Читать книгу Die Wächter - Elisabeth Eder - Страница 14

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10 Lyas Entscheidung

In der steinernen Hütte waren ein grobes Bett, ein kleiner Tisch mit einem Handspiegel und ein Kasten. Lya hatte Essen und Trinken von Sylons Frau, Alma, bekommen. Dann hatte ihr die junge Dame geraten, sich in einen Leoparden zu verwandeln und das Fleisch zu fressen, da sie zwei Körper zu ernähren und auszuruhen habe.

Das hatte sie getan und in ihrer Leopardengestalt hatte sie einige Stunden geschlafen.

Nun – wieder als Mensch – saß sie auf dem Bett und seufzte leise. Bis jetzt hatte sie noch keine Erklärungen erhalten.

Allerdings war Lya noch nicht aus der Hütte gegangen. Diese Leute hielten sie für eine Königin, eine Königin, die sie nicht war. Sie meinten, Lya würde sie aus irgendeinem Untergang retten, so viel hatte sie mitbekommen. Aber nur, weil sie als Schneeleopard durch die Gegend gepirscht war, war sie nichts Besonderes. Sie war ein Mädchen, das ihre Eltern an grausame Verbrecher verloren hatte und nun immer unruhiger wurde, weil es nichts zu tun gab, womit sie sich ablenken konnte.

Es klopfte.

Sylon trat ohne Zögern ein. Wie immer trug er das grüne Filzstoffgewand und hatte einen Bogen um die Schultern geschnallt. Er trat zu ihr und seufzte: „Du weißt von nichts, ist es nicht so?“

„Ich habe keine Ahnung, was hier vor sich geht“, bestätigte Lya.

Sylon kratzte sich am Hinterkopf und erklärte: „Ich dachte, du wüsstest es bereits, aber … Alma hat gemeint, ich sollte mit dir reden. Zuerst will ich aber, dass du mir deine Geschichte erzählst.“

„Meine Geschichte?“ Lya stutzte. Dann begann sie, vom Anfang. Sie erzählte von ihrer Herkunft, von ihrem Ziehvater, ihrer Arbeit auf Burg Fuchsenstein; von dem Leoparden, der ihr die Kette gegeben hatte, von dem Überfall der Räuber bis zu dem wütenden Knurren, mit dem sie sich zum ersten Mal verwandelt hatte. Schließlich schilderte sie in knappen Worten ihre Reise und schwieg.

„Dann beginne ich auch mal von Anfang an“ Sylon holte tief Luft. „Am Anfang lebten wir Wächter in Phyan. Es gab verschiedene, kleine Menschenstämme, deren Mitglieder sich in Tiere verwandeln und mit Magie umgehen konnten. Jedem Stamm gehörte ein Bereich auf dem Land. Natürlich kam es auch immer wieder zu Bürgerkriegen, in denen die Leoparden – bis auf ein Männchen und ein Weibchen – ausgelöscht wurden. Die anderen Stämme beschlossen, nachdem sie den Irrsinn ihre Kämpfe bemerkt hatten, sie zu König und Königin zu machen. Sie sollten über die anderen herrschen, als Zeichen der Reue und als Bitte um Vergebung. Seitdem gab es immer nur zwei Leoparden, eine Frau und einen Mann. Sie herrschten gut sowie schlecht, pflegten die diplomatischen Beziehungen zu den Elfen, Zwergen und Menschen und lebten in Eintracht und Harmonie, führten Kriege und schlossen Verträge.

Die Königin besaß den Diamantschlüssel, den Schlüssel zu den Thronhallen, in dem die Kronen aufbewahrt wurden, bis es zur Krönung kam. Außerdem sind dort die Rose der Liebe – da sich die zwei Leoparden immer ineinander verliebten – und das Schwert des Sieges, das zu unserem Wappen gehört.

Die Leoparden lebten durch einen Zauber – ein Geschenk des Elfenkönigs, der noch immer auf dem Thron sitzt – länger als normale Menschen, jedoch kürzer als Elfen. Dadurch konnten sie ihre Nachfolger nach genauer Auslese auswählen. Sobald das geschehen ist, wurden diese von weisen Wächtern unterrichtet, bis die anderen beiden Könige starben. Danach erschien dem König immer ein Leopard und auch der Königin, der der Leopard den Schlüssel brachte.

Nun, vor einigen Jahren, in den Anfängen der Herrschaft von Zoltan, wurden König und Königin entführt. Die Wächter sind sofort losgezogen. Ganz Phyan war verlassen und eine gewaltige Armee marschierte zu den Toten Ebenen, in denen die Königsburg der Menschen steht. Das nutzte der König, um seine Armee auf unser geweihtes Land zu schicken und alles zu zerstören. Derweil vernichtete er uns Wächter. Wir errangen keinen Sieg, sondern mussten verletzt flüchten. Die Hälfte von uns starb. Wir begannen ein Leben bei den Menschen, bei den Elfen, bei den Zwergen. Wir sind überall auf der Welt verstreut und warteten verzweifelt darauf, dass neue Könige kamen.

Dir ist der Leopard erschienen und hat dir die Kette überreicht. Ich habe auch eine Antwort darauf, dass du dich im Augenblick der Wut verwandelt hast. Es heißt, die Königin muss lernen, ihre Feinde zu hassen und der König, seinen Gefühlen zu vertrauen.“

Sylon war fertig und sah sie ernst an. „Wir müssen losziehen und die restlichen Wächter zusammenrufen. Dir werden sie folgen. Wir gehen nach Phyan – um das sich sowohl Elfen, als auch Menschen streiten – und verhandeln über die Freiheit unseres Landes. Wir müssen ins Elfenreich, der König ist den Wächtern wohlgesinnt, heißt es.“

„Deswegen kämpft er also auch um unser Land?“, fragte Lya und zuckte zusammen, weil sie sich bereits zu den Wächtern zählte. Sie erinnerte sich an die Geschichten der schrecklichen Kämpfe zwischen Elfen und Menschen auf Phyan.

Sylon schluckte. „Das … ist nicht sicher. Du weißt, Gier und Macht stehen immer im Vordergrund. In jedem Fall müssen wir vorsichtig sein.“

„Was ist, wenn ich nicht will?“

Sylon starrte sie fassungslos an, dann seufzte er resigniert. „Du hast natürlich die Wahl. Jeder hat das. Denke gut darüber nach.“

Dann ließ er sie allein.

Lya wusste nicht, wie lange sie dasaß, wie lange sich ihre Gedanken drehten, überschlugen und vollständig verworren. Sie war Königin … sollte ein Volk leiten … der Schlüssel zu den Thronhallen … der Elfenkönig, mit dem sie verhandeln sollte – musste sie es dann nicht auch mit Zoltan versuchen? Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken – und die Träume über die Rose der Liebe und das Schwert des Sieges. Das Wappen Phyans … stand ihr Schicksal nicht schon fest, seid ihr der Leopard begegnet war? Sie erinnerte sich auch daran, dass ihr ihre Mutter immer wieder eingeschärft hatte, Dingen wie dem Schicksal und der Magie keine geringe Bedeutung beizumessen.

„Viele Fäden sind miteinander verwoben und ergeben zusammen ein Muster, das uns meistens nicht auffällt. Aber es ist da“, hatte Jastia immer gesagt.

Nach langer Zeit stand Lya auf und öffnete die Türe.

Eine Versammlung hatte offensichtlich stattgefunden, denn die Menge war gerade dabei, sich aufzulösen. Alma und Sylon standen auf einem großen, abgeflachten Stein und sprangen hinunter. Die Menschen blieben stehen und wandten sich mit gespannten Minen Lya zu, die den Rücken durchstreckte, die Schultern straffte und den Kopf hob: „Ich habe mich entschieden.“

Sie blickte Sylon fest in die Augen. „Ich werde die Stämme zusammenrufen und um unser Land kämpfen.“

Die Erleichterung, die ihr entgegenschlug, war so groß, dass Lya lächelte. Die Freudenschreie, die darauf folgten, ohrenbetäubend.

Die Wächter

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