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4.

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Krieger war beeindruckt von der Hilfsbereitschaft der Berliner. Immer mehr Freiwillige meldeten sich bei der Einsatzleitung, um den Verunglückten zu helfen. Da die Versorgung der Schwerverletzten Vorrang hatte, waren die Leichtverletzten dankbar für die Unterstützung der Anwohner. Decken wurden ausgegeben, heißer Kaffee und dampfender Tee verteilt, tröstende Worte gespendet.

Krieger hatte sich einem Team von Sanitätern angeschlossen, das sich um eine Gruppe schwerverletzter Jugendlicher kümmerte, als sein Handy klingelte.

»Hallo, Krieger, wie sieht es inzwischen vor Ort aus?«, fragte Thomsen.

»Der Ku’damm gleicht nach wie vor einem Krisengebiet, aber die Einsatzleitung der Feuerwehr und die Sanis leisten gute Arbeit. Die Leute wissen, was sie tun. Ich schätze, wir haben knapp dreißig Tote und etwa einhundert Schwerverletzte.« Krieger machte eine Pause. »Und wie sieht es bei Ihnen aus?«

»Ich habe gerade mit Karch gesprochen«, erwiderte Thomsen. »Er hat seine Kontakte genutzt und Ihnen Zugang zu den Ermittlungen verschafft. Zunächst als Beobachter, aber das sollte reichen, um einzuschätzen, womit wir es hier zu tun haben. Die Leitung liegt in den Händen der Kripo, genauer gesagt in der Verantwortung von Anna Cole. Ich habe ein paar Dinge über sie in Erfahrung gebracht, die Sie wissen sollten.«

Thomsen machte eine Pause und man hörte Papier rascheln, ehe er fortfuhr.

»Cole ist Kriminalhauptkommissarin, Anfang dreißig und die Tochter eines US-amerikanischen Generals außer Dienst. Ihre Mutter ist Deutsche. Ihre Eltern haben sich nach dem Krieg in Berlin kennengelernt. Sie ist eine Einzelgängerin und dafür bekannt, die Dinge auf ihre Weise zu erledigen. Aber der Erfolg gibt ihr bisher recht. Sie hat eine nahezu hundertprozentige Erfolgsquote und ist bereits mehrfach für Beförderungen in Planstellen vorgeschlagen worden. Sie hat diese allerdings jedes Mal mit der immer gleichen Begründung ausgeschlagen: dass ihr Platz auf der Straße und nicht hinter einem Schreibtisch sei. Ich habe mit ihrem Chef, Kriminalrat Wegener, gesprochen. Wie erwartet, hat er unsere Unterstützung strikt abgelehnt. Allerdings hat er Weisung von oben bekommen, uns Zugang zu allen Informationen zu verschaffen. Das hat ihn wenig begeistert, was er mir auch unmissverständlich klargemacht hat.« Thomsen machte eine Pause und räusperte sich, ehe er fortfuhr. »Er weiß allerdings auch, dass der Anschlag politisch hochbrisant ist. Nach den Pegida-Demonstrationen, der wachsenden Popularität extremer Parteien, der ablehnenden Haltung gegenüber den Flüchtlingen und den Attentaten der vergangenen Wochen werden sich die Anhänger der islamfeindlichen Organisationen in ihrem Glauben bestätigt fühlen, dass alles Fremde gefährlich für Deutschland ist. Deshalb hat eine schnelle Aufklärung für ihn höchste Priorität. Er befindet sich also in einer Zwickmühle. Er braucht uns, aber er will uns nicht. Gehen Sie also nicht davon aus, dass man Sie mit offenen Armen empfängt. Und melden Sie sich in spätestens zwei Stunden mit einem ersten Bericht.«

Krieger bestätigte kurz und legte auf.

Es war ein offenes Geheimnis, dass die einzelnen Behörden in einem ständigen Kompetenzkampf miteinander standen und keine es gerne sah, wenn ihr jemand in die Ermittlungen pfuschte. Hinzu kam, dass gerade die Geheimdienste und Sonderkommandos in einem besonders kritischen Licht gesehen wurden. Nach Ansicht der Polizei verschwendeten die Spione den größten Teil des Geldes, ohne Rechenschaft über ihre Arbeit ablegen zu müssen. Man erfuhr so gut wie nie, was sie eigentlich machten. Einsätze wie der legendäre GSG-9-Erfolg in Mogadischu waren die absolute Ausnahme.

Krieger wusste, dass diese Einschätzung sehr oberflächlich war, und er hielt nichts von politischen Spielchen. Schwarze Schafe gab es in den Reihen der Polizei genauso wie aufseiten der Geheimdienste. Er war der festen Überzeugung, dass die Arbeit zuerst kam: Das Team, das die besten Chancen auf Erfolg hatte, sollte auch das Team sein, das den Job übernahm. So einfach war das. Und jetzt kam es darauf an, so schnell wie möglich zu handeln. Je mehr Zeit verging, desto mehr würden die Spuren verwischen. Außerdem ließ Krieger eine Befürchtung nicht los: Was, wenn dies nicht der einzige Anschlag bleiben würde?

Er machte sich auf den Weg zur mobilen Einsatzleitung der Polizei, die gerade in einem großen Mercedes-Bus aufgebaut wurde. Vor dem Fahrzeug gab eine mittelgroße Frau mit schulterlangen dunkelbraunen Haaren Anweisungen. Mit ihrem schmalen Gesicht, ihrem dunklen Teint und ihrer sportlichen Figur war sie von auffallender Schönheit. Dies stand im Gegensatz zu ihrer zweckmäßigen Kleidung – Jeans, schwarze, taillierte Jacke, Biker-Stiefel – und ihrem Auftreten: Obwohl sie von zahlreichen Polizisten in Uniform und Zivil umgeben war, war klar zu erkennen, wer hier die Chefin war.

Krieger hatte im Laufe seiner Karriere schon in vielen Einsätzen mit Frauen zusammengearbeitet. Einige davon zählten zu den besten Agenten der Welt und übertrafen viele ihrer männlichen Kollegen in jeglicher Hinsicht. Im Einsatz kam es darauf an, sich blind aufeinander verlassen zu können. Dabei spielte das Geschlecht keine Rolle. Für Krieger zählte alleine die Qualität der Arbeit und nicht die Frage, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte. Vorurteile und Voreingenommenheit hatten schon viel Schaden angerichtet. Dafür war in seinem Job kein Platz.

Verraten

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