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Ich rufe Bene aus dem Auto an, direkt nach der Diagnose. Lisa fährt und auf meinem Schoß liegen die Dokumente, die Doktor Münchenberg mir mitgegeben hat. Es klingelt dreimal, dann hebt er ab.

„Und?“

„Magenkrebs. Endstadium.“

Ich hätte alles andere sagen können, und er hätte erstmal gesagt, „Du verarschst mich“. Aber nicht bei Krebs. Bene schweigt und das Café treibt im Hintergrund. Die Unterhaltungen, immer wieder klirrendes Geschirr und die Musik.

„Gottverdammte Scheiße.“

„Richtig.“

Selbst wenn ich wollte, mehr könnte ich nicht sagen. Ein Kloß drückt sich den Hals nach oben und ich spüre die Kopfschmerzen, die schon fast normal sind.

„Seid ihr gerade rausgekommen?“

„Ja.“

„Und jetzt auf dem Weg nach Hause?“ Er denkt nach, produziert leise quietschende Geräusche mit den Lippen. „Ich muss hier weitermachen.“

„Klar.“

„Wenn ich nachher komme, seid ihr dann noch wach?“

„Ja.“

„Okay. Lisa fährt?“

„Ja.“

„Sag ihr, ich komme später. Sie soll auf jeden Fall bei dir bleiben.“

„Als ob sie was anderes machen wird.“

„Oh, du kannst ja mehr als nur Ja sagen.“

~

Lisa öffnet ihm, er drückt ihr drei Flaschen Malzbier in die Hände und kommt mit ausgestreckten Armen auf mich zu. Ich stehe im Flur, kann nur dastehen und ihn auf mich zukommen, mich in den Arm nehmen lassen. Und dann heule ich los.

Zwölf Jahre vorher war es ein anderer Flur und ein anderer Grund, aber eine sehr ähnliche Umarmung. Die Polizei hatte sich gerade verabschiedet und ich stand noch vor der Tür, hatte mich bis zu diesem Moment zusammenreißen können, und dann brach es aus mir heraus.

Er hält mich fest, Lisa drückt sich an uns vorbei ins Wohnzimmer. Wir stehen noch eine ganze Weile, meine Arme hängen einfach herab, ich nässe seine Jacke durch und ziehe immer wieder den Rotz die Nase hoch. Er bleibt ruhig, und ich spüre den Druck seiner Arme um meinen Körper und sein Herz, wie es stetig schlägt.

Ich atme ein paar Mal tief durch und passe meinen Herzschlag an seinen an, beruhige mich von Schlag zu Schlag und erst, als ich meinen Kopf hebe, lockert er seinen Griff. Ich wische mir den Rotz und die Tränen weg, Bene sieht an sich herunter und ich muss grinsen.

„Sorry.“

„Schon okay.“

Lisa gibt mir ein Taschentuch und Bene öffnet die Flaschen. Er hebt seine und wir sehen ihn fragend an. Er zuckt mit den Schultern.

„Keine Ahnung, worauf wir anstoßen. Auf … uns.“ Dabei klingt er genauso hilflos, wie ich mich fühle. „Krasser Scheiß, Alex. Wie geht’s jetzt weiter?“

„In einem halben Jahr bin ich tot.“

„Wer weiß. Erinnerst du dich noch an Philipp? Der ist doch Arzt geworden. Und der sagte damals, in der Medizin gibt es nichts, was es nicht gibt. Manche Sachen sind sehr unwahrscheinlich, aber alles kommt vor.“

„Klar, aber es ist nicht die Regel. Die Regel ist, dass die Leute im Krankenhaus liegen und vielleicht sogar ein bisschen länger leben. Aber die Zeit, die sie noch haben, verbringen sie dort, und was hat das dann für einen Sinn?“

Für einen Moment schweigen wir und ich weiß, dass wir alle an meinen Vater denken. Bene greift nach meinem Kopf und küsst meine Schläfe.

„Wir gehen erstmal alle schlafen. Du musst noch überhaupt nichts entscheiden.“

Ich nicke. Ich habe mich schon längst entschieden.

Immer noch wach

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