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6 Burg Fuchsenstein

Der gewaltige Gebirgszug ‚Die Kette‘ trennte Cinta im Norden von den ewigen, blauen Ozeanen. Vor den riesigen Bergen mit zackigen Felsspitzen und wilden, dunklen Wäldern, großen Seen und weiten Tälern lag ein immergrünes Hügelland. Zwischen trockenen Beerenbüschen wuchsen weiße, blaue, gelbe und rote Blumen, die sich wild durcheinandergewürfelt auf den Wiesen verteilten. Waldtiere grasten auf diesen fruchtbaren Wiesen und kaum jemand wagte die friedliche Stille zu stören, in der Natur und Lebewesen miteinander harmonierten.

Inmitten dieser ruhigen Landschaft – von vielen Cintanern als barbarisch und wild betrachtet – herrschte Graf Rutov auf Burg Fuchsenstein.

Vier Türme mit schmalen, rechteckigen Fenstern verbanden gewaltige Mauern mit mächtigen Zinnen, auf denen gelangweilte Wachen marschierten. Zwischen den grasgrünen Hügeln sah die Burg aus wie ein Grab aus dunklem Stein, dessen schwarze Flaggen mit zwei silbernen, überkreuzten Schwertern im Wind wehten. Sobald man jedoch über die Zugbrücke in den Vorhof schritt, erkannte man, dass es in der Burg von Leben nur so wimmelte. Große Zwinger, aus denen stetiges Bellen und Knurren zu hören war, Pferdeställe, aus denen Schnauben, Wiehern und der Duft von Heu, sowie der Gestank des Pferdemists herausströmten, umgaben den steinernen Hof. Knappen, Tierhüter und Stallburschen lehnten in den Ecken oder saßen am Boden und spielten mit Steinen oder Karten. Wenn ein Herr oder eine Dame aus der gehobenen Schicht vorbeistolzierte, sprangen sie auf, glätteten ihre zerknitterten Hosen oder Röcke und verneigten sich tief.

Im Innenhof befanden sich die Schmiedewerkstatt, aus der immer fröhliches Hämmern erklang, manchmal Zischen oder sogar erschrockenes Wiehern, die Bäckerei, die alle am Hof mit dem köstlichen Brotgeruch hungrig werden ließ und natürlich die Fleischerei, in der ab und an ein Tier einen Todesschrei ausstieß. Doch heute war die Aufmerksamkeit der Besucher nicht auf die Gebäude im Innenhof gerichtet, sondern auf die riesigen Holzbänke und Holztische, die unter der Last des herrlichen Essens knarrten und ächzten. Adelige, Ritter und höher gestellte Diener und Ammen saßen da, lachten und feierten ausgelassen.

Der Graf selbst – ein rothaariger, bärtiger Mann mit dickem Bauch – gab gerade eines seiner alltäglichen Feste. Er saß vorne auf dem reich verzierten Sessel, schwang seinen vergoldeten Kelch und grölte: „Esst! Trinkt!“

Die Ritter erwiderten das mit lautem Gejohle und stießen ihre Gläser gen Himmel, sodass die Hälfte des teuren, roten Weines zu Boden geschüttet wurde. Dann stürzten sie ihn rasch hinab. Die feinen Adeligen fielen in die Feier mit ein, die Bauern, Dienstmägde, Knappen, Kinder und anderen, die gekommen waren oder auf Fuchsenstein wohnten, schnappten sich Essen, stopften es sich in den weit aufgerissenen Mund und grunzten unheimlich dabei. Soße lief ihnen über die verdreckten Hände und sie wischten sich mit den staubigen Ärmeln über den Mund. Gelächter, Gejohle und Gebrüll erfüllte den Innenhof, Gaukler mit bunten, wild zusammengewürfelten Gewändern sprangen plötzlich auf den Tisch, was mit Gelächter quittiert wurde. Sie tanzten, warfen Essen durch die Gegend und vollführten Kunststücke, während sie sangen und Grimassen schnitten.

Die arbeitenden Diener und Mägde hatten viel damit zu tun, frische Gerichte zu bringen und leere Teller abzuservieren. Ein Mädchen in einem grauen Dienstkleid, das sie als Magd kennzeichnete, huschte mit einem Stapel Teller durch die Menge. Ihre dunkelbraunen Haare bewegten sich leicht im Wind und ihre blauen Augen blickten mürrisch und gereizt auf die Feiernden, die sie mit neugierigen oder misstrauischen Blicken streiften.

Was sie von den lachenden Menschen unterschied, war die unnatürlich blasse Hautfarbe und die kirschroten, geschwungenen Lippen. Sie hatte eine schmale, gerade Nase, ein wenig spitz zulaufende Ohren und ein ovales, fein gezeichnetes Gesicht. Jeder, der sie sah, murmelte: „Elfenbastard!“

Aber jetzt, da sich die Meute in einem angetrunkenen Zustand befand, beließen sie es bei schiefen Blicken.

Als sie am Sohn des Grafen vorbeikam – einem stattlichen Jungen von etwa siebzehn Jahren – schlug der ihr schamlos auf den Hintern.

Lya presste die Lippen fest zusammen, ignorierte sein übermütiges Gelächter und huschte die mächtigen Stiegen hinauf, die in das Innere der Burg führten. Sie schritt durch einen schmalen, dunklen Seiteneingang und ging vorsichtig eine Wendeltreppe hinab, darauf bedacht, die Teller nicht am Boden zerschellen zu lassen.

Rauch kam ihr auf halbem Weg entgegen. Mit tränenden Augen betrat sie die Küche. Das Scheppern von Töpfen war zu hören, eine Köchin schimpfte gerade mit einem Gehilfen und ein dunkler Schatten huschte an Lya vorbei. Offensichtlich einer der Jungen, der schon wieder Essen stahl. Wenn der Chefkoch das erfahren würde, würde er ihm die Ohren lang ziehen.

Sie schlängelte sich durch den Rauch und zwischen umherlaufenden Köchen hindurch, während ihr die köstlichen Gerüche von gebratenem Fleisch, Kartoffeln und Gemüse in die Nase stiegen, dann erreichte sie einen groben Holztisch mit vielen Kerben und lud die Teller ab. Ein blonder Junge mit roter Nase holte sie hicksend und taumelte bedenklich davon.

Lya schüttelte den Kopf und trat zu einem Silbertablett mit einem gewaltigen Truthahn. Sie nahm es vorsichtig in die Hände und ihr Magen begann zu Grollen vor Hunger. Allerdings durfte sie nichts essen, es sei denn, sie wollte, dass die Köche sie durch die ganze Burg jagten. Irgendwo klirrte es und die Köchin schrie wie auf Kommando los. Offenbar hatte der betrunkene Abwäscher sein Ziel nicht mit heilen Tellern erreicht.

Lya drängte sich hinter einer anderen Magd aus der verrauchten Küche. Sie unterdrückte ein Husten und sog gierig die frische Luft ein, die oben auf sie wartete. Nun konnte sie wieder klar sehen und blinzelte sich die Tränen aus den Augen.

Dann kehrte sie wieder zu den grölenden Feiernden zurück. Einige Kinder hatten einen Obstkorb geplündert und verzehrten ihre Beute in einer dunklen Ecke. Lachende Knappen kamen auf sie zu und vertrieben sie mit Tritten und Schlägen. Angewidert wandte Lya den Blick ab und ging zum Grafen, der gierig auf den Truthahn starrte.

Sie lud ihm vorsichtig auf.

„Mehr! Mehr!“, verlangte er immer wieder. Die Schweißfahne, die von ihm ausging, raubte ihr beinahe den Atem. Der Weingeruch, der ihn in gefühlten fünfzig Metern umgab, machte es nicht leichter, ebensowenig sein Sohn, der seine Hand ständig auf ihrem Hinterteil hielt.

Lya spürte, wie ihr der Geduldsfaden riss. Sobald das kostbare Essen auf dem riesigen Teller des gierigen Grafen gelandet war, drehte sie sich um und verpasste seinem Sohn eine saftige Ohrfeige. Einen Augenblick hielten alle inne und starrten sie an.

Lya holte rasch Luft, während der Junge mit großen Augen zu ihr aufsah. Plötzlich brach er in Gelächter aus. Die anderen stimmten mit ein, bis die Gaukler weitertanzten. Die Musik setzte wieder ein, Lyas Herz schien wieder zu schlagen. Der Junge packte Lyas Arm und zog sie zu sich hinab: „Du hast Feierabend, Elfenbastard! Geh und amüsier dich, bin heute großzügig aufgelegt.“

„Ich danke Euch“, sagte Lya gleichzeitig erleichtert und verwirrt über die Dummheit des Betrunkenen.

Sie legte das Tablett achtlos auf den ohnehin schon überladenen Tisch, dessen Beine gequält ächzten, als einer der Tänzer einen Salto vollführte und wandte sich dem steinernen Tor zu. Auf dem Weg zum Vorhof musste sie sich an den Kindern vorbeidrängen, die sich nun Tomaten geschnappt hatten und auf die wütend schreienden Knappen warfen, die sie quer durch den Hof jagten und an zwei Rittern vorbeischlängeln, die beschlossen hatten, ihre Kräfte im Schwertkampf zu messen.

Der Lärm der Feiernden verebbte, als sie an den Ställen vorbeimarschierte. Die Hunde lagen ruhig in ihren Zwingern und die Pferde fraßen genüsslich ihr Heu. Ein kleiner, schwarzhaariger Stallbursche lief auf sie zu. Es war Clemin, einer der wenigen, mit denen sie sich auf Burg Fuchsenstein verstand. Seine Filzstiefel waren dreckig und sein dicker, allzeit anwesender Wollmantel hatte wieder ein Loch mehr bekommen. Was er damit immer tat, dass er so aussah? War ihm nicht heiß?

„Hallo, Lya!“, rief er und winkte. „Soll ich dir ein Pferd geben?“

„Nein danke, heute nicht. Ich finde alleine zum Dorf“, lächelte sie.

„In Ordnung.“, nickte er. „Sag das nächste Mal einfach Bescheid.“

Lya nickte und schritt zum mächtigen Burgtor. Der Kopf eines grinsenden, gehörnten Wesens ragte ihr entgegen. Sie marschierte an den postierten Wachen vorbei, die an ihren Lanzen lehnten und versuchten, die Augen offen zu halten und trat über die mächtige Zugbrücke.

Die gewaltigen Berge thronten einige Kilometer entfernt zwischen den Hügeln und verbanden Himmel und Erde miteinander, sie ging an einem kleinen Wäldchen vorbei und genoss den Duft der Wiesen und Blumen. Sie sog die herrlich frische Luft ein und wanderte die kleine Straße entlang über die grüne Hügellandschaft, bis die ziegelroten Dächer des Dorfes in Sichtweite kamen. Bienen summten, Vögel zwitscherten und die herrlich duftenden Wiesen gaben Lya ein Gefühl des Friedens.

Egal, ob andere sagten, ihre Sehnsucht nach der Natur wäre eine angeborene Krankheit, die sie als Bastard von ihrem barbarischen Vater erhalten hatte, sie würde den Weg durch die Wiesen immer wieder genießen.

Freudig beschleunigte sie ihre Schritte und genoss gleichzeitig die Eindrücke der Natur, das Summen der Insekten, das Rauschen der Grashalme, das Zwitschern der Vögel und den Duft des Frühlings. Himmelblau, Rosenrot, Dottergelb und Grasgrün sprengten sich ihr vor die Augen. Immer wieder entdeckte sie neue, faszinierende Dinge, die sie bestimmt schon tausendmal gesehen hatte, ihr Herz schien im Einklang mit der Natur zu schlagen –

Etwas knurrte hinter ihr.

Nervös fuhr sie herum und erstarrte.

Ein kleines, gedrungenes Raubtier mit schneeweißem Fell stand ihr gegenüber. Runde, schwarze Flecken musterten es, die scharfen Krallen gruben sich in den Erdboden. Wache, klare Augen starrten sie an und schienen bis in den letzten Winkel von Lyas Seele zu blicken. Die spitzen, gebogenen Zähne hielten eine silberne Kette im Rachen, die das Sonnenlicht kurz reflektierte. An ihrem Ende baumelte ein diamantener Schlüssel.

Einen Moment war sie verwirrt, aber dann begann sie, vorsichtig einen Schritt hinter den nächsten zu setzen. Der Leopard – war es ein Leopard? Sie hatte bist jetzt nur Zeichnungen gesehen und Geschichten gehört – hatte noch immer keine Anstalten gemacht, sie aufzufressen. Lya wertete das als gutes Zeichen und wagte einen größeren Schritt.

Die Raubkatze bewegte sich plötzlich sehr schnell. Lya zuckte zusammen, als sie mit spielerischer Schnelligkeit auf sie zulief. Der Leopard setzte sich wieder vor sie nieder und starrte ihr abermals fest in die Augen.

Fast, als würde er mir etwas sagen wollen … Rasch schüttelte sie den Gedanken ab. Es war nicht der richtige Zeitpunkt zu denken, sie wäre etwas Besonderes. Vielleicht war er von Dämonen besessen oder von den Elfen verzaubert worden. Mit einem Haps könnte er ihren Schädel brechen. Mit angespannten Muskeln betrachtete sie das – zugegebenermaßen edle – Tier vor sich. Nach einer gefühlten Ewigkeit, so schien es, senkte der Leopard sein Haupt und legte die Kette auf den Boden. Dann starrte er Lya wieder an. Diese überwand sich schließlich nach Stunden – oder Minuten? – die Kette mit zittrigen Fingern aufzuheben. Der heiße Atem des Tieres streifte ihr Handgelenk. Rasch zog sie die Kette an ihre Brust. Das Tier starrte sie weiterhin an. Irgendwann erhob es sich und neigte respektvoll den Kopf. Dann verschwand es. Von einer Sekunde auf die andere war es weg. Lya schnappte erschrocken nach Luft und taumelte zurück. Die Vögel stimmten einen fröhlichen Gesang an, die Bienen kamen summend hervor und der Wind rauschte um ihre Ohren, als wäre nichts passiert. Mit wild klopfendem Herzen betrachtete sie ihre Kette, die sie in den Händen hielt. Der Diamantschlüssel funkelte im Sonnenlicht. Er war bestimmt ein Vermögen wert. Rasch steckte sie die Kette in ihre Blusentasche und drehte sich um. Sie rannte zurück zum Dorf, alles weitere ignorierend, an windschiefen Häusern vorbei, die die breite Straße säumten, bis Lya zu einem kleinen Haus mit einem riesigen Gemüse- und Kräutergarten kam. Das Mädchen öffnete mit zittrigen Händen das Holztor und trat es achtlos mit dem Fuß wieder zu, dann schritt es zwischen den Pflanzen umher, bis es sich einen Weg zu der kleinen Holztür gebahnt hatte. Vorsichtig öffnete sie diese und fand sich in einem einfachen Raum wider. Im Wohnraum befanden sich ein Holztisch mit mehreren grob geschnitzten Sesseln, einige Kästen und ein brozefarbener Kessel, der über der Feuerstelle hing. Der Duft von Gewürzen drang ihr in die Nase. Eine Frau, die Lya beinahe bis aufs Haar glich, stand mit schwarzem Kleid und Schürzen beim Kessel und rührte mit einem langen Holzlöffel um. Jastia hob überrascht den Kopf, als Lya die Tür geräuschvoll zumachte. „Du bist wieder zurück? So früh schon?“ „Der Sohn des Grafen hat mir freigegeben“, erklärte Lya und fuhr rasch fort, als sich die Augen ihrer Mutter weiteten, „Ich habe ihm bei einer Feier eine Ohrfeige verpasst, weil er mir auf meinen Hintern gegriffen hat. Das hat er witzig gefunden.“ Die Frau schüttelte den Kopf und schien nicht zu wissen, ob sie lächeln oder den Mund verkneifen sollte. Schließlich entschied sie sich für ein Seufzen: „Tut mir leid, dass du auf diesem Schloss der Barbaren dienen musst.“ „Kein Problem“, erwiderte Lya, weil sie ihre Mutter nicht verletzen wollte. Man konnte sich seinen Stand und seinen Beruf nicht einfach aussuchen. Manche wurden adelig geboren, andere nicht. Das war das Schicksal und Lya hatte sich damit abgefunden. Lyas Vater – der ein Elf gewesen sein musste – hatte sie verlassen, als sie noch ein Baby gewesen war und war ins Waldreich zurückgekehrt. Heimlich gab sie ihm immer die Schuld an ihrem Dasein, denn wenn er seine Familie mitgenommen hätte, wäre alles anders gekommen. Dennoch, die Geschichten, die man über die Elfen hörte, waren mehr als abschreckend. Wieso hatte ihn ihre Mutter geliebt? Sie ging die schmale Holztreppe hinauf in ihr Zimmer, in dem sich ein kleines Bett und ein Kasten befanden. Lya nahm einen Korb aus der Ecke und ging hinunter und in den Garten, um Heilkräuter, reife Äpfel und Kohl zu pflücken, dann stellte sie das Körbchen neben die Tür und ließ den Blick kurz über eine Schafherde schweifen, die blökend und drängelnd an ihrem Haus vorbei von der Weide getrieben wurde. Die Hirten blickten misstrauisch zu ihr hinüber, ehe sie sich erneut den weißen Tieren zuwandten. Als Lya wieder in die Wohnung kam, standen die Tonschüsseln mit der dampfenden Suppe bereits auf dem Tisch. Draußen hatte die Abenddämmerung eingesetzt. Goldene Sonnenstrahlen fielen durch das Fenster und beleuchteten den staubigen Fließboden. „Leyiho wird sich freuen, dass du ihm hilfst“, sagte Jastia und lächelte. „Hoffentlich“, brummte Lya, dann wurde sie aber sofort ernst, denn nun hatte sie nichts mehr, womit sie sich ablenken konnte. Nun musste sie sich Gedanken um den Diamantenschlüssel machen. Wofür war er gut? Warum hatte ihn der Leopard ihr gegeben? War das eine Geistererscheinung gewesen, wie sie in den dunkelsten Wäldern vorkamen? „Du bist so still. Ist alles in Ordnung?“, unterbrach Jastia ihre Gedanken, als Lya sich fragte, was sie jetzt mit dem Schlüssel machten sollte. Rasch nickte sie: „Alles bestens. Ich bin nur müde. Ständig den Hof in der Früh aufzuräumen und dann wieder aufzudecken, weil der werte Herr Graf die nächste Feier plant, ist auf die Dauer anstrengend.“ Jastia nickte verständnisvoll: „Ich bin froh, dass ich nicht mehr arbeiten soll.“ Voller Vorfreude blickte sie auf ihren dicken Bauch, der in den letzten Wochen gewachsen war. „Ich werde es Tania nennen, sollte es ein Mädchen werden. Ein Junge würde Ben heißen.“ „Das sind schöne Namen“, sagte Lya und zwang sich, nicht an die Schlüsselkette zu denken. Die Sonnenstrahlen kitzelten ihren Nacken. Das mittlerweile rotgoldene Licht ließ die Pflanzen im Garten und die Nachbarhäuser erstrahlen. Nachdem sie ihre Suppe fertig gelöffelt und ihre Schale ausgewaschen hatte, wünschte sie ihrer Mutter eine gute Nacht und legte sich ins Bett. Allerdings betrachtete sie noch lange Zeit die Kette, ließ sie zwischen den Fingern hin und her gleiten und betastete den kühlen Diamanten, bis sie jede Kerbe und Rille kannte. Schließlich wickelte Lya sie um ihr Handgelenk und rollte sich im Bett zusammen. Unten hörte sie Leyihos tiefe Bassstimme. Sie klang ruhig und gab Lya immer ein Gefühl von Sicherheit. Mit diesem Gefühl schloss sie die Augen und sank ins Reich der Träume, das sie diesmal in eine seltsame, beunruhigend reale Welt entführte.

Sie rannte. Mit jedem Schritt, den sie machte, wurde ihr Körper schwerer. Feinde waren hinter ihr her, aber sie lauerten nicht nur im Rücken, sondern von allen Seiten. Sie rückten immer näher, still und leise. Die kalte, graue Ebene, auf der sie sich befand, begann zu beben. Immer stärker und lauter. Die Feinde wichen zischend und erschrocken zurück. Ein großes Pferd galoppierte den Weg entlang, ein Mann mit einem Schwert schwang sich aus dem Sattel und reichte ihr die Hand. Sie ergriff sie. Er half ihr auf und nahm ihre Hand. Alles war jetzt viel leichter. Gemeinsam traten sie auf ein riesiges, furchterregendes Schloss zu, die Feinde vor sich und eine gewaltige Armee hinter ihnen.

Die Wächter

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