Читать книгу Ein Werdender - Fjodor M. Dostojewski - Страница 19

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Hier muß ich bekennen, warum mich Wasins Argument von der »zum Gefühl gewordenen Idee« so begeisterte, aber zugleich muß ich etwas gestehen, dessen ich mich höllisch zu schämen habe. Jawohl, ich hatte Angst gehabt, zu Dergatschow zu gehen, aber nicht aus der Ursache, die Jefim voraussetzte. Ich hatte Angst, weil ich mich schon in Moskau vor solchen Leuten gefürchtet hatte. Ich wußte, daß sie (das heißt, alle Leute von dieser Art, mögen sie auch sonst noch so verschieden untereinander sein, – das ist ganz egal) – daß sie alle Dialektiker sind und daß sie also am Ende »meine Idee« würden zertrümmern können. Ich hegte das festeste Zutrauen zu mir selbst, daß ich ihnen meine Idee nicht ausliefern und mitteilen würde; aber sie (das heißt wieder, alle Leute von dieser Art) könnten mir am Ende aus sich selbst heraus irgend etwas sagen, was mir meine Idee verleiden könnte, selbst wenn ich auch nicht ein Wort von ihr fallen ließe. Ich kannte im Hinblick auf »meine Idee« noch viele ungelöste Fragen, aber ich wollte nicht, daß sie irgend jemand anders löste als ich selbst. In den zwei letzten Jahren hatte ich sogar aufgehört, Bücher zu lesen, aus Furcht, auf irgendeine Stelle zu stoßen, die der »Idee« schaden und mich wankend machen könnte. Und auf einmal kommt Wasin und löst das Exempel und beruhigt mich im höchsten Sinne. In der Tat, wovor hatte ich mich gefürchtet, und was konnten sie mir tun, soviel Dialektik sie auch auftischten? Ich war vielleicht auch der einzige von allen Anwesenden, der verstand, was Wasin da von der »zum Gefühl gewordenen Idee« gesagt hatte. Es ist nicht genug, daß man eine schöne Idee widerlegt, man muß einen Ersatz für sie schaffen durch eine gleich starke schöne Idee; bietet man mir das nicht, so will ich, da ich mich um keinen Preis von meinem Gefühl trennen möchte, jede Widerlegung in meinem Herzen widerlegen, und mag es mit Gewalt sein, und mögen sie sagen, was sie wollen. Und was könnten sie mir denn als Ersatz geben? Und deshalb hätte ich tapferer sein sollen, ich wäre verpflichtet gewesen, mannhafter zu sein. Und während ich von Wasins Worten begeistert war, fühlte ich zugleich Scham und fühlte mich wie ein unwürdiges kleines Kind.

Es kam noch die Scham über was anderes dazu. Der an sich nicht tadelnswerte Wunsch, wegen meines Verstandes gelobt zu werden, hatte mich veranlaßt, das Eis zwischen mir und ihnen zu brechen und mich in die Diskussion zu mischen, aber zugleich erwachte der Wunsch in mir, mich ihnen »an den Hals zu werfen«. Diesen Wunsch, mich den Leuten an den Hals zu werfen, damit sie mich für einen famosen Menschen hielten und mich umarmten oder so was (kurz und gut, diese Schweinerei), halte ich für die scheußlichste unter allen meinen Eigenschaften, deren ich mich zu schämen habe, und ich hatte schon seit langem den Verdacht gehabt, daß so was in mir lebte. Und das kam wohl von dem Winkel, in dem ich mich so viele Jahre gehalten habe, obgleich mir das nicht leid tut. Ich wußte, daß ich den Leuten gegenüber finsterer sein müßte. Mich tröstete nach jeder solchen Blamage nur das eine, daß meine »Idee« trotz allem noch bei mir war, tief geheim wie zuvor, und daß ich sie den andern nicht ausgeliefert hatte. Mit stockendem Herzschlag malte ich mir manchmal aus, wie es sein würde, wenn ich meine Idee irgend jemand gegenüber ausgesprochen hätte, daß ich dann nichts mehr für mich haben, daß ich ebenso sein würde wie alle anderen, und daß ich dann vielleicht überhaupt die Idee fahren lassen müßte; und deshalb hütete und bewachte ich sie und zitterte davor, ins Schwatzen zu kommen. Und nun, bei Dergatschow, beinahe im Augenblick der ersten Berührung mit diesen Menschen, konnte ich mich nicht halten: ich habe natürlich nichts verraten, aber ich habe ganz unerlaubt geschwatzt; ich mußte mich vor mir selbst schämen. Eine häßliche Erinnerung. Nein, ich kann nicht mit den Menschen leben; das denke ich noch heute; ich sage das für vierzig Jahre im voraus. Meine Idee ist mein Winkel.

Ein Werdender

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