hochwürden, aber nicht allein! Ich verdiene mir ein Führerlohn bei der Dame da –“ er wich bei den letzten Worten seitwärts und gab den Anblick seiner Begleiterin frei, kam aber nicht weiter in seinen Auseinandersetzungen, denn was er sah, dünkte ihm doch etwas befremdlich.
Der Caplan stand da – als habe einer der Berggeister, von denen die Sagen des Gebirges erzählen, ihn auf einmal berührt und in Stein verwandelt, nur das Auge flammte auf, groß und dunkel, und nur der Blick allein redete, aber er sagte genug. Sie war wohl mehr dämonisch als zärtlich, diese Gluth, die so plötzlich wieder aus der Tiefe hervorbrach, aber sie schien auch das einzige Leben zu sein in diesen starren Zügen.
Auch das junge Mädchen war aufgezuckt bei seinem Erscheinen und einen Augenblick schien es, als wolle der heiße Purpur wieder ihr Antlitz überfluthen, doch es kam nicht dazu, kaum daß ein schwacher Hauch von Röthe es überflog, und auch der schwand schon in der nächsten Minute, um der früheren tiefen Blässe wieder Platz zu machen. Ihre Kräfte hätten doch wohl nicht ausgereicht zu dem ganzen Wege, aber wenn diese unerwartete Begegnung, die sie ja allein nur suchte, ihr auch erwünscht kam – leichter war ihr dabei nicht geworden.
„Das Fräulein will nach N. zum Pfarrer Clemens,“ nahm der Bauer endlich das Wort, als er sah, daß Niemand von den Beiden redete.
„Das ist jetzt nicht mehr nöthig!“ unterbrach ihn seine Begleiterin leise, aber mit sichtbarer Anstrengung. „Ich kann auch – ich werde es auch dem Pater Benedict mittheilen können, was mich herführte. Erwarten Sie mich dort unten im Gehöft, in einer Viertelstunde bin ich wieder bei Ihnen.“
Der Bauer nickte und nach nochmaligem ehrfurchtsvollem Gruße gegen den Caplan trollte er ab. Er war sehr froh, sein Führerlohn so leichten Kaufes verdient zu haben, ohne den beschwerlichen Weg machen zu müssen, und fand es gar nicht auffallend, daß auch die junge Dame diesen scheute und es deshalb vorzog, sich dem Caplan anzuvertrauen, der ihre Botschaft oder ihr Anliegen ja jedenfalls dem Pfarrer überbrachte. Er sprach einstweilen in dem Gehöfte ein und wartete dort verabredetermaßen.
Benedict und Lucie waren allein zurückgeblieben. Sie befanden sich hier in halber Höhe des Gebirges, das einen seiner großartigsten Punkte vor ihnen aufrollte. Dort drüben thürmten sich in schwindelnder Höhe die riesigen Gipfel der „steilen Wand“ empor; sie war völlig klar heute, weißleuchtend lag der Schnee auf den Spitzen, in den Schluchten und Scharten des gigantischen Felskolosses, aber noch jagte graues Sturmgewölk darüber hin und warf ein trübes, mattes Licht auf ihn und auf die ganze Umgebung. Ringsum nur Tannenwipfel, so weit das Auge reichte, an den Bergen, an den Felswänden, bis dort hinauf, wo der Schnee begann, überall nur das einförmige ewig dunkle Grün und tief unten im Thale der Bergstrom, der wie ein kochender Strahl aus den Tannen hervorbrach, zwischen ihnen verschwand und sich dann weiß schäumend auf’s Neue hervorwand, sein dumpfes Brausen drang fern und undeutlich herauf, der einzige Laut in der großartigen schweigenden Einsamkeit.
„Sie wollten zu Pfarrer Clemens, mein Fräulein?“ begann Benedict endlich die Unterredung.
Lucie schüttelte das Haupt. „Nicht zu ihm,“ entgegnete sie leise; „ich hoffte, Sie am sichersten dort zu finden. – Ich suchte Sie allein!“
„Mich!“ Es war ein stürmisches Aufwogen in seiner Stimme, aber es sank sofort wieder bei dem Blick auf ihr Gesicht. Was war aus diesem Kinderantlitz geworden, seit er es zum letzten Male gesehen! „Mich!“ wiederholte er langsam, „und was konnte Sie zu mir führen?“
Lucie schwieg. Jetzt, wo sie vor der Entscheidung stand, drohte der Muth zusammenzubrechen, der sie bisher aufrecht erhalten, sie hatte den Bruder retten wollen und fühlte doch jetzt, daß sie zu viel unternommen, daß sie eher seine Gefangenschaft, seine Gefahr ertragen hätte, Alles – nur nicht seine Rettung um diesen Preis!
Benedict sah den Kampf in ihren Zügen. „Kostet es Ihnen so schwere Ueberwindung, auch nur das Wort an mich zu richten?“ fragte er bitter. „Ich begreife es, nach dem, was geschehen ist, aber Sie werden sich doch wohl entschließen müssen, noch einmal zu dem Verhaßten zu sprechen, wenn ich anders Ihren Wunsch erfahren soll!“
Er zog den Mantel fester um die Schultern. Luciens Blick heftete sich wie in angstvollem Forschen auf diesen Mantel von dunklem einfachen Tuche, als suche oder – fürchte sie dort etwas, aber der Saum verschwand völlig in den Falten, er ließ sich nicht verfolgen.
„Ich habe eine Frage an Sie,“ sagte sie endlich fast unhörbar, „und eine Bitte!“
„Nun wohl, ich warte.“
Es lag eine seltsame Härte in dem Ton, es war überhaupt etwas Hartes, Starres in seinem ganzen Wesen; Lucie wußte wohl, daß es schwinden würde, wenn sie das Auge zu ihm emporhob, aber sie wußte auch, daß es um ihre Fassung geschehen war, wenn er sich jetzt nicht herb und hart zeigte, ihr Blick blieb an den Boden geheftet.
„Es betrifft den Tod des Grafen Rhaneck –“
Sie schwieg plötzlich, es schien ihr, als sei er aufgezuckt bei dem Namen, aber eine Antwort erfolgte nicht.
„Man sagt, er sei –“ sie hielt wieder inne, das entsetzliche Wort konnte nicht über ihre Lippen, „es sei kein bloßes Unglück gewesen, dem er zum Opfer gefallen.“
Wieder dies entsetzliche Schweigen. Benedict blieb stumm, Lucie wagte es noch immer nicht, ihn anzublicken, aber sie raffte den letzten Rest ihrer Kraft zusammen.
„Die Gerichte haben sich bereits der Sache bemächtigt. Man beschuldigt meinen Bruder – er ist gestern verhaftet worden.“
Jetzt zum ersten Male zuckte er wirklich auf, sie sah, wie seine Hand sich krampfhaft ballte.
„Günther? Ah!“
Es war ein Ausruf halb der Wuth und halb des Entsetzens, aber es blitzte dabei etwas wie ein Hoffnungsstrahl auf in der Seele des jungen Mädchens.
„Sie wußten es nicht?“
„Wir sind seit drei Tagen abgeschnitten von der Ebene, selbst die gewöhnlichen Boten kommen nicht mehr zu uns herauf. Ich ahnte nicht, daß man überhaupt Verdacht hegte, sonst –“
„Sonst wären Sie gekommen und hätten Bernhard gerettet – ich wußte es!“
Benedict trat zurück und sah sie starr an, aber das vollste Entsetzen lag in diesem Blick. „Ich? Lucie, allmächtiger Gott, wer hat Sie gelehrt die Rettung bei mir zu suchen?“
Die bebenden Lippen des jungen Mädchens versagten ihr fast die Worte. „Ich – ich ahnte es, daß die Hülfe nur hier zu finden sei. Mein Bruder ist gefangen, seine Ehre, sein Leben steht auf dem Spiel. Retten Sie ihn!“
Jetzt endlich sah Lucie Benedict an, aber es war ein Ausdruck der Todesangst in diesem Blick, und doch galt ihr Flehen in diesem Augenblick nicht dem Bruder. Nicht die Verweigerung, die Gewährung der Bitte war es ja, die sie fürchtete. Wäre er jetzt befremdet zurückgetreten, hätte er gesagt: „Ich kann nicht, mein Fräulein, mir fehlt jede Macht dazu“ – ihr eignes Leben und Bernhard’s Freiheit hätte sie hingegeben für das eine Wort aus seinem Munde, aber dies Wort kam nicht, er sah sie an, nur einen Moment lang, dann wandte er sich plötzlich ab und – schwieg.
Lucie wußte genug! Sie schlang den Arm um den noch aufrecht stehenden Stamm des gestürzten Heiligenbildes und lehnte halb bewußtlos das Haupt an das feuchte Holz. Einige Secunden vergingen so, sie standen so nahe bei einander und doch gähnte eine Kluft zwischen ihnen, tiefer als jene, in der Ottfried den Tod gefunden. Ueber ihnen der graue Himmel mit den jagenden gährenden Wolkenmassen, um sie her die rauschenden Tannenwipfel und tief unten der Fluß mit seinem dumpfen Brausen.
Erst Benedict’s Stimme rief das junge Mädchen wieder zur Besinnung zurück, er stand jetzt neben ihr.
„Ich will nicht fragen, wer Ihnen das Geheimniß verrathen hat, das Sie wissen müssen, um so mit mir zu sprechen, aber Sie kamen zur rechten Zeit. Zittern Sie nicht so angstvoll um den Bruder, Lucie, seine Gefahr ist zu Ende mit meinem Schweigen! Hätte ich gewußt, daß der Verdacht sich auf einen Unschuldigen richtet, es wäre längst gebrochen. Ich habe jetzt nichts mehr zu schonen.“
Lucie ließ die Stütze fahren und richtete sich empor. „Sie kennen also – den Thäter?“
Es folgte eine secundenlange Pause. „Ja!“ sagte er endlich schwer.
„Und Sie werden ihn nennen?“
„Ich werde!“
„Ich danke Ihnen!“ Sie wandte sich um und wollte gehen, aber es war jetzt zu Ende mit ihrer Kraft. Die Last war auch zu schwer für das junge Wesen, das bis vor wenig Tagen noch kaum gewußt hatte, was Schmerz sei, sie schwankte und war im Begriff zu sinken, doch in demselben Moment war Benedict auch schon an ihrer Seite und fing sie in seinen Armen auf.
„Lucie!“
Sie zuckte zusammen bei der Berührung seiner Hand, als habe die Spitze eines Messers sie getroffen; ihre ganze Gestalt bebte krampfhaft in seinen Armen und doch entzog sie sich ihnen nicht.
„Lucie, verdammst Du mein Schweigen? Es war das letzte Opfer, das ich Jenen brachte! Der Orden befahl und ich gehorchte, aber jetzt werde ich reden, und brächte das Wort mir auch zehnfaches Verderben. Ich habe den Muth, die ganze Wuth des Klosters herauszufordern, aber ich ertrage es nicht, daß Du, Du Dich so von mir wendest!“
Mitten durch die starre Härte seines Wesens brach wieder der Ton der alten Weichheit, brach ein Strahl heißer, leidenschaftlicher Zärtlichkeit, und der Ton, der Blick, sie scheuchten Alles weg, was so drohend zwischen ihnen stand; stumm, bebend noch, aber mit dem Ausdruck unendlicher Hingebung legte Lucie das Haupt an seine Schulter und sah zu ihm auf – er las es jetzt auch in diesen Augen, daß er nicht mehr gehaßt wurde.
Er hatte nichts von dem berauschenden Glück der Liebe, dieser Augenblick, wo sich zwei Herzen endlich fanden. Wohl wollte es aufglühen in den Zügen des jungen Priesters, aber eine Eiseshand schien dort Alles niederzuhalten und das liebliche Antlitz, das zu ihm emporblickte, war bleich wie der Tod. Und dennoch, für den Moment versank alles Andere um sie her, selbst die düstere Felsenkluft mit den unheimlich zischenden Wellen und ihrem gespenstigen Drohen. Fern und ferner verklang jenes Zischen und Tosen und endlich löste es sich auf in das leise melodische Rieseln einer Quelle. Die starren Felsen wichen zurück und statt ihrer umrauschte sie wieder der sonnige Wald, umdufteten sie die weißen Blüthen. Der Waldeszauber von damals hatte doch Recht behalten, die unsichtbaren Fäden, welche er gesponnen, hielten fest für alle Ewigkeit, selbst diese furchtbare Stunde hatte nicht vermocht, sie zu zerreißen.
Langsam ließ Benedict das junge Mädchen aus den Armen, nur ihre Hand behielt er noch fest in der seinigen. Der Moment des Traumes war vorüber und der drohende Ernst der Gegenwart forderte gebieterisch sein Recht.
„Ich kann Sie nicht sofort begleiten, ich muß zurück zum Pfarrer Clemens, aber heute Abend noch bin ich in E. und morgen ist Ihr Bruder frei. Fürchten Sie nicht, daß mich etwas zurückhalten könnte, ich weiß jetzt, wo allein meine Pflicht liegt.“
Lucie erwiderte nichts, es giebt Minuten wo selbst die Kraft zum Leiden fehlt, und die ihrige hatte sich in dieser letzten Viertelstunde erschöpft, sie folgte ihm willenlos, als er, ihre Hand noch immer festhaltend, sie zu dem Gehöfte hinunterführte, wo der Bauer ihnen bereits entgegentrat.
„Ambros, ich kann mich darauf verlassen, daß Du die Dame sicher bis zu ihrem Wagen zurückbringst?“
„Keine Sorge, Hochwürden, ich stehe ein für das junge Fräulein.“
Benedict ließ ihre Hand fahren. „So leben Sie wohl!“
Die Gegenwart des fremden Mannes verbot jedes fernere Abschiedswort, gleich darauf befand sich Lucie an seiner Seite und trat mit ihm den Rückweg an.
Nach einer Weile wandte der Bauer sich um. „Der Herr Caplan scheint große Sorge zu haben, wie wir hinabkommen,“ sagte er gutmüthig, „er steht noch immer und schaut uns nach!“
Lucie blieb gleichfalls stehen und folgte der Richtung seines Armes. Da stand die hohe Gestalt noch immer auf der Höhe, neben dem zerschmetterten Heiligenbilde, ihr unverwandt nachschauend, und von den Schultern flatterte der verhängnißvolle dunkle Mantel, dessen Falten jetzt dem Winde preisgegeben waren. Morgen war Bernhard frei, er hatte es ihr versprochen – aber um welchen Preis!