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3 ANGST
Schließen Sie Freundschaft mit ihr

Das ist die Chance, auf die sie lange gewartet hat. Katja, 31 Jahre alt, ist Bankangestellte und bekommt endlich die lang ersehnte Führungsposition in einer neuen Filiale angeboten. Allerdings würde mit dieser Entscheidung auch ein Umzug für sie bevorstehen, denn die Stelle befindet sich in einer anderen Stadt. Nun steigen Gefühle der Angst in ihr hoch. Sie befürchtet, keine angemessene Wohnung zu finden, dass sie sich in der Stadt nicht wohl fühlen und keine Freunde finden könnte, dass sie mit der Mentalität der Mitarbeiter nicht klarkommt und ihre Beziehung darunter leiden könnte. Das mulmige Gefühl, welches sich in ihrem Bauch meldet, verstärkt sich von Tag zu Tag. Dies hält sie für ein Indiz, dass das doch nicht der richtige Weg sei.

Katja hatte sich mit dem Anliegen bei mir gemeldet, herausfinden zu wollen, wie sie diese Chance ergreifen kann, ohne Angst zu haben. Wie sie lassen sich bedauerlicherweise viele Menschen von ihrer Angst aufhalten. Neben einem Mangel an Selbstvertrauen gehört Angst zu den Hauptgründen, warum Menschen blockiert sind und unter ihren Möglichkeiten bleiben. Die Ängste der Klienten, die in meinen Beratungen am meisten auftauchen, sind die vor der Veränderung, vor dem Risiko, vor dem, was die Leute sagen, vor dem Unbekannten, vor Versagen, Misserfolg, Arbeitslosigkeit, davor, im Mittelpunkt zu stehen bzw. nicht im Mittelpunkt zu stehen, vor einer Krankheit usw. Bestimmt könnten auch Sie diese Liste endlos fortsetzen.

Wie lange habe ich selbst gegen meine Ängste angekämpft, bis ich entschied, sie als Bestandteil meiner persönlichen und beruflichen Entwicklung zu akzeptieren. Heute nehme meine Angst einfach mit, wenn sie sich meldet. So mache ich es auch mit allen anderen unangenehmen Gefühlen, die immer mal wieder auftauchen. Das große Geschenk dabei ist, dass sich diese Gefühle im Augenblick des Akzeptierens beinahe auflösen. Sie sind nicht ganz weg, aber sie haben keine Macht mehr über mich.

Ängste lassen sich dadurch überwinden, dass wir sie annehmen. Dies war auch die Lösung für Katja. Als ich ihr auf den Einwand „Aber ich kann diese Stelle doch nicht annehmen, wenn ich so viel Angst davor habe!“ vorschlug, ihre Angst einfach mitzunehmen, war sie zunächst sprachlos. Auf die Idee, die neue Herausforderung trotz ihrer Angst anzunehmen, war sie gar nicht gekommen. Ich sehe das wie Bodo Schäfer, der in seinem lesenswerten Buch „Die Gesetze der Gewinner“4 vorschlägt, die Angst folgendermaßen zu betrachten: „Hätte ich keine Angst, bevor ich einen neuen Schritt setze, so wäre das ein Hinweis darauf, dass der Schritt, den ich gerade setzen möchte, eine Nummer zu klein für mich ist.“ Und er fügt hinzu, dass nicht derjenige mutig ist, der keine Angst hat, sondern der, welcher trotz seiner Angst die nötigen Schritte setzt. Und genau so ist es!

Das Risiko, alles beim Alten zu lassen, wird vielfach unterschätzt. Und das Risiko, etwas Neues zu wagen, wird häufig überschätzt. In Zeiten der Veränderung werden sämtliche erfolgsverhindernden Ängste in unseren Köpfen wach. Das ist ja auch der Grund, warum es viele Menschen in ungeliebten Jobs, Partnerschaften, Wohnhäusern oder Freundeskreisen aushalten … bis der Tod sie scheidet. Oder mit anderen Worten: mit 30 Jahren gestorben, mit 80 Jahren beerdigt. Dazu erzähle ich Ihnen eine Geschichte: Einst saß ein alter, weiser Mann unter einem Baum, als der Seuchengott des Weges kam. Der Weise fragte ihn: „Wohin gehst du?“ Und der Seuchengott antwortete ihm: „Ich gehe in die Stadt und werde dort hundert Menschen töten.“ Auf seiner Rückreise kam der Seuchengott wieder bei dem Weisen vorbei. Der Weise sprach zu ihm: „Du sagtest mir, dass du hundert Menschen töten wolltest. Reisende aber haben mir berichtet, es wären Zehntausende gestorben.“ Der Seuchengott sprach: „Ich tötete nur hundert. Die anderen hat die eigene Angst umgebracht.“5

Ich sehe das so: Geht ein Kapitel in Ihrem Leben zu Ende und etwas Neues steht an, dann geht damit immer Angst einher. So geht es vielen Menschen, Sie stehen damit nicht allein da. Aber Sie dürfen sich nicht von der Angst beherrschen lassen. Diese Angst ist nur ein Gefühl, keine Realität. Betrachten Sie sie als Beweis dafür, dass Sie auf dem Weg sind, das Beste aus Ihrem Leben zu machen. Die Angst, beispielsweise zu versagen, ist ja in vielen erwachsenen Menschen tief verankert. Niemand scheitert gerne. Ich auch nicht. Als Kinder wussten wir intuitiv, dass vorübergehendes Scheitern zum Lernen dazugehört. Da sind wir mit hundertprozentiger Neugier, Freude, Abenteuergeist und Optimismus an die Herausforderung des Lebens herangegangen. Was macht ein Kind, wenn es laufen lernt und dabei hinfällt? Es steht wieder auf! Immer und immer wieder. Es lässt sich nicht entmutigen, denn es erkennt, dass das Hinfallen dazugehört. Aber als Erwachsene gestehen wir uns diesen Lernprozess nicht mehr zu. Diesbezüglich sollten wir wieder werden wie die Kinder und nicht so streng mit uns sein oder fast Unmögliches von uns verlangen.

Angst ist immer ein schlechter Ratgeber. Haben Sie sich auch schon einmal klargemacht, was für verrückte Dinge wir tun, wenn wir Angst haben? Wieso steigen Personen, die Angst vor Mäusen haben, auf einen Stuhl? Soweit ich weiß, können Mäuse nicht springen. Zu tief von Angst durchdrungen zu sein, führt dazu, dass der gesunde Menschenverstand aussetzt. Gewöhnen Sie sich deshalb an, beim ersten Anflug von Angst immer die Frage zu stellen: „Was kann mir schlimmstenfalls passieren?“ Dann relativieren sich diese Ängste und Sie erkennen, dass das, wovor Sie Angst haben, eher Hirngespinste in Ihrem Kopf sind und wenig mit der Wirklichkeit zu tun haben. Kennen Sie den Scheinriesen aus den Geschichten der Augsburger Puppenkiste um Jim Knopf und Lukas, den Lokomotivführer? Die beiden sehen aus weiter Entfernung einen Riesen und bekommen es mit der Angst zu tun. Aber Sie überwinden sich und gehen neugierig auf die Gestalt zu. Nur, je näher sie ihm kommen, je kleiner wird der scheinbare Riese. Als sie schließlich vor ihm stehen, ist er genauso groß wie die beiden selbst. Mit Ihren Ängsten verhält es sich genauso, viele davon sind Schein-Ängste. Und je genauer Sie diese in der Realität betrachten, desto kleiner und harmloser werden sie. Meiner Überzeugung nach sind unsere Chancen und Fähigkeiten – wie auch das Leben selbst – viel größer als unsere Ängste.

Haben Sie sich schon einmal gefragt, was aus all den Ängsten geworden ist, unter denen Sie in der Vergangenheit gelitten haben? Die meisten davon haben sich in Luft aufgelöst. Stimmt es? Mark Twain sagte einmal: „In meinem Leben habe ich unvorstellbar viele Katastrophen erlitten. Die meisten davon sind nie eingetreten.“ Die enorme geistige Vorstellungskraft, über die wir verfügen, arbeitet für uns oder gegen uns. Welchem Gedanken wir die größte Aufmerksamkeit geben, liegt bei jedem von uns selbst.

REFLEXION

• Schließen Sie Freundschaft mit Ihrer Angst.

• Betrachten Sie Angst als natürlichen Bestandteil eines neuen Weges.

• Setzen Sie mutig die nötigen ersten Schritte, obwohl Sie Angst haben.

• Scheitern ist keine Schande, vielmehr ein wichtiger Lehrmeister.

• Scheinbare Ängste werden kleiner, sobald Sie sich ihnen annähern.

• Ihr Leben ist größer als Ihre Ängste.

Ein Coach für alle Fälle

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