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III.Strafrechtliche Grundsätze 1.Das Gesetzlichkeitsprinzip

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7Der Gesetzgeber des StGB hat im § 1 eines der Hauptprinzipien des Strafrechts ganz an die Spitze des Gesetzes gestellt: das Gesetzlichkeitsprinzip. Dieses besagt, dass eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Es garantiert damit den Schutz des Einzelnen vor willkürlicher staatlicher Strafgewalt. Diese Grundsätze „nullum crimen sine lege“ („Kein Verbrechen ohne Gesetz“) und „nulla poena sine lege“ („Keine Strafe ohne Gesetz“) sind keineswegs nur als rechtshistorische Sätze zu verstehen. Sie sind unmittelbar geltendes aktuelles Gesetz (§ 1 StGB) mit Verfassungsrang (Art. 103 II GG). Man bezeichnet diese Garantiefunktion des Strafgesetzes deshalb auch als „magna charta des Verbrechers“ und könnte sie auch die „Grundrechte des Straftäters“ nennen. Im Einzelnen hat das Gesetzlichkeitsprinzip folgende vier Bedeutungen (Einzelprinzipien):14

8a) Der Bestimmtheitsgrundsatz.. Wenn § 1 anordnet, dass die Strafbarkeit „bestimmt“ sein muss, so soll sichergestellt sein, dass jedermann vorhersehen kann, welches Verhalten bei Strafe verboten ist (bzw. „pönalisiert“ wird). Deshalb müssen die einzelnen Tatbestandsmerkmale möglichst so konkret formuliert sein, dass sich ihre Bedeutung zumindest durch Auslegung ermitteln lässt.

9b) Das Rückwirkungsverbot.. Dem Strafgesetz darf keine rückwirkende Kraft beigelegt werden. In § 2 findet sich eine Konkretisierung dieses Rückwirkungsverbotes. Das Verbot umfasst nicht nur den Straftatbestand, sondern auch die Rechtsfolge, also sowohl das Ob als auch das Wie der Strafbarkeit. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rückwirkung ist nach § 8 die Zeit, in der der Täter gehandelt hat.

10Übungsfall 2: „Stromentnahme-Fall“

Um die vorletzte Jahrhundertwende (um 1900), als die Verwendung des elektrischen Stromes allmählich allgemein üblich wurde, kamen gewitzte Leute auf die Idee, den Strom mit einem Kabel schon vor dem Zähler abzuzapfen. Strom wurde also verbraucht, ohne dass der Verbrauch registriert wurde. Diese Leute sind damals zunächst wegen Diebstahl gem. § 242 StGB angeklagt worden.

Aufgabe: Lesen Sie § 242 StGB und prüfen Sie, ob diese „Stromentnahme“ ein Diebstahl sein kann!

Dieser historische Stromentnahme-Fall wäre heute leicht zu lösen, denn in § 248c ist der geschilderte Vorgang konkret erfasst, also bestimmt: „Wer einer elektrischen Anlage oder Einrichtung fremde elektrische Energie mittels eines Leiters entzieht, […]“ Zum Zeitpunkt der Tatbegehung gab es aber diese Vorschrift noch nicht. Sie ist erst später gerade wegen dieser Stromentnahmefälle in das StGB eingefügt worden, was man übrigens an dem kleinen Buchstaben c erkennen kann. Der damals natürlich schon existierende § 242 (Diebstahl) konnte keine Anwendung finden, weil nach überzeugender Experten- und Sachverständigenmeinung Strom keine „Sache“, sondern eine Energieform ist. Schon damals (das StGB gibt es seit 1871) galt § 1: Keine Strafe ohne Gesetz! Die Stromentnahme war deshalb zum damaligen Zeitpunkt der Tatbegehung (Tathandlung) nicht strafbar.

11c) Das Analogieverbot.. Unter Analogie versteht man eine entsprechende Anwendung einer Regel auf einen ähnlichen Fall. Zu Ungunsten des Täters wäre eine solche analoge Anwendung (z. B. von Tatbeständen) unzulässig. Zugunsten des Täters ist die Analogie dagegen erlaubt. Im Stromentnahme-Fall könnte man meinen, dass es keinen Unterschied macht, ob man Äpfel oder Strom „stiehlt“. Schließlich könnte man dann den § 242 einfach analog, also entsprechend anwenden. Nur Äpfel sind „Sachen“ und Strom nicht. Strom ist nach Expertenmeinung eine Energieform und keine Sache. Zu Lasten des Täters wäre eine solche Analogie nicht zulässig.

12d) Das Verbot von Gewohnheitsrecht.. Als Gewohnheitsrecht bezeichnet man eine langjährige, anerkannte und weitgehend unstrittige Übung in der Beurteilung bestimmter Fragen. Zugunsten des Straftäters wäre sie erlaubt, zu seinem Nachteil dagegen nicht.

13Übungsfall 3: „Bankomatenmissbrauchs-Fall“

A. hebt an einem Geldausgabeautomaten mit der EC-Karte (Maestro-Karte) seiner Freundin F. ohne ihr Wissen und gegen ihren Willen unter Eingabe ihrer persönlichen Geheimzahl (PIN) 500,– € ab.

Aufgabe: Lesen Sie die §§ 242, 246, 263 und 265a und prüfen Sie, ob diese Vorschriften einschlägig sind! Lesen Sie dann § 263a!

Als die ersten „Bankomaten“ (offiziell Geldausgabeautomaten GAA genannt) aufgestellt wurden, gab es schon relativ schnell die ersten Missbrauchsfälle. Täter „organisierten“ sich EC-Karten mit der dazu gehörigen persönlichen Geheimnummer (PIN) und hoben damit unberechtigt Geld ab. § 242 (Diebstahl) lag nicht vor, denn der setzt eine „Wegnahme“ voraus, während der Automat die Geldscheine „herausgibt“. Tathandlung der Unterschlagung (§ 246) ist die rechtswidrige Zueignung. Wenn aber am Automaten die auf dem Magnetstreifen gespeicherten Daten mit der dazugehörigen PIN eingegeben werden, dann wird die Bank „frei“, d. h. es findet dann ein wirksamer Übereignungsakt statt. Und somit liegt dann aber keine „rechtswidrige Zueignung“ vor. Betrug setzt u. a. eine Täuschung beim Täter und eine entsprechende Irrtumserregung beim Opfer voraus. „Errare humanum est“: Nur ein Mensch kann getäuscht werden, eine Maschine dagegen nicht. Die Leistungserschleichung gem. § 265a nennt zwar als Tatobjekt auch den „Automaten“, gilt aber nur für sog. Leistungsautomaten. Es geht dabei um das Erschleichen einer Leistung, der Bankomat aber ist ein „Warenautomat“, weil durch ihn Geldscheine ausgegeben werden. Alle geprüften Strafvorschriften waren also zum damaligen Zeitpunkt nicht einschlägig: Keine Strafe ohne Gesetz! Aber der Gesetzgeber hat erstaunlich schnell reagiert, um diese Strafbarkeitslücke zu schließen. Die Schaffung des § 263a (Computerbetrug) war gerade auch im Hinblick auf Fälle des Bankomatenmissbrauchs formuliert worden. Heute wäre der Vorgang gem. § 263a I strafbar, weil der Täter A. „das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs (Geldausgabe mit Abbuchung vom Girokonto) durch unbefugte Verwendung von Daten (Magnetstreifen, PIN)“ beeinflusst hat, um „sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen“ (500,– €).

Zum Schluss noch ein Beispiel:

„Vorübergehende unbefugte Ingebrauchnahme eines fremden Segelbootes. Strafbar? § 242? § 248b? Wie wäre es, wenn jemand ein fremdes Motorboot unbefugt benutzt? Nehmen Sie an, der Täter hat – wie von Anfang an geplant – das Boot in beiden Fällen unbeschädigt nach zwei Stunden zurückgebracht und ordnungsgemäß am ursprünglichen Ankerplatz wieder vertäut.

Im Falle der Segelbootentwendung fehlt es für § 242 an der „Zueignungsabsicht“, denn das Boot wird ja dem Eigentümer (ohne wesentlichen Wertverlust) zurückgegeben. Für § 248b (Unbefugter Gebrauch eines Fahrzeugs) gilt: Ein Segelboot ist ein Segelboot und eben kein Kraftfahrzeug und auch kein Fahrrad. Kraftfahrzeuge sind nur solche Fahrzeuge, die durch Maschinenkraft angetrieben werden (Legaldefinition in § 248b IV). Das Ganze mag für den Eigentümer des Segelbootes genauso ärgerlich sein wie für den Eigentümer eines Autos oder Fahrrads. Aber die Analogie zu Ungunsten des Täters ist verboten. Der unbefugte Segelbootfahrer kann somit nicht bestraft werden. Für den Benutzer des Motorbootes gilt dagegen § 248b, weil ein Motorboot durch Motorkraft bewegt wird und somit als Kraftfahrzeug gilt.

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