Читать книгу Die Wächter - Elisabeth Eder - Страница 18

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14 Soldaten

Donnerhuf wieherte, als er einen langen Sprung über die Felsen machte. Sein Reiter klammerte sich an die Zügel und duckte sich tief im Sattel. Bäume zischten an ihnen vorbei, während sie den schmalen Pfad entlang ritten.

Hinter Kai ertönte das Gebrüll der Soldaten und das Schnauben ihrer Schlachtrösser.

Panisch warf er einen Blick nach hinten. Sie hatten aufgeholt und einige zückten gefährlich aussehende Armbrüste.

„Schneller!“, rief er Donnerhuf zu, in der Hoffnung, das Pferd würde ihn verstehen.

Donnerhuf vollführte einen wilden Haken und kam auf eine breite Straße. Kai schluckte, als er sah, wie die Bäume sich links und rechts vor ihnen auftürmten … und plötzlich waren sie vor den Toren eines gewaltigen Holzbaues. Bewaffnete Soldaten standen davor und brüllten: „ Hey – du da! Bist du geflohen?!“

Kai warf einen kurzen Blick hinein. Männer trainierten mit Schwertern, Lanzen, Bögen. Einer der Soldatentrainer knüppelte gerade einige Jungen nieder. Donnerhuf scheute, stellte sich auf die Hinterbeine und schlug wiehernd mit den Vorderhufen in Richtung der aufgewühlten Erde und der Kämpfenden, die auf dem Rücken einiger Pferde gegeneinander antraten. Blut beschmutzte den Boden, aus unzähligen Wunden floss diese Flüssigkeit und ließ Verwundete, die am Boden lagen und nicht mehr aufkamen, qualvoll schreien.

„Wir reden mit dir, Soldat!“, brüllten die Männer.

Kai zuckte zusammen. Deshalb also verfolgten sie ihn. Er hatte die Soldatenrüstung und ritt ein Schlachtross. Vermutlich dachten sie, er wäre ihrem Ausbildungslager entkommen und auf der Flucht. Kai schluckte, als ihm die Gerüchte einfielen, die ihm zu Ohren gekommen waren, über die unmenschlichen Sitten dort, über die ständige Angst, über die Krankheiten und die schrecklichen Ausbildner.

Wenn sogar Donnerhuf davor Angst hatte …

Hinter ihm hörte er Hufgetrampel. Ehe er jedoch einen weiteren Entschluss fassen konnte, stieß Donnerhuf ein schrilles Wiehern aus und wandte sich nach links. Kai hatte gerade Zeit, einen Blick zurückzuwerfen und zu sehen, dass die Armbrustmänner zielten, als Donnerhuf in wildem Galopp in den Wald türmte.

„HALT!“

„STEHEN BLEIBEN!“

„ZIELEN!“

Dunkle Äste verschwammen in Kais Sichtfeld. Der unebene Boden raste unter ihm vorbei. Donnerhuf suchte sich einen Weg zwischen den Bäumen. Kais Schultermuskeln spannten sich an. Ängstlich versuchte er irgendwo die Soldaten auszumachen, aber er hörte nur das Rascheln, als sie durch das Gebüsch ritten und die verschiedenen Rufe auf allen Seiten. Verdammt, da mussten überall solche Posten verteilt sein!

„SCHIESSEN!“

Scharfe Geräusche ertönten. Kai duckte sich tiefer im Sattel, fühlte Donnerhufs Muskeln, seinen vertrauten Ritt. Fast schien es ihm, als würde er mit seinem Pferd verschmelzen. Ein dumpfes Geräusch zu seiner Linken. Kai sah aus den Augenwinkeln, wie ein Pfeil in einem der Bäume steckte. Schrill wiehernd sprang Donnerhuf über einige Felsen und befand sich auf einer Lichtung, die voller Gras war. Panik wallte in Kai auf. Er nahm die Zügel fest in die Hand und trieb Donnerhuf so rasch es ging voran. Wieder ertönten die scharfen Geräusche, etwas zischte knapp an ihm vorbei.

„ARGGHHH!“

Bohrender Schmerz in seinem Oberschenkel. Er fühlte, dass etwas Kaltes in die Haut gestoßen wurde. Das lederne Wams fing ein wenig von dem Stoß ab, aber Kais Finger lockerten sich um die Zügel und er verlor beinahe den Halt, als Donnerhuf ihn erneut herumriss, indem er eine scharfe Kurve nach rechts machte. Kai fühlte Blut über sein Bein rinnen, seine Muskeln verkrampften sich, Schweiß bahnte sich Wege über sein Gesicht. Augenblicklich entlastete er das pochende Bein und warf sich nach vor. Er klammerte sich mit beiden Armen an Donnerhufs Hals, hörte das Triumphgebrüll hinter ihm, das wilde Wiehern der Pferde und schloss die Augen. Seine Stirnfransen fielen hart im Lauftakt von Donnerhuf völlig durchnässt in sein Gesicht. Die Schmerzen wurden beinahe unerträglich. Kais Herz trommelte schmerzhaft gegen seine Brust.

„ANLEGEN!“

Donnerhuf durchdrang irgendein Gebüsch, Kai fühlte Äste an seinen Beinen streifen und hörte das Rascheln. Wiehernd machte er einen Sprung. Der Junge wagte es, die Augen zu öffnen und starrte auf den breiten Pfad, den Donnerhuf eingeschlagen hatte.

Nein …‘, dachte er und richtete sich vorsichtig auf. „ZIELEN – SCHIESSEN!“ Kai packte die Zügel und riss Donnerhuf herum, sodass er wieder in den wilden Wald sprang. Die Pfeile verfehlten ihn und gaben Kai dadurch neuen Mut. „HÜA! LOS!“ Donnerhuf schnaubte und wurde tatsächlich schneller. Er sprang über umgestürzte Bäume und landete mit einem lauten Platschen im Wasser. Kai fühlte die angenehme Kühle an seinem Bein und sog tief die Luft ein. Donnerhuf galoppierte unerschrocken weiter, als sie aus dem Fluss herausgekommen waren. Tiefer in den dunkelgrünen Wald. „ZIELEN!“ Die Rufe klangen sehr leise. In Kais Herz entflammte das Feuer der Entschlossenheit und er trieb Donnerhuf rascher voran. Der düstere Wald schien ihm auf seltsame Weise vertraut. Grinsend warf er sich die Haare aus der Stirn und blickte zurück. Weit und breit war niemand zu sehen.

Gen Abend hielten sie an einem Fluss. Donnerhuf trank gierig und Kai sank müde aus dem Sattel. Er hinkte zum Wasser, kniete sich umständlich nieder und wusch sich das Gesicht. Dann starrte er auf sein Spiegelbild. Die Haut zog sich straffer über seine Wangen und die Augen lagen in dunklen Höhlen. Das Dunkelgrün seiner Augen sah aus wie das einer wilden Schlingpflanze, seine zerzausten Haare erinnerten an die trockenen Steppen, in denen er vor einer Ewigkeit gewesen war.

Schließlich holte der Dieb tief Luft und wagte einen Blick zu dem Pfeil, der noch immer in seinem Oberschenkel steckte.

Getrocknetes Blut klebte auf seiner Hose und hatte das dünne Holz durchsetzt. Entschlossen, aber mit zitternden Fingern packte er das Ende des Pfeiles, schloss die Augen und zog ein Stück.

„Arrgh!“

Keuchend riss er die Augen auf. Sofort stand ihm der Schweiß auf der Stirn. Es fühlte sich an, als würde er sich das Fleisch von der Haut schälen. Zitternd machte er weiter, drehte vorsichtig den Schaft und ignorierte den Schmerz. Er biss sich fest auf die Lippen und unter Schmerzenslauten und Schweiß schaffte er es.

Er warf den Pfeil weg, ehe er die metallene Spitze betrachten konnte, an der seine Hautfetzen hingen und presste sich die Hand auf die Wunde, die wieder angefangen hatte zu bluten. Kai zitterte am ganzen Körper, als er aus seiner Tasche ein Tuch hervorkramte und es ins Wasser tauchte. Das ruhige Plätschern des Flusses beruhigte ihn. Er säuberte sich stöhnend und immer wieder zusammenzuckend die Wunde, dann wrang er das Blut aus dem Tuch und tauchte es noch einmal ins Wasser.

Die kalte Flüssigkeit kühlte seine Hände und Kai stieß erleichtert die Luft aus. Darauf bedacht, sich nicht zu bewegen, pfiff er Donnerhuf herbei. Das Schlachtross trabte zu ihm, während es die wilde Mähne schüttelte. Es beugte den Kopf hinab und schnaubte. Donnerhuf stupste Kai an. Dieser streckte sich und zog aus den Satteltaschen einen kleinen Verband. Mit müden Händen band er ihn um die Wunde.

Angestrengt kroch er auf Händen und Füßen zu einem Baum, lehnte sich dagegen und schloss die Augen.

Dunkelheit umgab ihn. Sie durchdrang ihn und ließ ihn nichts sehen. Er verharrte regungslos, er konnte nichts tun. Er war im Nichts, er war das Nichts. Allerdings näherte sich plötzlich eine helle Gestalt. Kai horchte auf und sah zu dem Licht. Es erwärmte ihn, drang in sein Herz und ließ ihn … lächeln. Zufriedenheit durchströmte ihn. Die Gestalt kam näher, seine Umgebung erschien ihm nun klar vor Augen. Er befand sich in einem Wald. In dem Wald? „Wer bist du?“, fragte er die Gestalt. Aber sie antwortete nicht, sie lächelte bloß traurig und verschwamm dann.

Donnerhuf wieherte und stieß ihn beinahe um.

Kai war auf den Beinen und zog sein Schwert. Die Bilder des Traumes entglitten ihm rasch, schneller als ihm lieb war.

„Da ist er!“

Ohne auf seine Verletzung zu achten, schwang sich Kai auf Donnerhuf und gab ihm die Sporen. Es war noch stockdunkel, aber das Pferd fand seinen Weg alleine. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, die sie ritten, ohne gestört zu werden.

Zufrieden atmete Kai auf. Donnerhuf sprang auf einen breiten Gehweg und raste in vollem Galopp darauf entlang. Die Nacht war leise und kalt. Kein Stern blinzelte am Himmel, alle Geräusche verloren sich im wilden Galopp.

„Los, Großer!“ Kai drückte die Knie in Donnerhufs Flanken, als ein Pferd vor sie auf den Weg sprang. Donnerhuf wieherte schrill. Beide Pferde stellten sich auf die Hinterbeine und schlugen aus. Kai wurde von Donnerhufs Rücken geworfen und kam hart am Boden auf.

Rasch rappelte er sich auf und zog sein Schwert. Donnerhuf sprang zur Seite, als der Soldat nach ihm schlug.

Hinter sich hörte er die Geräusche von Hufen auf dem Boden. Kai drehte sich um. Ein weiterer Soldat erschien mit seinem Pferd. Sie hatten keine Armbrüste, dafür aber gefährlich aussehende Lanzen, mit denen sie auf ihn zeigten. Kai keuchte. Sie umkreisten ihn langsam und grinsten schadenfroh.

Kai folgte ihren Bewegungen mit den Augen. Donnerhuf wieherte noch einmal am Wegesrand und blieb schnaubend stehen, um die Geschehnisse zu beobachten.

Dunkle Schatten umgaben ihn. Die Bäume thronten dunkel und unheilvoll im Wald. Es herrschte Totenstille.

„Gib auf, Junge! Deine Ausbildung wird so oder so abgeschlossen!“, sagte einer der Männer. „Also, komm mit, oder wir müssen dir deine Arme abschlagen.“

„Dann kann ich keine Ausbildung mehr machen“, gab Kai zurück. „Und ihr könnt sie nicht abschließen. Was für ein Pech“ Sein Herz hämmerte wild.

Wütend stieß einer der Soldaten mit seiner Lanze nach Kais Brust. Mit einem raschen Hieb durchtrennte er mit dem Schwert das Holz. Dumpf fiel es zu Boden.

„Na schön“ Der Soldat warf den Rest seiner einstigen Waffe weg und sprang vom Pferd. Er zückte das Schwert. „Dann eben ein kleiner Kampf, du großer Fechter!“

Der andere lachte hinter ihm.

Kai drehte sich um.

Der Mann hielt seine Lanze auf ihn gerichtet und sagte grinsend: „Ich würde aufpassen, sonst bist du einen Kopf kürzer!“

Kai drehte sich rechtzeitig um, um den starken Hieb des Soldaten zu parieren. Er ging in die Knie und spürte seinen Oberschenkel pochen. Mit zusammengebissenen Zähnen starrte er in die hellen, wahnsinnigen Augen seines Gegenübers. Dann holte er weit aus und mit einem Schrei ging er in die Offensive.

Der Soldat parierte, wehrte ab und blockte. Sie gingen auseinander und umkreisten sich wie Geier. Der Mann lächelte keuchend: „Du bist gut, Kleiner. Von wem hast du das gelernt?“

„Von einem Dieb!“

Kai sprang nach vor. Sie tänzelten, schlugen aufeinander ein. Das Klirren der Schwerter erfüllte die Nacht, Kai ging die geübten Schritte mit Brimir durch und war auf einmal froh, dass ihm dieser Wahnsinnige wenigstens etwas Sinnvolles beigebracht hatte. Der Kampf wurde härter. Die Kontrahenten bewegten sich schneller, geschmeidiger, fletschten ihre Zähne und warteten nicht mehr, bis sich der andere erholt hatte. Kai spürte, wie seine Arme müde wurden. Er setzte die doppelte Kraft ein und schaffte es sogar, den Soldaten zurückzudrängen. „Hilf mir, du Trottel!“, knurrte sein Gegner. Im Nu war der andere Soldat am Boden. Donnerhuf schnaubte wild. Kai wurde zurückgedrängt. Panisch wehrte er die starken Schläge ab, duckte sich, sprang und erreichte nichts. Seine Kräfte schwanden langsam, die Welt begann sich zu drehen. Die Wunde am Oberschenkel brach auf, er fühlte Blut durch seinen Verband sickern. Verdammt nochmal, wieso hatten diese Soldatenrüstungen keinen Schutz dort – Kais Augen leuchteten auf. Mit einem Kraftschrei sprang er noch einmal nach vorne. Die Soldaten schrien auf, als es zwei Hiebe tat, die tief in ihre Oberschenkel eindrangen. Wackelig auf den Beinen hoben sie noch einmal die Schwerter. Kai holte mit der Hand aus, stieß sie einem ins Gesicht, sodass dieser zu Boden fiel und trat dem anderen zwischen die Beine, der kreischend zusammenbrach. Dann steckte er das Schwert in die Scheide und sah sich nach Donnerhuf um. Gehorsam kam der Hengst zu ihm getrabt und Kai schwang sich in den Sattel. „Das wirst du büßen! Suchtrupps sind auf dem Weg! Es wird nicht lange dauern, bis sie dich gefunden haben!“ Kai trieb Donnerhuf an. „HEY! DU KANNST UNS NICHT ZURÜCKLASSEN!“ „HEY! JUNGE! BLEIB HIER!“ „DU WIRST GEHÄNGT!“ Mit kalten Augen lenkte er sein Pferd in den Wald hinein. Er hörte das Rascheln um sich herum und atmete langsam aus. Er drückte seine Handfläche auf den Verband am Oberschenkel und ließ den Kopf sinken. Donnerhuf trabte weiter, auch ihn verließen langsam die Kräfte. Sie versteckten sich zwischen einigen Gebüschen und Kai schlief einige Stunden, ehe er eine Brothälfte verschlang und sich in den Sattel setzte. Sie galoppierten zwei Tage durch den düsteren Wald, ins Zwielicht getaucht und niemandem begegnend. Ein paarmal kamen sie an einem Fluss vorbei, einige Male versteckten sie sich vor Suchtrupps. Zu Mittag wurde es heißer. Kai blickte triumphierend auf. Der Süden war nahe!

Die Wächter

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