Читать книгу Ein Coach für alle Fälle - Erna Hüls - Страница 12

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6 BALANCE
Sie müssen nicht jede Rolle spielen

Leiden Sie gelegentlich unter Lustlosigkeit, Müdigkeit oder Schlafstörungen bis hin zur Erschöpfung? Dann gehören Sie wahrscheinlich zu den Besten. Denn oft sind es besonders leistungsorientierte und engagierte Frauen und Männer, die sich über ihre Grenze hinaus verausgaben und in ihren Rollen glänzen wollen. Nehmen wir als Beispiel einmal eine berufstätige Ehefrau und Mutter mit 35 Jahren. Diese will einen hervorragenden Job machen, eine tolle Ehefrau, eine gute Mutter und fleißige Hausfrau sein, als freundliche Nachbarin, gute Freundin und nette Kollegin punkten und bestenfalls noch Konfektionsgröße 38 tragen. Stimmt es? Da ist die Gefahr groß, sich zwischen all diesen Ansprüchen selbst zu verlieren. Ehrgeiz schafft eben viel – vor allem einen selbst. Viele eifrige Charaktere stellen sich dann die Frage, wie sie diese verschiedenen Rollen am besten unter einen Hut bekommen. In den meisten Fällen lautet meine Antwort darauf: gar nicht. Es kann auch nicht das Ziel sein. Vielmehr geht es darum, jedes Zuviel loszulassen, um endlich mehr Balance und Lebensqualität zu haben. Das meiste sind sowieso „alte Hüte“, die wir ewig tragen. Wir müssen sie nur absetzen.

Wenn ich zu diesem Thema einen Vortrag halte, trage ich zuerst mit dem Publikum mögliche Rollen zusammen, die eine Person bekleiden könnte, und komme immer auf mehr als 15, manchmal sogar 20. Um zu verdeutlichen, wie belastend das sein kann, habe ich immer eine Reihe von Hüten dabei. Dann suche ich mir einen Teilnehmer aus dem Publikum heraus und setze dieser Person nacheinander für jede einzelne Rolle einen Hut auf den Kopf. Spätestens nach sieben Hüten sagen die Versuchspersonen: „Das wird ganz schön belastend“ oder „Der Druck wird immer größer“ oder „Ich kann mich gar nicht mehr bewegen.“ Genau das ist die Auswirkung, wenn Sie zu viele Rollen im Leben übernehmen. Wenn Sie sich dem nicht frühzeitig entziehen, enden Sie wahrscheinlich in einem sogenannten Burn-out. Von dieser neuen Epidemie betroffen sind übrigens meist die engagierten Menschen, die für eine Sache richtig brennen können. Wer ausgebrannt ist, muss schließlich einmal entflammt gewesen sein.

Doch das Problem sind ja nicht allein die vielen Hüte, die Sie auf dem Kopf tragen, sondern vor allem die vielen Erwartungen, die damit einhergehen. Und zwar nicht irgendwelche Erwartungen, sondern ganz bestimmte – ich nenne sie die „wertbezogenen Erwartungen“. Andere Menschen machen Ihnen mehr oder weniger direkt deutlich, wie Sie deren Meinung nach Ihre Rolle auszufüllen haben. Ihre eigenen Wertvorstellungen werden dabei untergraben, und zwar nur, um die scheinbare Harmonie aufrecht zu erhalten. Josef Kirschner, ein österreichischer Journalist und Autor, schreibt in seinem Buch über das Abenteuer, glücklich zu leben: „Wer beliebt sein will und nicht ‚Nein‘ sagen kann, ist ein williges Opfer für Unterwerfung, Unterwanderung und Verführung.“8 Machen Sie sich bewusst, dass Sie nicht auf dieser Erde leben, um die Erwartungen anderer Menschen zu erfüllen. Es geht um Ihre Balance, um Ihre Lebensqualität.

Sind Sie dennoch in diese Falle getappt, versuchen Sie vielleicht zuerst, Ihre Hüte zu behalten und auf jeder Ihrer Bühnen etwas kürzerzutreten, um den Ansprüchen dennoch gerecht zu werden. Aber das gelingt in der Regel nicht. Die einzige Lösung ist, „alte Hüte“ abzulegen und so die Hände freizubekommen. Denken Sie an einen Ballonfahrer, was muss er tun, um überhaupt losfahren zu können? Richtig, er muss Ballast abwerfen. Und genau darum geht es hier auch: Trennen Sie sich von Hüten, die Sie beschweren, die Sie belasten, die Ihnen nicht guttun. Ich weiß, dass das jetzt viele von Ihnen in Bedrängnis bringt, weil Ihnen jeder einzelne Hut so enorm wichtig erscheint. Aber, wer immer und überall mitmischt, wird auf die Dauer nicht ausgeglichen bleiben und nur noch durch sein Leben hetzen. Der Zeitmanagement-Experte Prof. Dr. Lothar J. Seiwert empfiehlt sieben Rollen für eine gelungene Lebensbalance. Und das ist auch meine Erfahrung. Ich stimme dem zu, wenn er sagt: „Menschen, die zu viele Rollen in Ihrem Leben spielen, werden auf dem Parkett des Lebens nirgends eine Charakterrolle spielen und in vielen Bereichen nur Statisten sein.“9

Daher fragen Sie sich, auf welche Hüte bzw. Rollen Sie getrost verzichten können. Sie sollten sich von Hüten verabschieden, die man Ihnen übergestülpt hat, für die Sie keinerlei Motivation haben oder die Ihr Leben nur belasten. Sie sollten auch die einzelnen Aufgaben, die Sie sich selbst in jeder Ihrer einzelnen Rolle aufgetragen haben, auf den Prüfstand stellen. So muss beispielsweise eine Assistentin der Geschäftsleitung nicht gleichzeitig die Seelentrösterin der gesamten Abteilung sein. Ebenso müssen Vorgesetzte bestimmte Aufgaben, für die sie ihre Fachleute haben, loslassen können, statt alles selbst zu erledigen. Ansonsten dürfen sie sich nicht darüber wundern, am Ende des Tages selbst völlig erledigt zu sein. Sagen Sie „Nein“ zu den Dingen, die Ihnen zuwider sind und die Sie gar nicht wollen, sondern nur tun, um Menschen zu beeindrucken, die Sie auch nicht mögen. Konzentrieren Sie sich in Ihrem Leben auf das Wesentliche, das ist das Geheimnis erfolgreicher Lebensführung. Und in dem Wort „wesentlich“ ist vor allem das „Wesen“ enthalten. Sie tragen die Verantwortung für das, was zu Ihrem Wesen passt und nicht zu anderen. Sie werden es erleben: Die wesentlichen Dinge Ihres Lebens können Sie immer unter einen Hut bekommen.

REFLEXION

• Wesentlich für Ihr Leben ist das, was zu Ihrem Wesen gehört.

• Spielen Sie in Ihrem Leben die Hauptrolle, statt nur Statist zu sein.

• Mit Ehrgeiz schaffen Sie viel, aber vor allem sind Sie selbst geschafft!

• Wenn Sie alles alleine erledigen, sind Sie am Ende des Tages erledigt.

• Suchen Sie Ihr früheres Feuer, wenn Sie jetzt ausgebrannt sind.

• Lassen Sie „alte Hüte“ los, nur so kommen Sie in Balance.

Ein Coach für alle Fälle

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