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Aber genug jetzt von diesen Fragen und allen skandalösen Details. Wersilow kaufte meine Mutter von Makar Iwanow los, reiste bald ab und begann sie von nun ab, wie ich schon früher gesagt habe, fast überall hin mitzunehmen, wohin er ging, ausgenommen einzelne Fälle, wenn er für längere Zeit verreiste; dann überließ er sie meistens der Obhut der Tante, d. h. Tatjana Pawlowna Prutkowa, die dann immer von irgendwoher auftauchte. Sie lebten in Moskau, sie lebten in verschiedenen anderen Städten und Dörfern, teilweise sogar im Auslande, und zuletzt in Petersburg. Auf das alles komme ich später zurück, oder vielleicht lohnt es auch nicht der Mühe. Ich will hier nur das eine sagen: ein Jahr nach der Trennung von Makar Iwanowitsch erblickte ich das Licht der Welt, dann wieder nach einem Jahr meine Schwester, und dann, erst zehn oder elf Jahre später, ein kränklicher Knabe, mein jüngster Bruder, der nach ein paar Monaten starb. Nach der schweren Geburt dieses Kindes war es mit der Schönheit meiner Mutter zu Ende, wenigstens ist mir das erzählt worden: sie begann schnell zu altern und hinfällig zu werden.

Aber die Beziehungen zu Makar Iwanowitsch blieben immer bestehen. Wo die Wersilows auch weilen mochten, ob sie ein paar Jahre hindurch an einem Ort lebten oder auf Reisen waren, Makar Iwanowitsch hielt »die Familie« über seine Person auf dem laufenden. Es bildeten sich so ganz merkwürdige Beziehungen, die teilweise etwas Feierliches und fast Ernsthaftes hatten. Unter Leuten aus höherem Stande hätten solche Beziehungen unbedingt einen Stich ins Komische bekommen müssen, das weiß ich wohl; aber hier war nichts Derartiges der Fall. Die Briefe kamen zweimal im Jahr, nicht mehr und nicht weniger, und sie glichen sich untereinander ganz außerordentlich. Ich habe sie zu Gesicht bekommen; etwas Persönliches war in ihnen kaum zu finden; ganz im Gegenteil, sie bewegten sich soviel wie möglich in Berichten über die allgemeinsten Ereignisse und die allgemeinsten Gefühle, wenn man das von Gefühlen sagen kann: Nachrichten über den Stand seiner Gesundheit vor allen Dingen, dann Erkundigungen nach unserem Befinden, schließlich gute Wünsche, feierliche Empfehlungen und Segenssprüche – das war alles. Und eben diese Allgemeinheit und Unpersönlichkeit sind es, glaube ich, in denen diese Kreise den geziemenden Ton und die feineren Umgangsformen begründet glauben. »Unserer liebwerten und ehrengeachteten Ehefrau Sophia Andrejewna sende ich unsere untertänigste Empfehlung . . .« »Unseren lieben Kinderchen sende ich unseren Segen, der in Ewigkeit unverbrüchlich sein möge.« Die Kinderchen wurden alle mit Namen aufgezählt, wie sie nacheinander kamen, und darunter auch ich. Hierbei möchte ich bemerken, daß Makar Iwanowitsch gescheit und taktvoll genug war, in seinen Briefen von »Sr. Hochgeboren, dem hochzuverehrenden Herrn Andrej Petrowitsch« nie als von seinem »Wohltäter« zu sprechen, ob er ihm auch in jedem Briefe ohne Ausnahme seine alleruntertänigste Empfehlung schickte und sich seiner Gnade und ihn dem Schutze des Höchsten empfahl. Meine Mutter antwortete Makar Iwanowitsch auf seine Briefe immer bald und genau im selben Stil. Wersilow beteiligte sich an der Korrespondenz natürlich nicht. Makar Iwanowitsch schrieb uns aus den verschiedensten Gegenden Rußlands, aus allerlei Städten, und oft aus Klöstern, in denen er häufig längere Zeit lebte. Er war ein sogenannter Pilger geworden. Niemals bat er um irgend etwas; dafür kam er alle drei Jahre einmal zu Besuch nach Hause und stieg einfach bei meiner Mutter ab, die immer ihre eigene Wohnung hatte, die von Wersilows Wohnung getrennt war. Hiervon werde ich später noch sprechen müssen, jetzt will ich nur bemerken, daß Makar Iwanowitsch sich nicht im Wohnzimmer auf dem Kanapee herumrekelte, sondern bescheiden mit irgendeinem Winkelchen hinter einem Vorhang vorliebnahm. Er blieb nie lange, fünf Tage, höchstens eine Woche.

Ich vergaß zu sagen, daß er seinen Familiennamen Dolgorukij ungeheuer liebte und eine große Verehrung für ihn hegte. Natürlich ist das eine ganz lachhafte Albernheit. Am albernsten ist, daß sein Name ihm eben deshalb so gut gefiel, weil es auch fürstliche Dolgorukijs gibt. Eine merkwürdige Auffassung, direkt die verkehrte Welt!

Wenn ich gesagt habe, daß die ganze Familie immer beisammen blieb, so muß man mich selbstverständlich dabei ausnehmen. Ich war wie ausgestoßen und fast von meiner Geburt an bei fremden Leuten untergebracht. Aber da war gar keine besondere Absicht irgendeiner Art dabei, sondern das kam so ganz einfach, weiß Gott, warum. Als sie mich geboren hatte, war meine Mutter noch jung und hübsch, und er hatte sie, denk' ich, nötig, und der Schreihals von einem Kind war natürlich eine ewige Störung, besonders auf Reisen. Und so ist es gekommen, daß ich meine Mutter bis zu meinem zwanzigsten Jahre fast überhaupt nicht gesehen habe, höchstens zwei- oder dreimal flüchtig. Das lag aber nicht an den Gefühlen meiner Mutter, sondern an Wersilows hochnasiger Art.

Ein Werdender

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