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11 Bei den Nomaden

Müde rappelte sich Kai auf. Venus, die Häuptlingsfrau, schlief neben Halwadar auf einer der Matten, aber die Schlafstellen der Zwillinge waren leer.

Mit dem Gefühl, wieder fit zu sein, schnappte sich Kai die Tonschüssel, die neben ihm stand und ging auf wackeligen Beinen aus dem düsteren Zelt.

Draußen brannte die Sonne auf den nackten, braunen Steppenboden, durch den sich Risse zogen, als wäre ein Ungeheuer darunter und versuchte, die Erde zu sprengen. Eine Ansammlung von Zelten umgab ihn, zwischen denen Kinder mit schlanken Hunden spielten, ein Pferch, in dem Pferde standen und grasten, befand sich einige Meter weiter. Daneben waren große Tiere mit zwei Höckern angebunden, die friedlich ein paar trockene Sträucher kauten. Ihr Fell war sandgelb und kurz. Kai musterte einen Moment diese ungewöhnlichen Tiere, dann wandte er sich ab, denn direkt hinter dem Zelt des Häuptlings war eine kleine Oase.

Braune Stiele ragten staubig in die Luft, während lange, grüne Blätter davon abstanden. Sie bildeten ein kleines Dach und spendeten Schatten. Kai hatte gehört, dass diese Bäume Palmen hießen. Sie standen um einen kleinen, blauen Teich. Zwischen den Palmen wuchsen große Sträucher, an denen orangene Früchte hingen.

Kai kniete sich an das sandige Ufer in den Schatten einer Palme, tauchte die Schüssel ein und trank gierig von der herrlichen Flüssigkeit. Sein Blick wanderte derweil durch die Gegend. Um ihn herum war nur die trockene, rotbraune Erdlandschaft. Hie und da lag ein Felsen, hie und da stand ein einsamer Baum, es gab kleine Ansammlungen von Sträuchern, die kaum Blätter trugen. Allerdings konnte er entfernt verschwommen die grauen Berge sehen, die hoch in den Himmel ragten. Sein Blick wanderte weiter und er blickte in die Richtung, in die er reisen musste. Dort war also Norden. Dort begannen die Wälder. Irgendwann …

Er wusch sich sein Gesicht und seine Hände, betrachtete die Zelte. Inzwischen waren ein paar Frauen herausgetreten. Sie trugen helle Kleider und Halsketten, Armbänder und Fußbänder mit Holzperlen. Das schien hier Mode zu sein, außerdem hatten einige Tücher um ihre Köpfe gewickelt.

„Hey, da ist ja unser Verletzter!“

Kai sah auf. Jain und Theo kamen auf ihn zu. Sie trugen – wie immer – ihre hellen Hemden und ließen sich neben ihm nieder.

„Du leuchtest nicht mehr wie Feuer, das ist schon mal was“, grinste Theo.

„Und seine Haut ist braun geworden, jetzt glitzert sie sogar“, fuhr Jain fort. „Wie eine kleine Fee.“

„Ha-Ha“, brummte Kai und lehnte sich gegen die Palme hinter ihm. „Was habt ihr so früh gemacht?“

Theo lächelte diebisch. „Gejagt.“

Kai hob eine Augenbraue und fragte: „Geht ihr eigentlich den ganzen Tag nur Jagen?“

„Die Nahrung ist knapp“, sagte Jain.

„Die Mäuler hungrig“, erklärte Theo ernst.

Kai lachte. „Natürlich, ihr müsst für das gesamte Dorf jagen, die anderen Männer schaffen es ja nicht!“

„Klar“, sagte Theo sofort. „Wir sind die Helden der Nomaden!“

Kai rollte mit den Augen und lachte. Die anderen beiden stimmten mit ein.

„Dir geht’s wieder besser?“, fragte Jain schließlich, als Kai eine Weile geschwiegen hatte.

Er zuckte mit den Schultern. „Geht so.“

„Komm, wir müssen dir etwas zeigen“ Theo sprang auf. „Es treibt Vater immer in den Wahnsinn, aber wenn wir uns beeilen, sind wir rechtzeitig dort.“

„Wo?“ Neugierig stand Kai auf.

„Sattle dein Pferd! Zaumzeug und Sattel liegen neben unserem Zelt! Wir holen derweil unsere, gut?“

Jain winkte ihm noch kurz zu.

Kopfschüttelnd holte Kai den Sattel und das Zaumzeug und lief zu dem kleinen Pferch, wobei er das Zeltlager durchqueren musste. Ihm wurden hie und da interessierte Blicke zugeworfen, völlig anders als in der Stadt, wo man ihn als Straßenkind, Dieb, Streuner und Halbelf immer schief beäugt hatte. Die Pferde der Nomaden waren gescheckt und kleiner als die, die Kai sonst immer in Jamka gesehen hatte. So konnte er den schwarzen, riesigen Hengst leicht zwischen den anderen ausmachen. Das Pferd graste gerade friedlich neben einer weiß-braunen Stute.

„Donnerhuf!“, rief er leise.

Der Rappe blickte auf und schnaubte, dann trabte er gemächlich auf ihn zu. Kai streichelte Schnauze und Stirn seines Pferdes, ehe er den Pferch öffnete und Donnerhuf hinausließ. Der Hengst blieb ruhig neben ihm stehen, als Kai ihm das Geschirr anlegte und sich hinaufschwang.

Dann trabte er wieder zu der kleinen Oase.

Jain und Theo warteten auf weiß-schwarz gefleckten Pferden und grinsten spitzbübisch.

„Wer schneller bei den großen Felsen ist!“, riefen sie und preschten los.

Kai fluchte und drückte Donnerhuf die Knie in die Flanken. Sofort verfiel das Pferd in einen wilden Galopp. Die beiden rasten auf die Zwillinge zu, die einen beachtlichen Vorsprung gewonnen hatten. Wind peitschte ihm die Haare aus dem Gesicht, er bewegte sich mit Donnerhufs Galopp mit. Die öde Landschaft raste an ihm vorbei und er stieß einen Freudenschrei aus. Endlich fühlte er sich frei!

Die Pferde wirbelten große Staubwolken auf. Kai hustete, als er Jain und Theo näher kam. Vor ihm ragten riesige, rote Felsen auf, die wie Striche aus dem Boden wucherten. Büsche und Gräser wuchsen vereinzelt darauf.

Kai überholte Jain und Theo und lachte ihnen im Vorbeireiten zu. Immer näher kamen die Felsen und Donnerhuf beschleunigte sein Tempo, als er die Vorfreude seines Reiters spürte. Schließlich bremste Kai sein übermütiges Pferd ab. Theo war schneller als sein Bruder und jubelte noch darüber, als sie die Pferde hinter einigen Felsen festbanden. Schließlich verfielen sie in eine spielerische Rangelei.

„Gut …“ Keuchend befreite sich Theo aus dem Schwitzkasten seines Bruders. „Gut … aufhören …“

„Du gibst also auf!“, lachte Jain und grinste breit.

„Niemals!“, sagte Theo sofort.

Jain schüttelte den Kopf und wandte sich Kai zu: „Er hat viele Visionen, der Kleine … Na ja, ist auch egal. Siehst du die breite Fläche da oben? Wir klettern immer hinauf und oben –!“

„Verrats nicht!“ Theo stieß seinen Bruder in die Seite. „Er wird es dann schon sehen.“

„Dann stoßt ihr mich runter, oder was?“, fragte Kai belustigt.

„Vollkommen richtig“, sagte Jain ernst und Theo drängte ihn nun zur Seite und sagte: „Was er damit sagen will: Kletter!“

„Ihr seid sehr motivierend“, murmelte Kai und rollte mit den Augen, aber seine Mundwinkel zuckten verräterisch. „Nach euch.“

Jain erklomm die ersten Ritzen, danach stieg Theo hinauf. Kai folgte ihnen. Er spürte, wie seine Arm- und Beinmuskeln anfingen zu protestieren, denn sie waren eine zu lange Ruhepause gewöhnt gewesen. Oder lag es daran, weil er noch nicht fit genug war?

Er suchte sich Ritzen und hervorstehende Felsen. Die Sonne brannte in seinem Nacken, Schweiß tropfte von seiner Stirn und einige Male wurde ihm schwindelig. Dennoch kletterte er am Ende mühsam über die Kante und richtete sich taumelnd und keuchend auf.

Der Anblick, der sich ihm bot, war gewaltig.

Er blickte über die Weiten der Steppe, über Grasansammlungen, Herden von Antilopen, Rudeln von Hyänen und einigen Löwen, über rotbraune Felskonstellationen, bis zu den Ausläufern der Steppen, wo die saftigen, grünen Wiesen begannen.

„Das hat sich gelohnt“, flüsterte er.

„Hey, Soldatenjunge, komm mal!“, rief Jain und winkte ihn hinüber. Er stand bei einer kleinen Höhle, die in den Fels gehauen war. Kai ging zu ihm und bewunderte immer noch den fantastischen Ausblick, der sich ihm bot.

In der Höhle lagen einige Schlafmatten, Bögen, Köcher mit Pfeilen, Schwertern und Helme. Außerdem sprudelte eine Wasserquelle aus einem Felsen und versickerte im Erdboden, aber ein dünnes Rinnsal blieb. Jain hockte daneben und wusch sich das Gesicht, Theo hatte sich einen Helm geschnappt und hielt ihn unters Wasser: „Nimm auch einen. Wir warten auf eine Herde und dann geht es los!“

„Ihr wollt den Tieren Wasser auf den Kopf schütten?“, fragte Kai und seufzte. „Wie alt seid ihr? Drei?“

„Sechzehn, um genau zu sein. Du kannst dir nicht vorstellen, wie langweilig das Leben hier ist“, erklärte Theo und grinste. „Außerdem muss jemand für Abwechslung sorgen und diese Aufgabe bleibt an uns Helden hängen.“ „Klar“ Kai hob einen der Helme auf und hielt ihn unter die Wasserquelle. Theos war bereits gefüllt und er ging rasch aus der Höhle. „Es wird dir sicher Spaß machen“, grinste Jain. „Und wenn du wirklich dein ganzes Leben Dieb warst, kannst du deine Kindheit hier nachholen. Sieh es als Geschenk.“ Kurz darauf merkte der Junge, dass er in ein großes Fettnäpfchen getreten war, denn Kais Augen wurden schmal und beinahe schwarz vor Dunkelheit. Schluckend schwieg er. Kai erhob sich und lächelte gepresst. „Ich hoffe, dass es sich lohnt!“ Draußen wartete Theo am Rande eines Felsvorsprungs und blickte hinunter. Ein listiges Lächeln lag auf seinen Zügen: „Gnus!“ „Gnus?“, wiederholte Kai fragend und folgte seinem Blick. Kurz darauf sah er die schwarzen, gehörnten Tiere, die in einer schattigen Schlucht grasten und lächelte verständnisvoll. Jain tippte ihm auf die Schulter und bedeutete ihm, seine Position einzunehmen. „Jetzt“, murmelte Theo und schüttete den Inhalt des Helmes hinunter. Kai und Jain folgten seinem Beispiel. Mit einem Platschen landete das kalte Wasser auf dem Rücken der Gnus, die wilde Schreie ausstießen und nach vorne preschten. Jain und Theo lachten sich ins Fäustchen, während Kai grinsend beobachtete, wie die Herde direkt aus der Schlucht schoss. Währenddessen sprangen Krieger in schwarzen Tuniken hinter Felsen hervor. Fluchend suchten sie Deckung hinter Gesteinsformationen, die weiter entfernt standen. „Oh, verdammt“, fluchte Jain und wurde bleich. „Wir hätten sie fast getötet …“ „Ach, wir haben dafür gesorgt, dass ihre Reflexe besser trainiert wurden“ Doch auch Theo sah besorgt aus. Kai blickte zu den Kriegern, die sich in der Mitte der Schlucht sammelten. Einige starrten wütend hinauf, dann wandten sie sich um und machten sich daran, die Herde zu verfolgen, die einige Hügel weiter stehen geblieben war. Irgendwann stieß Jain Kai an: „War’s wirklich so langweilig?“ „Es war das Beste, was ich bis jetzt getan habe“, erwiderte er.

Als die Jungen am Abend erschöpft heimkehrten – sie hatten stundenlang mit Schwertern geübt, waren hinabgeklettert, durch die Wüste geritten und hatten verschiedene Früchte verschlungen – schimpfte Venus, während Halwadar grimmig daneben saß und ein paar Worte einwarf.

Kai bekam auch sein Fett weg, aber er war zu müde, um sich darum zu kümmern, murmelte nur eine Entschuldigung und ließ sich erschöpft auf die Schlafmatte sinken.

„Lass ihnen ihren Spaß“, murrte Halwadar gutmütig, als Venus Luft holte. Diese wandte sich sofort zu ihm um: „Vorhin hast auch du geflucht! Ihr wart in Lebensgefahr! Aber bitte, wenn du unbedingt meinst“ Seufzend blickte sie zu Kai. „Er ist wieder völlig erschöpft. Jain, Theo, was habt ihr getan?“ „Nicht viel“, murmelten diese ausweichend. Seufzend ging Venus zu Halwadar, der ruhig sagte: „Uns ist ja nichts passiert. Und Bewegung schadet einem Kranken für gewöhnlich nicht.“ „Außerdem haben wir euch nicht gesehen“, rechtfertigte sich Jain. „Erst, als ihr dann wie vom Teufel verfolgt aus euren Verstecken gesprungen seid“, fügte Theo hinzu. Kai lächelte im Halbschlaf. „Ihr werdet für ein Monat für die Pferde verantwortlich sein. Jedes einzelne waschen und striegeln, danach werden wir nicht mehr über die Sache reden, einverstanden?“, fragte Halwadar. „Ja, Vater“, murrten die Zwillinge.

Als er am nächsten Tag erwacht war, fühlte er sich kräftig und erholt. Lächelnd ging er hinaus, um etwas zu trinken, allerdings erstarrte er, als er einen großen, goldenen Löwen erblickte, der bei der Wasserquelle hockte und gemütlich seine Zunge hineintauchte.

Mit wild klopfendem Herzen ging er langsam zurück. Der Löwe bemerkte ihn nun und starrte ihn lange Zeit an. Schluckend blieb Kai stehen, er wagte nicht, sich zu bewegen. Nach einer Ewigkeit wandte sich das Tier ab und sprang zwischen einige Büsche.

Kai drehte sich um und lief zurück ins Zelt.

„Ein Löwe! Draußen!“

Er kniete bei seinem Waffengürtel nieder und nahm sein Schwert. Die Klinge erzeugte ein scharfes Geräusch, als sie gezogen wurde und Halwadar schreckte auf: „Was tust du da?“

Augenblicklich ergriff er den Säbel neben seiner Schlafmatte und richtete ihn auf Kai.

„Draußen ist ein Löwe!“, wiederholte dieser.

Halwadar sah so aus, als würde er lachen. „Ein Löwe?“

Kai nickte und blickte zu Jains und Theos Betten, die verlassen waren. Er schluckte: „Vielleicht hat er deine Söhne –!“

In dem Moment traten sie ins Zelt, gesund und munter und über beide Ohren grinsend. Halwadar steckte den Säbel zurück und warf ihnen einen mörderischen Blick zu, dann sagte er ruhig: „Kai, da draußen gibt es keine Löwen.“

„Wir haben einen gesehen“, sagte Jain ruhig.

„Einen großen Burschen“, nickte Theo.

„Macht euch nicht über mich lustig!“, fauchte Kai. Sein Schwert fiel klirrend zu Boden.

Venus regte sich: „Was ist los?“

„Ein Löwe ist draußen!“, wiederholte Kai zum gefühlten tausendsten Mal.

„Du bist müde“, sagte Venus und vergrub sich wieder unter der Decke. Halwadar stand seufzend auf und ging missmutig aus dem Zelt.

Jain und Theo setzten sich zu Kai und kicherten.

„Ich habe keine Fantasien, kapiert?!“, knurrte er.

„Wir haben wirklich einen gesehen“, versicherte Theo.

„Und wir haben ganz bestimmt keine Fantasien“, lachte Jain.

Kai verspürte den Drang, seine Hände fest um ihre Kehlen zu legen.

Halwadar kam herein und erblickte Kai, der mit finsterem Blick die Arme verschränkt hatte und seine Söhne, die wie immer grinsten. Er beschloss, gutmütig zu sein und sagte: „Da draußen waren wirklich Löwenspuren.“

„Ha!“, rief Kai triumphierend.

„Aber weit und breit ist keiner zu sehen. Vielleicht ist er geflohen“, fuhr der Häuptling fort.

„Er ist weggesprungen, als er mich gesehen hat“, bestätigte Kai.

„Kai, du bist ein Held!“, stichelte Jain. „Bruderherz, wir färben ab“, grinste Theo. Grollend nahm Kai eine der Früchte und aß sie still in einer Ecke. Wieso nahm hier keiner seine Warnungen ernst? Waren Löwen nicht gefährlich für Mensch und Tier?! „Dein Fieber und dein Sonnenbrand scheinen geheilt zu sein“, sagte der Häuptling schließlich. „Ich gebe dir noch einen Tag. Morgen, bei Tagesanbruch, reitest du weiter.“ „In Ordnung“, erwiderte Kai. „Jain, Theo, erklärt ihm den Weg und zeigt ihm die Richtung!“ Damit machte er unmissverständlich klar, dass die Jungen hinausgehen sollten. Kai folgte den Zwillingen, die sich zur Oase bewegten und die großen Löwenspuren betrachteten. Dann sagte Jain lächelnd: „Da war wirklich einer.“ „Ihr glaubt mir ja alle nicht“, murrte Kai. „Komm schon, die paar Witze!“, lachte Theo und klopfte ihm auf die Schulter. Dann deutete er nach vorne und erklärte: „Da musst du entlangreiten und du kommst zu den Wäldern. Wie du weiter willst, weiß ich nicht. Aber vier Tage solltest du ungefähr brauchen. Für jeden Tag solltest du einen Wasserschlauch mitnehmen, der reicht für dich und dein Pferd. In der Nacht wird es eisig kalt, das heißt du brauchst auch einige Decken. Und für die Sonne geben wir dir eine unserer Tuniken. Die haben Kapuzen, falls es dir noch nicht aufgefallen ist, die schützen vor der Sonne. Außerdem gibt es Cremen voller Tierfett, wenn du dir die auf dein Gesicht schmierst, ist es einige Stunden geschützt.“ „Wir geben dir natürlich alles. Du musst keine Tiere jagen und ausnehmen oder Decken flicken, das würde zu viel Zeit kosten. Aber wir könnten in die Steppen reiten und Früchte sammeln – und noch einmal ein paar Rennen veranstalten“, sagte Jain und lächelte. „Also dann, los!“ Kai sprang motiviert auf.

Im Morgengrauen wurde er von Venus geweckt. Müde schlurfte Kai zum Pferch, führte Donnerhuf hinaus und sattelte ihn, legte ihm Zaumzeug an und gab die Nahrung, die Cremen, die Decken und einigen Seifen, plus die vier vollen Wasserschläuche in die Satteltaschen. Dann stieg er wieder ins Kettenhemd, in die Schulterpanzer, in das lederne Wams und in die Handschuhe und zog die schwarze Tunika darüber.

Venus, Halwadar, Jain und Theo standen vor dem Zelt und sahen ihm schweigend zu. Venus trat vor und umarmte ihn kurz: „Viel Glück, Kai!“

„Danke“, murmelte er verlegen.

Halwadar nickte ihm zu, offenbar die respektvollste Geste, die er für Kai übrig hatte.

Die Zwillinge traten vor und klopften ihm auf die Schulter.

„Pass auf dich auf, Soldatenjunge“, murmelte Jain.

„Genau. Und sieh zu, dass deine Fantasien nicht zu sehr ausarten“, fügte Theo grinsend hinzu.

Kai boxte ihm leicht gegen die Schulter. „Danke. Viel Spaß noch, ihr Helden.“ Dann schien alles gesagt zu sein. Theo und Jain traten zurück und Kai schwang sich in den Sattel. Er drehte sich noch einmal um und winkte, dann drückte er Donnerhufs Flanken. Mit einem leisen Wiehern preschte der Hengst nach vor. Kai drehte den Kopf nach hinten. Halwadar und Venus gingen zurück ins Zelt, Jain und Theo standen bewegungslos und ein wenig trübsinnig da. Auch Kai verspürte Trauer, denn er hatte zwei Freunde gewonnen und nun wieder verloren. Irgendwann wandten sich die Zwillinge ab und trotteten zu der kleinen Oase. Kai wandte den Blick nach vorne und erschauderte, als er das laute Gebrüll eines Löwens hörte. Panisch drehte er den Kopf in alle Richtungen. Kurz meinte er, aus den Augenwinkeln Theo zu sehen, der ihm lachend zuwinkte, aber er achtete nicht mehr darauf, sondern gab Donnerhuf die Sporen.

Die Sonne stieg auf. Kai war unsagbar heiß, noch dazu trug er die Soldatenrüstung unter dem Wams. Er beschloss, seine Strategie zu ändern. Er lenkte das Pferd in den Schatten eines Baumes, gab ihm zu Trinken und trank selbst gierig. Er aß einige Früchte, baute sich aus Stöcken und Decken ein kleines Sonnendach und legte sich darunter, um zu schlafen.

Als die schlimmste Mittagshitze vorbei war, packte er die Sachen wieder zusammen und schwang sich in den Sattel. Er ritt die ganze, eiskalte Nacht durch, seine Finger waren steif vor Kälte und er fror erbärmlich. Seine Zähne klapperten, die Lippen waren blau.

Helle Sterne leuchteten ihm den Weg und der Mond erstrahlte in der Nacht. Tiere kreischten, krochen herum, fauchten, knurrten und stießen fremdartige Schreie aus. Die Steppe erwachte zum Leben und Kai wäre beinahe in die Nähe eines Hyänenrudels geritten, konnte aber im letzten Moment Donnerhuf weglenken.

Löwengebrüll ertönte, Elefanten trompeteten durch ihre Rüssel und Kai sah die Silhouetten der großen Tiere am Horizont auftauchen.

Er ritt, bis die Sonne aufging und ihre warmen Strahlen über den Boden tasten ließ. Die rotbraune, trockene Erde erstrahlte, die Büsche glänzten blassgrün. Bis zum Mittag reisten Reiter und Pferd, ehe Kai eine Pause machte, gierig trank und Donnerhuf den Rest überließ. Dann aß er eine einzelne Frucht und baute sein kleines Überdach, ehe er sich niederlegte und in einen langen, erschöpften Schlaf fiel, der bis zur Abenddämmerung andauerte.

Drei Tage reiste Kai auf diese Weise.

Am vierten Tag wurde die Landschaft fruchtbarer. Bäume ragten aus dem Boden, Grashalme wuchsen dichter. An einigen Stellen war die Erde schlammig, an anderen flossen kleine Rinnsale. Hügel, die mit grünem, gelbem und braunem Gras bedeckt waren, türmten sich vor ihm auf.

Endlich erblickte er die Ausläufer des dunkelgrünen Waldes. Die Bäume erhoben sich in den Himmel. Donnerhuf beschleunigte sein Tempo, ohne, dass Kai es ihm befahl. Sie galoppierten auf den Wald zu, beide erschöpft, aber froh.

Als der Junge noch einmal zur Steppe zurückblickte, flimmerte diese in der Hitze. Die rotbraune Erde verschwamm am hellblauen Horizont, bis Kai die Bäume umschlossen und er nichts mehr außer den dicken Stämmen und den saftigen Sträuchern sah.

Der Aufenthalt bei den Nomaden erschien ihm wie ein Traum.

Die Wächter

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