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Die Frustrationstoleranz erhöhen

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Nicht alles klappt sofort und der Weg zu mehr Selbstfürsorge ist nicht immer geradlinig. Sie nehmen sich vor, sich aufmerksam um Ihre Bedürfnisse zu kümmern, und fallen doch immer wieder in alte Muster zurück. Seien Sie nicht böse auf sich, sondern achten Sie einmal darauf, wie es sich anfühlt, wenn Sie ein eigenes Bedürfnis leugnen, übergehen, missachten oder wegdrücken:

 Sie spüren keine emotionale Veränderung, denn vielleicht sind Sie daran gewöhnt, Ihre Bedürfnisse hintanzustellen.

 Sie sind kurz enttäuscht, dass keine Zeit für Ihr Bedürfnis bleibt, gehen dann aber zur Tagesordnung über. Vielleicht war das Bedürfnis nebensächlich?

 Sie werden unruhig, denn das Bedürfnis ist Ihnen eigentlich sehr wichtig.

 Sie sind frustriert oder traurig, weil das unbefriedigte Bedürfnis bedeutsam für Sie ist.

 Sie fühlen sich müde und ausgelaugt, weil immer wieder die Bedürfnisse anderer im Vordergrund stehen.

 Sie sind wütend: Warum immer erst die anderen?

Dieser Gefühle sind Wegweiser für Ihre Änderungsmotivation. Negative Gefühle zeigen Ihnen, dass etwas falsch läuft. Prüfen Sie, was Sie ändern, wie Sie besser auf sich achten und mehr Verantwortung für Ihre Bedürfnisse übernehmen können. Werden Sie aktiv, überwinden Sie Hindernisse und setzen Sie sich mit innerem und äußerem Widerstand auseinander. Prüfen Sie aber auch, unter welchen Bedingungen es sinnvoll ist, die Bedürfnisbefriedigung aufzuschieben, ohne sich frustrieren zu lassen.

Die Fähigkeit, unbefriedigte Bedürfnisse zu ertragen, wird in der Kindheit geprägt. Babys können ihre Bedürfnisbefriedigung noch überhaupt nicht aufschieben: Wenn sie Hunger haben, die Windel nass ist, sie müde sind oder ihnen etwas wehtut, schreien sie so lange und ausdauernd, bis jemand kommt und das Problem löst. Mutterbrust oder Fläschchen, Windelwechsel, Schlaflied oder ein warmes Kirschkernkissen für den schmerzenden Bauch – und schon ist die Welt wieder in Ordnung.

Im Idealfall haben Sie als Säugling oder Kleinkind erfahren, dass es Menschen gibt, die Ihre Bedürfnisse ernst nehmen und Ihre Wünsche umgehend erfüllen. Später haben Sie das »Ich-Du-Konzept« entdeckt und haben gelernt, dass es Grenzen zwischen Ihnen und der Welt gibt. Ab diesem Punkt beginnt der lange Weg der Bedürfniskontrolle. Waren Ihre Eltern liebevoll und konsequent, dann durften Sie erleben, dass manche Bedürfnisse aufgeschoben werden können, ohne dass die Welt untergeht. Sie haben gespürt, dass es Bedürfnishierarchien gibt, dass Ihre Bezugspersonen (zumeist die Eltern) ebenfalls Bedürfnisse haben, dass aufgeschoben nicht aufgehoben heißt, dass die Mutter gute und böse Seiten hat, dass der Vater weggeht und wiederkommt, dass Bruder oder Schwester manchmal stören und manchmal Freude bereiten, dass ein knurrender Bauch nicht zum Hungertod führt, dass ein blutendes Knie verheilt, dass man auch mit Muskelkater noch Ball spielen kann, dass man Vokabeln lernen muss, um Englisch zu verstehen und so weiter und so fort. Kurz: Sie haben gelernt, dass es im Leben manchmal angenehm und manchmal unangenehm zugeht. Dieses Wissen ist die Basis der Frustrationstoleranz.

Kinder, die von ihren Eltern nicht zuverlässig, umsorgend, geradlinig und reflektiert erzogen werden, bleiben jedoch in ihrer Persönlichkeitsentfaltung stehen und können keine Ich-Stärke entwickeln. Man unterscheidet beim Thema Bedürfnisbefriedigung in der Erziehung die Vernachlässigung und die Verwöhnung. Vernachlässigen bedeutet, ein Kind mit seinen Bedürfnissen alleinzulassen und ihm dadurch zu viel und zu früh Verantwortung aufzubürden. Verwöhnen hingegen beginnt, wo jede Herausforderung fehlt und alle Bedürfnisse des Kindes sofort befriedigt werden. Und verwöhnt-verwahrloste Kinder werden emotional sich selbst überlassen, dann aber aus schlechtem Gewissen heraus mit materiellen Dingen überhäuft. Diese unterschiedlichen Erziehungsdefizite haben ähnlich schwere Folgen. Sowohl vernachlässigte als auch verwöhnte und verwöhnt-verwahrloste Kinder wachsen nicht selten zu Menschen heran, die

 Angst vor neuen Anforderungen haben,

 kein Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten spüren,

 die Schuld für ihr Versagen auf andere schieben,

 schnell resignieren,

 anfällig für Suchtverhalten sind,

 nur wenig Ausdauer zeigen und

 alles haben wollen, und zwar am besten sofort.

Kurzum, sie werden zu Menschen mit geringer oder fehlender Frustrationstoleranz. Versuchen Sie sich zu erinnern, wie Ihre Eltern mit Ihren Bedürfnissen umgegangen sind:

 Waren Ihre Eltern an Ihnen interessiert, haben gefragt und zugehört?

 Waren die Entscheidungen Ihrer Eltern für Sie nachvollziehbar?

 Sind Ihre Eltern bei ihrem »Ja« und »Nein« geblieben oder hieß es eigentlich immer nur »Vielleicht«?

 Wurden Versprechen eingehalten und Verabredungen ernst genommen?

 Gab es klare Grenzen und auch Konsequenzen für das Übertreten der Grenzen?

 Haben Ihre Eltern Ihnen etwas zugetraut und Sie angespornt?

 Wurden Sie getröstet, wenn etwas nicht geklappt hat?

 Haben Ihre Eltern Sie gelobt?

 Hatten Sie Rechte und Pflichten in Ihrer Familie?

 Wurden Konflikte ausgetragen oder unter den Teppich gekehrt?

 Haben Sie am Vorbild Ihrer Eltern gelernt sich zu entschuldigen, wenn Sie Fehler machen?

Viele Menschen geben den Erziehungsstil der eigenen Eltern unreflektiert an die nächste Generation weiter, obwohl sie eigentlich alles viel besser machen wollten. Reflektieren Sie Ihren Umgang mit Ihren Kindern: Wenn Sie feststellen, dass Sie Ihre Kinder verwöhnen oder vernachlässigen, denken Sie über die Gründe dafür nach und versuchen Sie, Ihren Erziehungsstil zu verändern. Lassen Sie sich dabei unterstützen, wenn Sie überfordert sind. Erziehungsberatung ist in Deutschland eine Leistung der Kinder- und Jugendhilfe.

Ich-Stärke und Frustrationstoleranz werden zwar in der Kindheit geprägt, entwickeln sich aber im Leben fortlaufend weiter. Sie können Ihre Frustrationstoleranz erhöhen, indem Sie bei zwei widerstrebenden Bedürfnissen ganz bewusst entscheiden, welchem Bedürfnis Sie Vorrang einräumen, und zu dieser Entscheidung stehen, auch wenn es sich gerade nicht besonders gut anfühlt. Beim Thema Selbstfürsorge stehen sich beispielsweise folgende Bedürfnisse gegenüber:

 das Bedürfnis nach einer Ruhepause und das Bedürfnis, eine Arbeit zu Ende zu bringen oder etwas Wichtiges zu erledigen,

 das Bedürfnis nach angenehmer Freizeitbeschäftigung und das Bedürfnis, sich für andere Menschen zu engagieren.

Egal wofür Sie sich entscheiden, Sie frustrieren jeweils eines der beiden Bedürfnisse. Prüfen Sie, ob sich bei Ihnen die Frustration einigermaßen gleichmäßig verteilt, ob Sie also manchmal das Bedürfnis nach Selbstfürsorge befriedigen (Ruhepause, angenehme Freizeitgestaltung) und beim nächsten Mal die fremdfürsorglichen Bedürfnisse (Arbeit erledigen, anderen Menschen helfen). Wenn Ihre jeweilige Entscheidung fundiert ist und Sie sich dazu bekennen, sinken die negativen Gefühle und Ihre Frustrationstoleranz steigt.

Besonders interessant sind die Fälle, in denen sich zwei eigene Bedürfnisse entgegenstehen, die einen unterschiedlichen Zeithorizont haben, etwa:

 das Bedürfnis nach einer leckeren Mahlzeit und das Bedürfnis, einen schlanken Körper zu haben,

 das Bedürfnis nach etwas Materiellem und das Bedürfnis, sein Geld zusammenzuhalten.

Hier geht es um momentane Selbstfürsorge (leckeres Essen, materielle Wünsche) und langfristige Selbstfürsorge (schlank bleiben, sparen), die sich idealerweise ebenfalls die Waage halten sollten: Lassen Sie es sich immer mal wieder im Moment gut gehen, behalten Sie aber auch Ihre mittel- und langfristigen Ziele im Blick. Führen Sie sich vor Augen, dass manche Vorhaben nur umsetzbar sind, wenn Sie Selbstdisziplin üben und kurzfristige Bedürfnisbefriedigung aufschieben oder ganz darauf verzichten. Ist das längerfristige Ziel attraktiv genug, steigt Ihre Frustrationstoleranz fast von allein.

Fällt es Ihnen oft schwer, ein kurzfristiges Bedürfnis aufzuschieben, um ein längerfristiges Bedürfnis zu befriedigen? Dann haben Sie vielleicht ein Problem mit Ihrem inneren Schweinehund, der Sie immer wieder dazu verführt, den Augenblick zu genießen und auf langfristige Ziele zu pfeifen. Lesen Sie mein Buch Den inneren Schweinehund bändigen für Dummies, um künftig eine friedliche Koexistenz mit Ihrem Bremser führen zu können.

Selbstfürsorge für Dummies

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