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7.

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Die Konfrontation mit Mayer war besser verlaufen, als er zunächst befürchtet hatte, dachte Krieger, als sein Telefon vibrierte. Er zog es aus der Tasche und nahm das Gespräch an. Es war Thomsen mit neuen Informationen. Obwohl sein Chef wie immer sehr ruhig und sachlich sprach, meinte Krieger, eine gewisse Besorgnis in seiner Stimme zu hören. Das war ungewöhnlich, denn er war bekannt dafür, auch in den schwierigsten Situationen nüchtern und objektiv zu handeln. Krieger ging einen Schritt zur Seite, um in Ruhe zu telefonieren.

»So wie es aussieht, haben wir ein wirkliches Problem«, sagte Thomsen. »Größer, als ich bisher befürchtet hatte. Und der Ärger fängt gerade erst an.« Thomsen hielt inne. Es klang, als sortierte er mehrere Blätter.

»Unser größtes Boulevardblatt hat vor einigen Minuten ein Bekennerschreiben erhalten, das sofort über die Kripo an uns weitergeleitet wurde. Ich habe mit dem Chefredakteur gesprochen und konnte ihn im letzten Moment davon abhalten, alles zu veröffentlichen. Im Gegenzug habe ich ihm Exklusivinformationen für seine Zeitung zugesagt, wenn die Sache überstanden ist. Das Letzte, was wir jetzt brauchen können, ist Panik in der Bevölkerung.«

Man hörte wieder Papierrascheln, eher Thomsen fortfuhr.

»Das Schreiben kam per Fax, allerdings ohne Absenderkennung. Eine Gruppe, die sich ›Der Pfad der Reinheit‹ nennt, übernimmt die volle Verantwortung für das Attentat. Sie schreiben, Deutschland sei vom rechten Weg abgekommen und die Ungläubigen sollen vernichtet werden. Sie drohen mit weiteren Anschlägen, um den Menschen in diesem Land die Augen zu öffnen. Nur so könne Deutschland wieder genesen.«

Hört sich seltsam an, dachte Krieger. Irgendetwas passte nicht zusammen, aber er konnte nicht genau sagen, was das war. »Ist das Schreiben authentisch, oder haben wir es hier mit einem Trittbrettfahrer zu tun?«, fragte er.

»Das überprüfen wir gerade«, erwiderte Thomsen. »Aber das ist nicht das, was mich beunruhigt. Das Schreiben enthält noch eine Anlage, die mir viel mehr Sorgen bereitet. Eine Liste mit Einsätzen, an denen die Bundeswehr und einige unserer Spezialeinheiten beteiligt waren. Die Attentäter werfen uns vor, dass unsere Missionen ungerechtfertigte Attacken auf unschuldige Menschen seien.«

»Auch SKT-Einsätze?«, fragte Krieger, dem langsam klar wurde, dass das Ausmaß des Schadens über den tragischen Tod der Opfer noch hinausging. Wenn die Attentäter Insiderinformationen hatten, waren alle Agenten, die derzeit im Ausland im Einsatz waren, mit einem Schlag bedroht. Womöglich sogar in Lebensgefahr.

»Nein, keine SKT-Einsätze«, erwiderte Thomsen. »Aber eine ganze Reihe von Undercover-Missionen von MAD und Verfassungsschutz. Einsätze, die zum Teil der höchsten Geheimhaltungsstufe unterliegen. Moment mal«, sagte er dann und machte eine Pause. »Ich bekomme gerade eine neue Auswertung. Nach einer ersten Abfrage unserer nationalen Datenbanken und der Informationen der Amerikaner und Engländer ist bislang noch keine Gruppe unter dem Namen ›Der Pfad der Reinheit‹ in Erscheinung getreten. Wir haben auch einen Abgleich des Schreibens in allen gängigen Sprachen durchgeführt. Weder die verwendeten Worte noch der Stil ergaben einen Treffer. Auch bei Interpol hatten wir kein Glück. Das heißt, wir haben es hier wohl wirklich mit einer neuen Organisation zu tun.«

Krieger stimmte ihm zu. Bei einem Attentat von diesem Ausmaß hätten alle existierenden Terrorgruppen längst die Verantwortung übernommen, wenn sie dahinterstecken würden. So etwas ließ sich niemand entgehen.

»Es gibt allerdings auch ein paar Ungereimtheiten, die Zweifel an der Echtheit des Schreibens aufkommen lassen«, sagte Thomsen und bestätigte damit Kriegers Verdacht. »Es ist in perfektem Deutsch und in einer zweiten Version in perfektem Arabisch verfasst. Beides absolut untypisch. Das Auffallendste aber ist, dass die gelisteten Einsätze im Mittleren Osten zu siebzig Prozent geheime Missionen waren, über die es keine öffentlichen Informationen gab. Und: Alle Einsätze, die man uns vorhält, hat es tatsächlich gegeben. Die Daten sind präzise und entsprechen eins zu eins den Aufzeichnungen unserer eigenen Dienste.«

»Wer auch immer das Attentat verübt und das Schreiben verfasst hat, hat also Einblick in Informationen, die unsere gesamte Strategie im Mittleren Osten betreffen«, stellte Krieger fest. »Wer hatte alles Zugang zu den Berichten?«

»Das überprüfen wir gerade«, erwiderte Thomsen. »Aber wahrscheinlich lediglich unsere militärische Leitung sowie ausgewählte Führungskreise der NATO. Es kann allerdings auch sein, dass Daten an befreundete Dienste gegangen sind. Sie wissen ja, dass das manchmal geschieht, ohne dass es darüber Aufzeichnungen gibt.« Thomsen räusperte sich. »Und wenn das der Fall ist, dann haben wir schon jetzt einige lose Enden.«

Krieger wusste, was Thomsen meinte. Die Agenten tauschten im Einsatz immer häufiger vertrauliche Daten mit den Diensten befreundeter Länder aus. Das war nicht nur nötig, um ihre Missionen erfolgreich durchzuführen, sondern diente vor allem dazu, Menschenleben zu retten.

Aber es gab noch einen Punkt, der Krieger an dem Schreiben Sorgen bereitete, und er zog seine Stirn in Falten.

»Haben die Attentäter Forderungen gestellt?«, fragte er.

»Nein. Keine Forderungen. Nur die Ankündigung von weiteren Anschlägen. Das Schreiben soll offensichtlich Panik auslösen«, erwiderte Thomsen.

»Okay«, sagte Krieger. »Dann scheinen sie es wirklich ernst zu meinen. Und wir können für den Moment nicht mehr machen, als alle Spuren zu verfolgen und zu hoffen, dass wir schneller sind als sie.« Mit sehr ernster Stimme fügte er hinzu: »Ganz gleich, wer auch immer dahintersteckt.«

Thomsen kannte Krieger ganz genau und wusste, worauf dieser mit seiner letzten Bemerkung anspielte. »Wir überprüfen die möglichen undichten Stellen. Und ich stimme Ihnen zu, es sieht tatsächlich so aus, als hätten wir einen Maulwurf in unserer Mitte. Wir durchleuchten deshalb gerade alle Mitarbeiter, die Zugang zu den Informationen hatten, und checken auch, wer wann auf welche Daten zugegriffen hat. Ich melde mich, sobald ich mehr weiß.«

»Alles klar«, sagte Krieger. »Ich werde hier auf meiner Seite weitermachen!«

»Okay«, erwiderte Thomsen. »Wie läuft’s mit der Kommissarin? Kooperiert sie?«

»Ja, tut sie. Und schneller als gedacht.«

»Perfekt, dann hören wir uns später«, schloss Thomsen das Gespräch und legte auf.

Krieger steckte sein Telefon wieder in die Tasche seiner zerrissenen Jeans und blickte dann zu Cole. Ihm war nicht entgangen, dass sie ihn während des gesamten Telefonates beobachtet hatte. In ihren Augen konnte er sehen, was in ihr vorging. Sie war skeptisch. Sie wollte wissen, ob er wirklich offen sein würde. Ob sie die richtige Entscheidung getroffen hatte, ihm zu vertrauen.

Er nickte ihr zu, und für einen Moment schienen sich ihre Zweifel zu legen.

Ihre Unruhe wuchs allerdings schnell wieder, als Krieger das Telefonat für sie zusammenfasste. »Wir haben kaum Zeit«, schloss er seinen Bericht. »Wenn die Drohungen echt sind, dann müssen wir in Kürze mit dem nächsten Attentat rechnen. Lassen Sie uns ein paar Informationen überprüfen. Ich habe da so eine Ahnung, wo wir damit anfangen sollten.« Er sah die Kommissarin auffordernd und mit einem Lächeln in den Augen an. »Kommen Sie, wir nehmen meinen Wagen.« Cole nickte und gab Mayer Bescheid. Gemeinsam überquerten sie dann den Ku’damm und gingen in Richtung Meinekestraße, wo Krieger seinen Jeep geparkt hatte.

Verraten

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