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13 Trollblut

Es hieß, die Dunklen Wälder seien gefährlich. Überall zwischen Ästen und Zweigen lauerten Gefahren. Wilde Tiere fielen Menschen an, Dämonen trieben ihren Spaß mit Wanderern. Das mächtige Reich aus Bäumen, Wurzeln, Felsen, Farnen und Kräutern war von schmalen Pfaden und dünnen Bächen durchzogen. Barbarische Völker lebten dort, fraßen ihresgleichen und stellten Menschenfallen.

Nur die Verzweifelten, die keine Hoffnung mehr hatten, nahmen den Weg durch diese unersättliche Wildnis, in der sogar die Wurzeln Lebewesen verschlangen.

Kai wusste nicht, wie lange er schon reiste. Donnerhuf ging nur noch mit gesenktem Kopf, auch Kais Kräfte schwanden langsam. Er ernährte sich von Beeren und Gestohlenem, das er Wanderern abgenommen hatte. Wie ein ängstliches Tier zuckte er bei jedem Geräusch zusammen. Schatten streiften um ihn herum, Tiere fauchten und knurrten, wenn er vorbeiritt. Die Angst kroch in seine Knochen und ließ sein Herz gefrieren.

Er wollte nur noch weg. Weg aus diesem Labyrinth aus Bäumen, Sträuchern und Ästen, die nach ihm griffen, Tieren, die auf ihn lauerten. Sobald er andere Menschen hörte oder sah, ritt er den Stimmen nach, kam zu kleinen Holzhütten, wartete bis in die Nacht und stahl dann Essen.

Einmal war ein Mann aufgewacht. Er hatte geschrien. Kai hatte mit dem Messer nach ihm geschlagen und sogar getroffen. Danach war es totenstill gewesen. Er wusste nicht, ob er ihn getötet hatte, aber er war geflohen und wollte nie wieder daran denken.

Er war unruhig. Er suchte, aber er fand nicht, dabei war er sich nicht sicher, was er suchte und was er finden musste.

Alles wurde klarer, friedlicher. Lya blickte zu dem goldenen Licht, das am braunen Waldboden tanzte. Sie lauschte den Erzählungen von Java. Vor ihr gingen Niono und Erich, die sich einen Weg durch das Gebüsch schlugen. Im Unterholz stieß man auf die merkwürdigsten Formen von Ästen, Wurzeln und Dornen, die sich darum rankten, aber bis jetzt hatten sie immer einen guten Unterschlupf gefunden.

Lya wusste nicht, wie lange sie schon reisten. Sie wusste nur, wie ihr Tagesablauf aussah. Aufwachen, mit Alma jagen gehen – sie hatte mittlerweile einige Tiere geschossen, die ihr bitter Leid taten – und Frühstücken. Danach machten sie eine kurze Pause, in der Lya alles wiederholte, was ihr beigebracht worden war und schließlich gingen sie. Vor dem Mittagessen trainierte sie mit den anderen das Schwertkämpfen und danach marschierten sie bis am Abend und ließen sich in ihre mittlerweile schmuddeligen Schlafmatten fallen, nachdem sie sich gewaschen hatten.

Sie kamen an verschiedenen Dörfern vorbei, wo sie ihre Proviantbeutel wieder mit Seifen, Nahrung und Stofffetzen, Nadel und Faden füllten, erkundigten sich unauffällig bei den Dorfbewohnern nach Neuigkeiten und reisten so bald es ging weiter. Die Soldaten des Königs hielten die Reisenden öfter an, je weiter sie nach Süden kamen, ließen sie aber unwillig weiterziehen, weil die Gruppe ja aus „armen, unschuldigen Reisenden auf der Suche nach neuem Glück“ bestand.

Eine Gruppe von Räubern wollte sie einmal in eine dunkle, verlassene Höhle locken, aber sie gingen weiter und die Bande verfolgte sie zum Glück nicht.

In all diesen Gedanken verhing Lya, als sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm.

Erich schlug mit seinem Schwert einen Dornenstrauch nieder. Die Ranken vergruben sich in seiner Hose und er fluchte leise, als er ein tiefes Knurren hörte. Rasch fuhr er herum und hob das Schwert, als er in zwei funkelnde, gelbe Augen blickte, sowie in ein weit geöffnetes Maul. Der Gestank, der daraus hervordrang, warf ihn fast um. Die grüne, faltige Haut des Trolls war von einem löchrigen Mantel bedeckt. Speichel tropfte aus den Mundwinkeln, riesige Fangzähne schimmerten weiß.

Wie er da im Gebüsch hockte, verschmolz er mit seiner Umgebung.

All dies nahm Erich in der einen Sekunde wahr, ehe der Troll mit einem wilden Brüllen aus dem Versteck sprang. Schreiend wich der Greif zurück, hob das Schwert, aber er war zu langsam und das Getier landete auf ihm. Erich prallte auf die Erde, die Luft wurde aus seinen Lungen gepresst. Er wusste, dass sein Ende gekommen war.

Mit zusammengebissenen Zähnen wartete der Krieger darauf, dass er in Sekundenschnelle einen tödlichen Hieb bekommen würde. Etwas Heißes rann über seine Brust, er zitterte. Sein Herz würde gleich herausgerissen werden und noch immer wurde niemand panisch. Er hörte keine überraschten Schreie. Waren sie geflohen?

Er würde verbluten. Allein.

Allerdings blieb das aus.

Stattdessen hievte jemand den gigantischen Körper von ihm und er blickte in Sylons grinsendes Gesicht: „Du siehst aus, als hätte dich ein Troll angefallen!“

Fassungslos starrte Erich an sich hinab. Er erblickte ein Rinnsal aus Blut an seiner Brust, allerdings war er selbst unverletzt. Langsam drehte er den Kopf zur Seite. In der Brust des Trolls steckte ein Pfeil. Mit leblosen, weit aufgerissenen Augen starrte er ins Leere, die Muskeln schlaff und unbeweglich.

Erich blickte zu den anderen. Rosali – seine Frau – sah aus, als wäre sie einem Ohnmachtsanfall nahe. Er verstand erst, wer seine Rettung gewesen war, als Rosali mit einem leisen Schluchzen auf die Knie fiel und den Kopf tief vor Lya senkte: „Danke – danke!“

Seine Königin stand mit wilden, ungebändigten Haaren da, der dunkelgrüne Rock wurde von einem Windstoß aufgewirbelt. Das Schwert hing am Gürtel, ebenso wie ein kleiner Beutel, ein Dolch steckte im Leder. Der Rucksack lag achtlos am Boden. Sie hielt den Bogen noch immer in ihrer Hand, unter der grünen Bluse zitterte sie.

Langsam ließ sie den Bogen sinken und starrte ihn bleich an.

Erich verlor in diesem Moment all seine Zweifel. Er kniete sich nieder und streckte ihr mit beiden Armen sein Schwert entgegen: „Meine Königin … Ich schwöre Euch, ich werde Euch mit meinem Leben beschützen.“

Lya starrte auf den Knieenden. Sie gab sich einen Ruck, schnallte den Bogen an ihrem Rücken fest und ging zu dem Mann. Mit zuckenden Fingern nahm sie sein Schwert und schlug es ihm zweimal auf jeweils eine Schulter und schließlich berührte sie sachte seinen Kopf. Der Stahl funkelte im Sonnenlicht. Die anderen, die schweigend darum standen und die Leiche des Trolls machten diesen Moment unvergesslich.

„Erich“ Lya verschluckte das Zittern ihrer Stimme gekonnt. „Hiermit schlage ich dich zum ersten Ritter Phyans unter meiner Herrschaft.“

Als sich der Krieger erhob und Lya ihm sein Schwert gab, löste sich etwas in ihr. Sie hatte getötet. Das schlechte Gewissen nagte in ihrer Brust, aber hätte sie nicht getötet, hätte sie einen Krieger – und Freund – verloren. Lya blickte kurz zu dem Verstorbenen. Sie erinnerte sich daran, wie sie als Leopard Tiere gefressen hatte, wie die Räuber unbarmherzig ihre Eltern getötet hatten, wie sie Tiere erlegt hatte, um zu jagen, wegen dem simplen Gefühl des Hungers.

Und sie hatte den Troll ebenfalls getötet, weil sie musste, aber aus einem anderen Grund. Sie hatte Erich das Leben gerettet.

Langsam verstand sie, was das Mondlicht – oder ein Geist? Diese unmöglichen Dinge schienen ihr immer wahrscheinlicher zu werden – ihr zugeflüstert hatte. Wenn es nötig war, musste man töten. Dazu fiel ihr eine der unzähligen Lehren von Java ein: „Tiere töten auch, wenn es nötig ist. Um ihre Jungen zu verteidigen, wenn sie angegriffen werden, um sich zu ernähren. Der Tod ist ein natürlicher Teil des Lebens. Aber vergiss nicht. Tiere töten, weil sie es müssen. Einige Menschen töten, weil sie Spaß daran haben. Das ist gegen jedes Gesetz.“

Sie würde sich nie ganz damit anfreunden können. Sie tötete, weil sie es musste.

Lya atmete aus und hob den Quersack auf. Als sie aufsah, war ihre Entschlossenheit größer als nie zuvor. Zum ersten Mal war sie bereit, die Verantwortung auf ihren Schultern zu tragen.

„Gehen wir.“

Und Lya übernahm die Führung der Gruppe.

Die Wächter

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