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Phil Taylor: der Getriebene

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Phil Taylor ist dem Sport ebenfalls erhalten geblieben. Auch zwei Jahre nach seinem Abschied spielt er noch richtig gute Darts, besiegt auf Exhibitions immer wieder mal die Topspieler-Spieler, auch Michael van Gerwen. Solche Siege sind für ihn bis heute die größte Genugtuung. Diesen unbändigen Ehrgeiz wird Taylor niemals ablegen, da kann seine Zeit auf der Tour noch so weit zurückliegen. Für die Veranstalter von Exhibitions ist das teilweise gar nicht so einfach. „The Power“ zu bitten, eine Partie gegen einen krassen Außenseiter zumindest eine Zeitlang etwas ausgeglichener zu gestalten, weil es dadurch für die Fans und Zuschauer unterhaltsamer wäre, kannst du knicken. Da gibt es sehr böse Blicke vom Altmeister.

Und es geht auch ums Finanzielle. So viel der Multimillionär in seiner Karriere auch verdient hatte: Ordentlich abzusahnen ist ihm auch mit 60 noch sehr wichtig. Das hat wohl mit seiner Lebensgeschichte zu tun. Aufgewachsen in der Arbeiterstadt Stoke-on-Trent in ziemlich armen Verhältnissen, fasziniert ihn das, wovon er in seinen ersten knapp 30 Lebensjahren ziemlich wenig hatte: Geld. Und so schien es ihm nach der WM 2018 auch wichtiger, auf Weltreise zu gehen und viele Einladungsturniere zu bestreiten, als zu Hause zu bleiben und Zeit mit seiner Familie und den Enkelkindern zu verbringen.

Phil Taylor redet selten über seine Erfolge. So tickt er nicht. Er hat sich niemals irgendein Match später noch mal auf Video angesehen, auch nicht mit Freunden. Das langweilt ihn, weil es in der Vergangenheit liegt. Taylor erzählt eher darüber, was er in den letzten Jahren auf der Profitour vermisst hat: den Respekt der neuen Generation zum Beispiel. Die jungen Wilden sind selbstbewusster als früher, haben ein ganz anderes Selbstverständnis. Sie sehen sich als Profis und haben damit die gleichen Rechte und Pflichten wie diejenigen, die seit Jahrzehnten dabei sind. Taylor mag das nicht. Vielleicht, weil er früher selber so war. Er hat seine Arroganz eingesetzt, um andere einzuschüchtern.

Ich habe mich gerade um seine letzte WM herum recht viel mit ihm unterhalten und ihn als Getriebenen erlebt, immer auf der Suche nach dem nächsten Erfolg, weil der gerade eingespielte Sieg für ihn sofort wertlos war. Phil erzählte mir mal, dass selbst die Siegerehrung nach einem Turniersieg für ihn eher Zeitverschwendung gewesen sei, weil der Triumph ja schon hinter ihm lag, wenn auch nur wenige Minuten. Das hatte ihm sein Vater Douglas beigebracht. Und auch sein Mentor Eric Bristow, der fünfmalige Weltmeister, der am 5. April 2018 verstarb. Beide akzeptierten nur den Sieg, nur der Turniergewinn zählte. Wenn Taylor Bristow anrief und sagte: „Ich habe das Finale erreicht“, fragte Bristow ihn, warum er es nicht gewonnen habe und dass er ihn nicht anrufen solle, wenn er keine Turniere gewänne. Gewann er Turniere – und er gewann sie in Serie, gerade in den 1990er-Jahren –, dann wollte sein Vater gleich wissen, was als Nächstes anstünde. Es ist sicher schmerzhaft, Menschen, die einem wichtig sind, nie zufriedenstellen zu können, aber das ständige Streben danach war vielleicht mit ein Grund, warum Phil Taylor über einen Zeitraum von drei Jahrzehnten solch einen Erfolg haben konnte.

Es gibt unzählige Geschichten über „The Power“, die demonstrieren, wie weit er die Konkurrenz überragte. Und ich meine dabei nicht die 237 Turniersiege, die 72 PDC-Major-Erfolge oder dass er die Weltmeisterschaft von 1995 bis 2002 achtmal in Folge gewann. Es sind mehr die kleinen Geschichten, von denen gefühlt jeder Spieler aus jener Zeit mindestens eine Handvoll kennt und auch prahlend erzählt, um seine Nähe zum Superstar zu unterstreichen. Eine Art Mund-zu-Mund-Propaganda, die Taylor auf einen Sockel hob, weit über alle anderen. So hat Phil beispielsweise mal mit Chris Mason trainiert, ging nach einer kurzen Pause ans Board und warf eine 180. Mason legte eine 180 nach. Anstatt die nächste 180 zu versuchen, spielte „The Power“ mit seinen drei Darts T20, T19, D12. Er hatte das perfekte Spiel also komplettiert. „We should play doubles“, sagte Phil lachend. Er war immer imstande, einen draufzulegen. Und gerade im Training spielte Taylor, der sehr fleißig, teilweise geradezu besessen war, sich seine Gegner zurecht. Genau dort holte er sich den Respekt, den er dann auf den großen Bühnen nutzte, um die Konkurrenz in die Schranken zu weisen. Alle sollten ihm zuschauen, wenn er in der Player’s Lounge am Trainings-Board 180er in Serie warf oder auch mal einen 9-Darter einstreute. Darin hatte Taylor ein verdammt gutes Gespür, in diesen Psychospielchen war er ein Meister.

Als Taylor Ende der 1990er-Jahre zusammen mit Keith Deller, dem Weltmeister von 1983, in den USA unterwegs war, sollte er an einem Abend an einem Darts-Cricket-Turnier teilnehmen. Taylor, zu dieser Zeit siebenmaliger Weltmeister, kannte diese Darts-Variante nicht und sein amerikanischer Gegner kannte Taylor nicht. Noch nicht. Deller stellte sich neben Phil und sagte ihm immer wieder an, welche Zahl er treffen solle. „Starte auf Bull“, sagte Deller. Taylor traf das Bullseye. „Wirf eine 180, jetzt T19, T18, T17“. Taylor unterlief kein Fehler, er spielte seinen Gegner in Grund und Boden. Der hatte so etwas live noch nie in seinem ganzen Leben gesehen.

Rod Harrington, der Mitte der 1990er-Jahre zweimal die Nummer eins der PDC war, hatte lange Zeit eine positive Bilanz gegen Taylor. Keiner schlug den Großmeister bis 1997 so häufig wie er. Harrington hatte bewusst selten mit Phil trainiert. Was ihn am meisten beeindruckte, war Taylors Attitude, seine Einstellung, seine Fähigkeit, sich zu konzentrieren. Harrington, der schon zu seinen Spielerzeiten in das Board of Directors der PDC gewählt wurde, erinnert sich an einen WM-Tag 1996 in der Circus Tavern, dem alten WM-Austragungsort. Taylor kam zu seinem Spiel, er war verärgert, hatte private Probleme, irgendwas passte ihm nicht. Man durfte ihn nicht ansprechen, sonst wäre er geplatzt. Wie jeder Dartspieler weiß, die denkbar schlechteste Voraussetzung, um gute Darts zu werfen, weil du abgelenkt bist, nicht die nötige Ruhe und Konzentration findest. Normalerweise. Es war das Jahr 1996, Taylor war erstmals bei der PDC-WM als Titelverteidiger angetreten, damals wurde bei einem 24er-Teilnehmerfeld anfangs noch in Gruppen gespielt. „The Power“ spielte in der Gruppe 8, unter anderem mit Cliff Lazarenko. An diesen Abend musste er gegen „Big Cliff“ ran und er verpasste ihm ein 3:0. Als wenn nichts gewesen wäre. Taylor konnte den Schalter umlegen, wenn er musste. Eine wichtige Eigenschaft, die ihm auch half, seine Profilaufbahn mit Stil und Glanz zu beenden.

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