Читать книгу Ein Werdender - Fjodor M. Dostojewski - Страница 16

Drittes Kapitel 1

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Es war wirklich ganz überflüssig: denn eine höhere Erwägung verschlang alle Kleinigkeiten, und ein mächtiges Gefühl entschädigte mich für alles andere. Ich verließ das Zimmer in einer Art von Verzückung. Als ich auf die Straße trat, hätte ich am liebsten laut zu singen angefangen. Und der Morgen war herrlich, recht wie zu meiner Stimmung gemacht, Sonne, viele Menschen, Lärm, Bewegung, Fröhlichkeit, Gedränge. – Ja, hatte mich denn diese Frau nicht beleidigt? Von wem hätte ich mir solch einen Blick und so ein dreistes Lächeln gefallen lassen, ohne sofort zu protestieren, und wäre es auch auf die dümmste Weise gewesen, – das ist ja ganz egal? Ich bitte zu beachten, daß sie schon mit der Absicht gekommen war, mich, den sie noch nie gesehen hatte, möglichst schnell zu beleidigen: in ihren Augen war ich nur der »heimliche Abgesandte Wersilows«, und sie war damals wie noch lange nachher überzeugt davon, daß Wersilow ihr ganzes Schicksal in Händen hielte und ein Mittel hätte, sie sofort zu ruinieren, sobald er nur wollte, durch ein Dokument; wenigstens vermutete sie das. Hier galt es einen Zweikampf auf Leben und Tod. Und siehe da – ich war nicht beleidigt! Die Beleidigung war geschehen, ich hatte sie aber nicht empfunden! Im Gegenteil! Ich war sogar froh; ich war hergekommen, um sie zu hassen, jetzt fühlte ich sogar, daß ich sie zu lieben anfing. »Ich weiß nicht, ob eine Spinne die Fliege hassen kann, auf die sie zielt, und die sie zu fangen sucht? Liebe kleine Fliege! Ich glaube, man liebt sein Opfer: wenigstens kann man es lieben. Ich wenigstens liebe meinen Feind: ich freue mich zum Beispiel sehr, daß sie so schön ist. Ich freue mich riesig, daß Sie so hochnäsig und majestätisch sind, gnädige Frau: wenn Sie friedfertiger wären, hätte ich nicht solchen Genuß davon. Sie haben mich angespuckt, aber ich triumphiere; und wenn Sie mir tatsächlich, mit wirklichem Speichel, ins Gesicht gespuckt hätten, so wäre ich sicherlich auch nicht wütend geworden; denn Sie sind – mein Opfer, meins, und nicht seins. Wie wohlig ist dieser Gedanke! Nein, geheimes Machtbewußtsein ist unendlich viel reizvoller, als offene Herrschaft! Wenn ich ein Krösus mit hundert Millionen wäre, ich glaube, ich würde meinen höchsten Genuß darin finden, in recht schäbigen Kleidern herumzulaufen und mich für einen ganz armen und elenden Menschen halten zu lassen, dem man beinahe ein Almosen geben möchte, mich puffen und verachten zu lassen: ich hätte an dem Bewußtsein ganz allein genug.«

So ungefähr könnte ich meine damaligen Gedanken in Worte kleiden, und meine Freude, und viel von dem, was ich fühlte. Ich möchte nur noch erwähnen, daß das hier, in den Worten, die ich soeben geschrieben habe, leichtfertiger herausgekommen ist: in Wahrheit war ich tiefer und keuscher. Mag sein, daß ich auch jetzt vor mir selber keuscher bin, als es in meinen Worten und Taten an den Tag tritt; Gott gebe es!

Vielleicht war es gar nicht gut, daß ich mich zum Schreiben hingesetzt habe: in mir bleibt unermeßlich viel mehr zurück, als in meinen Worten herauskommt. Dein Gedanke, und mag er auch töricht sein, ist immer tiefer, solange er in deinem Innern bleibt, und wird lächerlicher und ehrloser, sobald du ihn in Worte faßt. Wersilow hat mir gesagt, daß das genaue Gegenteil nur bei schlechten Menschen stattfindet. Die lügen nur, sie haben es leicht; ich aber mühe mich, die ganze Wahrheit niederzuschreiben – das ist furchtbar schwer!

Ein Werdender

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